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Inflation: Junge stärker betroffen als Senioren

Lukas Sustala
Lukas Sustala

Die Inflation ist aktuell sehr hoch. Steigende Energiepreise, der Angebotsschock nach der Pandemie und viele Milliarden Euro an Hilfsgeldern bei gleichzeitig extrem lockerer Geldpolitik sind der Maßnahmen-Mix, der die Teuerungsrate 2021 stark steigen ließ.

Die politisch mächtige Lobby der Senioren betont aktuell, dass „vor allem“ Seniorinnen und Senioren von der Teuerungswelle betroffen seien. Warum die Pensionistenvertreter Peter Kostelka und Ingrid Korosec damit aber das wahre Bild verzerren, zeigt eine Analyse der offiziellen Daten.

Das NEOS Lab hat auf Basis der Verbrauchsausgaben nach Altersgruppen berechnet, dass die Inflation im vergangenen Jahr bei den Unter-30-Jährigen sogar am höchsten war. Konkret lag sie in dieser Alterskohorte im Jahresdurchschnitt bei 2,88 Prozent. Bei den 60- bis 69-Jährigen lag die Inflation bei 2,80 und bei den über 70-Jährigen bei 2,60 Prozent.

Nicht anderes fällt die Analyse übrigens aus, wenn man nur die Dezember-Inflation hernimmt, die besonders hoch war. Hier lag die Teuerung für die Unter-30-Jährigen bei 4,60 Prozent, bei den 60- bis 69-Jährigen waren es 4,46 Prozent und bei den über 70-Jährigen waren es immerhin noch 4,0 Prozent.

Basis für die NEOS Lab-Analyse (über die u.a. auf ORF.at berichtet wurde) ist die Konsumerhebung 2019/20 der Statistik Austria. In diesem Rahmen wird abgefragt, wie viel Geld die einzelnen Altersgruppen für welche Produktgruppen ausgeben.

Individuelle Inflation

Inflation ist oft sehr individuell, sie hängt etwa von der eigenen Wohnsituation oder der Frage ab, auf welche Mobilität man angewiesen ist. Dass aktuell besonders Pensionistinnen und Pensionisten von höheren Preisen betroffen seien, trifft aber mit Blick auf die statischen Daten nicht zu – jedenfalls nicht für die gesamte Kohorte im Schnitt. 

Bei Jüngeren spielen beispielsweise Ausgaben für Verkehr (Kfz-Anschaffung, Instandhaltung, öffentlicher Verkehr) eine größere Rolle. In dieser Gruppe war die Inflation im Vorjahr aber mit 6,6 Prozent besonders stark. Auch die Ausgabengruppen „Freizeit, Sport, Hobby“ und „Cafés, Restaurants“ fallen bei jüngeren Menschen stärker ins Gewicht. Und selbst in der Kategorie „Wohnen und Energie“ geben die Unter-30-Jährigen mit 25 Prozent ihrer gesamten Ausgaben mehr aus als die 60- bis 69-Jährigen (24,2 Prozent der gesamten Ausgaben). Lediglich bei den über 70-Jährigen fällt der Bereich „Wohnen und Energie“ etwas stärker ins Gewicht (27,9 Prozent der gesamten Ausgaben).

Der Blick auf die Verbraucherpreise verstellt allerdings einen zentralen Unterschied zwischen jüngeren und älteren Kohorten in Österreich. Weil letztere im Schnitt wesentlich häufiger im Eigentum wohnen, sind sie im Schnitt auch wesentlich weniger von der in den vergangenen Jahren sehr deutlichen Mietpreisinflation betroffen. Gerade bei Neuvermietungen, wichtig für junge Leute, die von zuhause ausziehen, oder für junge Familien waren die Mietpreissteigerungen in den vergangenen fünf Jahren wesentlich stärker als für Bestandsmieten. Der Anteil der tatsächlich gezahlten Wohnungsmieten an den Ausgaben macht etwa bei den Über-70-Jährigen nur die Hälfte der Unter-30-Jährigen aus.

Einkommen eher bei Jüngeren gesunken

Für einen gesamthaften Blick auf die Pandemie fehlen außerdem die Einnahmen. Gerade im Sinne der Generationengerechtigkeit sollte die Politik verstärkt die Jungen im Blick haben, denn sie waren es, die während der Pandemie von stark steigender Arbeitslosigkeit besonders betroffen waren und durch Kurzarbeit häufiger Gehaltseinbußen hinnehmen mussten, wie Günther Oswald, Berater des Lab, in einem aktuellen Beitrag zeigte.

Pensionisten haben finanziell am wenigsten von der Krise gespürt. Wie eine Analyse des NEOS Lab auf Basis der Lohnsteuerstatistik für das Jahr 2020 ergeben hat, sind die Pensionen (exklusive Beamte) im ersten Krisenjahr mit 8,4 Prozent netto am stärksten gestiegen. Bei Arbeitern und Angestellten (plus 2,6, bzw. 2,2 Prozent) sind die Nettobezüge trotz Senkung des Eingangssteuersatzes nur leicht gestiegen.

Für 2021 liegen diese Daten zwar noch nicht vor, die Pensionisten waren aber unterm Strich sicher nicht die Verlierer der letzten zwei Jahre.

Entlastung als Gebot der Stunde

Wichtiger als neuerliche Maßnahmen mit ausschließlichem Fokus auf Pensionisten wäre es daher, wenn der Staat angesichts der Inflation breit und wirksam entlastet. So sollte endlich die kalte Progression abgeschafft werden. Diese Inflationssteuer führt dazu, dass auch die aktuelle Steuerreform binnen kurzer Zeit verpuffen wird. Eine hohe Inflation verkürzt die Halbwertszeit einer Steuerreform in Österreich sehr rasch. Wenn der Finanzminister hier nicht gegensteuert, kommt es real zu empfindlichen Steuererhöhungen.

Wenn der Staat einen Beitrag zur Entlastung der Bürger – egal ob jung oder alt – leisten will, kann er auch die Angemessenheit von Gebühren und Abgaben kritisch hinterfragen, die mit der Inflation mitwachsen und die Lebenshaltungskosten weiter verteuern.

Weiterführende Links

Eco Austria (2022): Wirkung der Energiepreise auf die österreichische Wirtschaft. Link: https://ecoaustria.ac.at/wirkung-der-energiepreise-auf-die-oesterreichische-wirtschaft/ 

Bericht Lab-Inflationsanalyse auf ORF.at: https://orf.at/stories/3245236/

Bericht Lab-Inflationsanalyse auf Puls 24: https://www.puls24.at/news/politik/neos-gegen-inflationsabgeltung-nur-fuer-pensionisten/255249

Lab-Blog (2021): Einkommen der Pensionisten im Krisenjahr 2020 am stärksten gestiegen. Link: https://lab.neos.eu/blog/einkommen-der-pensionisten-im-krisenjahr-2020-am-staerksten-gestiegen

Bild: © Jonathan Kemper, Unsplash.com

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