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Diversity und Pride: Heute wichtiger denn je

Silvia Nadjivan
Silvia Nadjivan

Auch 2023 steht der gesamte Juni unter dem Motto „Pride Month“. Mit Stolz wird lautstark auf Diversität aufmerksam gemacht und Anders-Sein öffentlich gefeiert. Vielfalt ist und bleibt eine wesentliche Stärke liberaler und offener Gesellschaften. Ein Kommentar.

Ab auf die Straße

Nach dem Treffpunkt beim Rathaus ab 11 Uhr wird der Ring andersrum entlanggegangen oder besser gesagt getanzt, und zwar zu fetten Beats und unzähligen Regenbogenfahnen. Wenn mindestens so viele Menschen wie letztes Jahr kommen, ist Spaß garantiert. Denn 2022 shakten 250.000 Teilnehmer:innen rund um die LKWs zahlreicher renommierter österreichischer Unternehmen ab. Deutlicher konnte der Aufschrei für mehr Akzeptanz und die Achtung von Menschenrechten nicht sein. Unter dem Motto „Besser bunt als schwarz-blau“ geht es heuer auf die Straßen. Mit durchaus ernstem Hintergrund.

Noch immer benachteiligt

Mittlerweile geht es nicht nur darum, in altbewährter Weise gemeinsam mit der LGBTIQ+-Community der Proteste von New York City im Jahr 1969 (des „Christopher Street Day“) zu gedenken, einer Zeit als queer zu sein als Straftat galt, sondern auch um aktuell brennende Themen. So wird die LGBTIQ+-Community zwar seit einigen Jahren nicht mehr strafrechtlich verfolgt, bleibt aber nach wie vor benachteiligt. 89 Prozent unter queeren Befragten fühlen sich diskriminiert, wie aktuelle Studien zeigen. Das betrifft noch immer viele Bereiche, allen voran die Gesundheitsversorgung; ein Verbot der Konversionstherapie steht noch immer aus.

In Sachen Erinnerungspolitik setzt dagegen der kürzlich im Resselpark eröffnete graue Regenbogen bzw. „Arcus (Schatten eines Regenbogens“) zum Gedenken an die Verfolgung und Tötung von Homosexuellen unter dem Nationalsozialismus ein wichtiges Zeichen. Er gilt zugleich als Mahnmal für die in der Zweiten Republik lang anhaltende strafrechtliche Verfolgung der Überlebenden, von denen niemand mehr die Eröffnung selbst miterleben konnte.

Es betrifft uns alle

Zwar wird im gängigen Diskurs gerne von einer Minderheitengruppe gesprochen, jedoch wird dabei übersehen, dass das Recht auf den eigenen Körper und das eigene physische sowie psychische Wohlergehen uns alle betrifft, unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft etc. So warnen Fachgesellschaften seit Jahren vor Geschlechtsanpassungen bei Neugeborenen – weil ein höchst problematischer Eingriff in deren Selbstbestimmungsrecht. 

Einen besonderen Stellenwert in Sachen Recht auf den eigenen Körper hat das Abtreibungsrecht. Was jahrzehntelang selbstverständlich gewesen ist, nämlich über die eigene Reproduktion selbst – und das selbstverständlich – bestimmen zu können, erscheint plötzlich in Salzburg unter Schwarz-Blau nicht mehr so selbstverständlich zu sein. Ein Recht, das Feministinnen mühsam erkämpft haben. Jetzt sollen Frauen auf patriarchal und nationalistisch zugeschriebene Rollen zurückgedrängt und dafür mit der sogenannten Herdprämie belohnt werden.

Nationalismen und Rechtspopulismen bis hin zu Rechtsextremismen basieren immer auf patriarchalen Geschlechterideologien. Daher ist angesichts des aktuellen Rechtsrucks und der Wahlerfolge rechtspopulistischer Parteien Wachsamkeit gefordert, da die Gefahr droht,  unter freundlichem Lächeln mit heteronormativer und autoritativer Bevormundung ganz unauffällig der eigenen Rechte beraubt zu werden. Länder wie Ungarn und Polen zeigen dies ja seit Jahren vor, trotz massiver landesweiter Proteste. Dass vor dem Sitz der niederösterreichischen Landesregierung keine Regenbogenfahne hängt, spricht für sich.

Für nachhaltige Sichtbarkeit und Präsenz

Der diesjährige Pride Month kann daher besonders im Zeichen des Selbstbestimmungsrechts gesehen werden, geht es doch um das Recht auf den eigenen Körper und die eigene körperliche Entfaltung, das Recht auf eigene Träume, Lebensentwürfe und Lebensgemeinschaften, und schließlich um das Recht auf den eigenen Lebensweg in Freiheit als grundlegendes Menschenrecht. Das kann man nicht oft genug betonen, zumal die erste Regenbogenparade in Wien 1996 so vielversprechend begann: mitunter initiiert von damals namhaften Protagonisten der Queer-Szene sowie Dragqueens rund um den Safe Space „Heaven“, dem ersten House-Club, veranstaltet im Wiener U4, dem weitere Formate wie der „Rosenball“ und der „Life Ball“ wie auch spätere Künstler:innen entsprangen, allen voran Conchita Wurst. Anstelle von derzeit irrationalen Anfeindungen gegen Drag-Perfomances sollten Diversität und Selbstbestimmungsrecht nicht nur einen Monat lang oder zu Song-Contest-Zeiten sichtbar und präsent sein, sondern durchgehend und nachhaltig. Daran erinnern so manche Regenbogen-Zebrastreifen in ganz Österreich und die Ampelpärchen rund um die Wiener Stadthalle – und zwar jeden Tag.

(Foto: Valeria Boltneva / pexels.com)

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