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EU-Budget: Auf der Suche nach dem Mehrwert

Lukas Sustala
Lukas Sustala

Die Europäische Kommission hat den Vorschlag für den neuen Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) präsentiert. Rund 2 Billionen Euro stehen zwischen 2028 und 2034 zur Verfügung – eine Summe, die beeindruckend klingt, aber nüchtern betrachtet deutlich weniger Spielraum bietet als zunächst vermutet. Für die liberale Politik ergibt sich daraus eine zentrale Frage: Wie schaffen wir mit begrenzten Mitteln einen maximalen europäischen Mehrwert? 

Die EU-Kommission hat ihren Vorschlag für das nächste EU-Budget präsentiert. Und prompt lautstarke Kritik geerntet – und zwar gerade auch von sozialdemokratischen und konservativen Vertreter:innen, die ja im EU-Parlament und der Kommission Teil der notwendigen Mehrheit sind.

Ein paar Eckdaten zum EU-Budget:  

  • Das neue Budgetvolumen steigt auf fast 2 Billionen Euro für den Zeitraum 2028–2034. Das entspricht 1,26 Prozent des EU‑Brutto­National­Einkommens (BNE) im Durchschnitt. 
  • Die Budgetstruktur wird vereinfacht: 52 Programme sollen auf nur 16 Programme zusammengeführt werden. 
  • Neue Ausgabenschwerpunkte: mehr Mittel für Verteidigung, Sicherheit, Forschung, Wettbewerbsfähigkeit, Migration, Energie. 
  • Geplante Kürzungen bei der GAP (Gemeinsamen Agrarpolitik) und Kohäsionsmitteln. 
  • Ein neuer „European Competitiveness Fund“ (409 Milliarden Euro) zur Förderung von Energiewende, Digitalisierung, Biotechnologie und Verteidigung/Weltraum ist vorgesehen. 
  • Die Forschungsausgaben für „Horizon Europe“ werden auf 175 Milliarden Euro über den Rahmen erhöht. 
  • Neue Eigenmittel in Höhe von rund 58,5 Milliarden Euro jährlich durch: Emissionshandel, CO₂‑Grenzausgleich, Elektroschrott, Tabaksteuer und eine Unternehmensabgabe (CORE).  
  • Die Auszahlungen sollen streng an Rechtsstaatlichkeitskriterien gebunden sein, um Missbrauch vorzubeugen. 

Wie groß ist das EU-Budget wirklich? 

Zunächst gilt es, die Dimensionen richtig einzuordnen. Der jährliche EU-Haushalt beträgt rund 286 Milliarden Euro. Im Vergleich dazu wirken die nationalen Haushalte der EU-Staaten gigantisch – sie sind rund 40-mal größer als der gemeinsame EU-Etat. Somit bleibt der Satz bestehen, dass die EU ein regulatorischer Gigant, aber ein budgetärer Zwerg bleibt. Dieser Umstand macht es nötig, dass die bereits vergleichsweise knappen Mittel maximal effizient und effektiv eingesetzt werden. Nicht ohne Grund haben wir in einer gemeinsamen Publikation mit dem Europäischen Liberalen Forum (ELF) vorgeschlagen, eine Zukunftsquote für das EU-Budget einzuführen.

Zwar lässt sich ein erfreulicher Wandel in den Budgetprioritäten beobachten: Der Anteil klassischer Ausgabenbereiche wie Landwirtschaft und Kohäsion sinkt zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit, Forschung, Außengrenzschutz oder Außenpolitik. Das ist grundsätzlich begrüßenswert, weil es signalisiert, dass Brüssel die Mittel künftig stärker in wachstumsfördernde, innovative Bereiche investieren will, die klare „europäische öffentliche Güter“ sind. Das folgt den Forderungen vieler Expert:innen, dass das doch überschaubare EU-Budget sich vor allem auf Bereiche fokussieren soll, in dem die EU auch tatsächlich Mehrwert liefern kann. Doch genau hier liegt zugleich eine entscheidende Herausforderung. 

Denn ein Großteil der vermeintlich „neuen“ Mittel des nächsten MFR soll nicht in neue Projekte oder Zukunftsinvestitionen fließen, sondern dient der Rückzahlung der Schulden aus dem Corona-Wiederaufbaufonds „NextGenerationEU“. Fast 85 Prozent der zusätzlichen Gelder sind faktisch nur Schuldendienst für die Krisenbekämpfung ab 2020. Damit stehen die vermeintlich üppigen Mittel des neuen Haushalts real nur bedingt für Europas Zukunft zur Verfügung. 

Wettbewerbsfähigkeit dringend gewünscht 

Der angekündigte „European Competitiveness Fund“ beispielsweise ist auf den ersten Blick ein Schritt in die richtige Richtung. Mehr Geld für Forschung und neue Technologien klingt auf dem Papier jedenfalls gut, doch muss die EU-Kommission noch beweisen, dass sie nicht den Weg einer zentralistischen und ineffizienten Industriepolitik beschreiten wird. Es wäre ein Fehler, wenn Bürokraten (in Brüssel oder anderswo) entscheiden würden, welche Technologien oder Branchen als vermeintliche „Gewinner“ zu identifizieren sind. Industriepolitik sollte in Europa bedeuten, Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Binnenmarkt stärken, in die Infrastruktur investieren, um z.B. günstigere Energiepreise zu ermöglich, aber nicht selektiv in Branchen oder Unternehmen zu investieren. 

Daher sollten gerade Liberale besonders wachsam sein, wie genau diese Gelder eingesetzt werden. Es ist entscheidend, dass der Fokus auf einem stärkeren Binnenmarkt, weniger Regulierung und der Förderung eines echten Wettbewerbs liegt. Dies würde nicht nur Europas Wettbewerbsfähigkeit stärken, sondern auch Innovationspotenziale freisetzen, die kein politisch gelenkter Fonds je erreichen könnte. 

Wirklicher europäischer Mehrwert entsteht dort, wo die Mitgliedstaaten allein nicht effizient handeln können. Das gilt insbesondere für Bereiche wie Sicherheitspolitik, Schutz der Außengrenzen oder gemeinsame Infrastruktur. Hier ist es richtig und wichtig, dass der neue Finanzrahmen klare Prioritäten setzt. Die Finanzierung der Ukraine-Hilfe und der gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik sind beste Beispiele für echte „europäische öffentliche Güter“. 

Heftige Debatte um neue Mittel

Auch die geplanten neuen Einnahmequellen werden viele Fragen aufwerfen. Die EU-Kommission sieht vor, Unternehmenssteuern über das „Common Own Resources“ (CORE)-Programm zu erhöhen. Dabei steht eine neue Unternehmenssteuer durchaus im Widerspruch zum erklärten Ziel, Europas Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Gleichzeitig bleiben potenzielle Einnahmen aus dem Emissionshandel im Bereich Verkehr und Wärme ungenutzt, zumindest werden sie nicht erneut vorgesehen. Eine konsequente Klimapolitik und gleichzeitig wettbewerbsorientierte Steuerpolitik wären hier sinnvoller. 

Die unvermeidbaren Kürzungen im Bereich Landwirtschaft und Kohäsion mögen schmerzhaft sein, sind aber angesichts der begrenzten Mittel und steigender Schuldendienste alternativlos. Liberale Politik muss klarstellen, dass Umverteilung ohne echten europäischen Mehrwert nicht mehr zeitgemäß ist. Europas Geld muss dort eingesetzt werden, wo es am dringendsten gebraucht wird und am effektivsten wirken kann. Das sollte aber nicht bedeuten, dass Mittel künftig nicht mehr direkt in europäische Regionen investiert werden – sondern erst recht von Mitgliedstaaten ausgegeben werden. Dieser Diskussionspunkt wird noch heftig zwischen Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten ausgefochten werden.  

Der Verhandlungsmarathon zum neuen EU-Haushalt wird zweifelsohne anspruchsvoll. Zumal der Beginn der Diskussion mehr als unglücklich war. Für liberale Europäer sollte klar sein: Nicht die Höhe des Budgets allein entscheidet über Europas Erfolg, sondern der Fokus auf Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und echte europäische Gemeinschaftsgüter. Wenn es gelingt, diesen Fokus in die Debatte einzubringen, könnte der neue MFR trotz aller fiskalpolitischen Limitierungen Europas Zukunft nachhaltig stärken. Die kommenden Monate bieten dafür eine große Chance – Europa sollte sie nicht ungenutzt verstreichen lassen. 

(Bild: anyaberkut/iStock)

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