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Corona, Spanien und ein bedingungsloses Grundeinkommen. Ein Blog in 3 Fragen

Blogbeitrag von JOHANNES
STOLITZKA
Research & Projektkoordinator des NEOS Lab

Staaten spannen monetäre Schutzschirme, Sozialsysteme geraten an ihre Grenzen, Menschen werden in Massen in Kurzarbeit geschickt oder arbeitslos. Es wird deutlich, dass diese Krise nicht nur eine gesundheitliche ist.

Nun stellt sich bei rasant wachsenden Kurzarbeits- und Arbeitslosenzahlen und massiven Umsatzeibußen in einzelnen Wirtschaftssektoren die Frage, wie man Menschen, welche um ihre Existenz fürchten, helfen kann?

Wenn man nun einigen deutschen und österreichischen Medien Glauben schenken soll, so ist die spanische Regierung gerade dabei dieses Problem mittels einem „bedingungslosen Grundeinkommens“, kurz BGE, zu lösen. Und ein Überfliegen der Kommentarspalten in Österreichs Medien, eine Forderung nach einem BGE in Zeiten einer Pandemie ist auch unter vielen Österreicher_innen weit verbreitet.

Nun stellt sich natürlich die Frage, was gerade in Spanien geschieht und wiederum, was es mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen auf sich hat. Da trifft es sich natürlich gut, dass das NEOS Lab erst kürzlich einen Policy Brief zum Thema BGE veröffentlicht hat. Basierend auf den Berichten aus Spanien und unseren Erkenntnissen im NEOS Lab, wird hier erklärt, was ein BGE eigentlich ist bzw. was es auch nicht ist.

Vorab ist zu sagen, dass es kein einheitliches Konzept eines BGE gibt. Auf der ganzen Welt haben sich – meistens gleich mehrere – Initiativen gegründet, welche ein eigenes Modell eines Grundeinkommens vorstellen. In Österreich hat erst im November 2019 eine Privatperson mittels Volksbegehren ein BGE von 1.200 Euro monatlich für jede_n Österreicher_in gefordert. Zudem wirbt ein weiteres Volksbegehren eines Vereins zur Einführung eines BGE derzeit um Unterschriften.

In diesem Beitrag soll das Thema jedoch allgemeiner gehalten werden. Also ist dieser Blog in drei Fragen aufgeteilt, die eine langsame Vertiefung der Thematik leiten sollen.

 

Was ist ein BGE?

Bei einem BGE handelt es sich, nach einer vereinfachten Definition des internationalen Basic Income Earth Networks (BIEN), um ein monatlich ausgezahltes Einkommen, welches

·      ohne Bedingung und an keine bedarfsorientierte Prüfung (engl. Means tested) gebunden ist, 

·      an jede_n Bewohner_in, unabhängig von Staatsbürgerschaft oder Einkommen, 

·      und existenzsichernd, entsprechend der jeweiligen nationalen Kaufkraft und Lebenskosten, ausreichend hoch, ausgezahlt wird. 

Das bedeutet, jede in Österreich (bzw. Spanien) lebende Person würde ein Grundeinkommen beziehen, das es ermöglicht - auch ohne einer Erwerbsarbeit nachzugehen - die Bedürfnisse des alltäglichen Gebrauchs abzudecken. Vereinfacht gesagt: Jemand ohne Erwerbseinkommen würde das gleiche Grundeinkommen, wie jemand mit einem großen Vermögen, beziehen. Denn das ist der Kern des Parameters der Bedingungslosigkeit.

Welches BGE Modell verfolgt nun Spanien?

Kurz gesagt: Keines. Denn in Spanien sollen bedürftige Familien eine staatliche Unterstützung beziehen. Dadurch ist dieses „Grundeinkommen“ an eine oder mehrere Bedingungen geknüpft und wird gleichzeitig nicht an jede_n ausgezahlt. Anders gesagt, handelt es sich bei dieser Zuwendung um eine Aufbesserung der Sozialleistungen. Spanien hat hier anscheinend aufholbedarf. Zudem sind in Spanien Sozialhilfeleistungen teilweise regional geregelt. Der spanische Vorstoß ist also als eine Art Mindestsicherung, wie sie auch in Österreich ausbezahlt wird, zu interpretieren.

Nun sollte klar sein, was in Spanien geschieht und dass wohl einige einer Ente aufgesessen sind.

Trotzdem soll diese Erkenntnis noch nicht das Ende dieses Beitrags sein. Denn noch wissen wir nicht genau was ein BGE für den Staat und die Bürger_innen bedeuten würde.

 

Gibt es weltweit Beispiele eines BGE und soll es Österreich umsetzen?

Die Antwort auf den ersten Teil der Frage ist relativ einfach: Nein. Bzw. gibt es neben vielen Ideen und vielen hypothetischen Modellen keine echten Best Practice Beispiele eines BGE. Es gibt zwar private Initiativen, wie jene des „Mein-Grundeinkommen“, dass durch Crowdfunding ein Grundeinkommen von 1.000 Euro pro Monat verlost und ein Jahr lang auszahlt. Es gibt auch BGE-ähnliche Formen, wie jene des Alaska Permanent Funds, bei dem Überschüsse durch den Rohölhandel jährlich an die Bevölkerung Alaskas ausgezahlt wird. Ein ähnliches System verfolgte auch der Iran. Doch ein BGE nach BIEN Parametern, das womöglich ganzheitlich staatliche Sozialsysteme, wie wir sie kennen ersetzen würde, gibt es nicht.

Nun stellt sich die Frage, ob Österreich ein BGE umsetzen soll. Das ist nicht leicht zu beantworten, jedoch spricht vieles dagegen. Einerseits gibt es eine Unzahl von Modellen, welche in ihren Strukturen teilweise weit von einander entfernt sind, sodass wir über kein einheitliches Konzept zur Umsetzung verfügen. Andererseits gibt es viele offene Fragen, die nicht klar beantwortet werden können. Wie sollen wir z.B. ein BGE finanzieren und in welcher Höhe soll es ausgezahlt werden? Denn es ist nicht ganz geklärt, was existenzsichernd bedeutet. Nehmen wir als Beispiel die Armutsgefährdungsschwelle (2018: 1.260 €) unter der jemand als arm oder gefährdet gilt. Jene könnte als Bemessungsgrundlage dienen und monatlich ausgezahlt werden. Hier gibt es jedoch ein statistisches Problem wie Armut bemessen wird. Denn wenn jede_r 1.260€ monatlich bezieht, so würde wahrscheinlich auch die Armutsgefährdungsschwelle um diesen Betrag steigen. Denn in dieser Berechnung geht man von einem Medianwert aus. Es wären also immer noch unzählige Menschen arm. Außerdem würde dies Kosten von ca. 135 Mrd. € (157 Mrd. € bei 14 Gehältern) verursachen, welche die Sozialleistungen des Staates (2018: ca. 109 Mrd. € inklusive Sachleistungen) um einiges übersteigen würde. Auch stellt sich die Frage ob ein BGE solidarisch wäre, da es keine Unterschiede zwischen bedürftig und nicht bedürftig macht. Der Solidaritätsgedanke würde hier ausgehebelt werden. Die wichtigsten Fragen stellen sich aber im Verhaltensökonomischen Bereich. Führt ein BGE zu einer Teuerung und so zu einer Inflation, die das zusätzliche Einkommen schnell zu Nichte machen würde? Würde die Nachfrage nach Erwerbsarbeit zurückgehen? Etc.

Nun sind das viele Punkte und Fragen, die gegen ein BGE sprechen würden, jedoch soll es hier nicht völlig in Frage gestellt werden. Denn ein BGE spricht auch viele wichtige Dinge an und stellt auch die richtigen Fragen. Denn ein Grundgedanke eines BGE ist das Streben nach mehr Freiheit und wie wir dies erreichen können. Denn bei einem BGE müssen Menschen nicht den beschwerlichen und mit vielen Hürden verbundenen Weg zur Behörde gehen, um Sozialleistungen zu beantragen. Es könnte dadurch viel an Nerven und Bürokratie eingespart werden. Menschen könnten zusätzlich unabhängiger Entscheidungen über eine Erwerbstätigkeit treffen. Kurzum ein BGE spricht Probleme an, welche westliche Sozialsysteme im 21. Jahrhundert haben. Sie sind oft unflexibel und große Bürokratiemonster, die mit den Lebensstilen der Bürger_innen und den Realitäten einer modernen Gesellschaft nicht mithalten können.

Schlussendlich wissen wir nun, dass Spanien kein BGE eingeführt hat und welche Parameter ein BGE ausmachen. Trotzdem bleibt bzgl. eines BGE Vieles im Dunklen. Eines scheint aber ein BGE richtig zu machen: Es stellt die richtigen Fragen, findet aber wohl nicht die richtigen Antworten.

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