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Was der neue EU-„Superfonds“ kann – und was nicht

Die EU-Kommission hat angekündigt, einen neuen Europäischen Wettbewerbsfähigkeitsfonds (ECF) einrichten zu wollen. Er soll im EU-Budget bestehende Instrumente bündeln, europäischen Unternehmen leichteren Zugang zu Investitionen ermöglichen und gleichzeitig durch einheitliche Regeln und klare Prozesse zum Bürokratieabbau beitragen. Obwohl der ECF zur Vereinfachung beitragen soll, ist der aktuelle Entwurf schrecklich kompliziert. Trotzdem ist er ein sehr guter Anfang. 

Die Ausgangslage ist dank Draghi und Letta bekannt: Europas Wirtschaftsleistung und Produktivität bleiben hinter anderen großen Volkswirtschaften zurück. Strategische Lieferketten sind nicht ausreichend diversifiziert. Marktverzerrende Subventionen, Protektionismus und Handelskriege bringen die Exportwirtschaft unter Druck. Der europäische Binnenmarkt ist immer noch unterentwickelt, insbesondere im Hinblick auf Kapital. Die internen Hürden entsprechen einem durchschnittlichen Zoll von 44 Prozent auf Waren und erstaunlichen 110 Prozent auf Dienstleistungen. Und es fehlt an hunderten Milliarden Euro für Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation. Kurz: Europa ist derzeit nicht wettbewerbsfähig.

Ein „Superfonds“ für die Wirtschaft

Es ist daher positiv, dass im am 16. Juli vorgestellten EU-Budget 2028-2034 der Wettbewerbsfähigkeit eine große Rolle eingeräumt wird: Geleitet vom Europäischen Wettbewerbskompass und im Zusammenwirken mit dem Clean Industrial Deal soll ein neuer „Superfonds“ eingerichtet werden, der die Investitionslücke schließen und europäischen Unternehmen dabei helfen soll, wieder in die Gänge zu kommen. Dieser European Competitiveness Fund (ECF) soll eine Vielzahl and EU-Förderungen und Beratungsleistungen nach einem einzigen Regelwerk vergeben, und, auf den Erfahrungen des InvestEU-Programms aufbauend, private Investitionen durch öffentliche Risikogarantien mobilisieren.  

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hegt große Ziele für den Fonds. Der ECF soll die Wettbewerbsfähigkeit strategisch wichtiger Technologien (z.B. Clean Tech, Mikroprozessoren und KI) und Sektoren (z.B. Industrie, Rüstungssektor und Rohstoffe) gestärkt werden. Durch die Zusammenlegung von 14 bestehenden EU-Programmen soll der ECF zudem wesentlich zur Bürokratie-Vereinfachung beitragen, Verfahren deutlich beschleunigen und so den Standort zusätzlich stärken. Auch für diejenigen EU-Programme, die in Zukunft separat bestehen, soll der ECF als zentrale Anlaufstelle dienen. Informationen über und Zugang zu EU-Förderungen sollen so zentralisiert werden. 

Förderungen vereinheitlichen

Derzeit gibt es eine Vielzahl an EU-Förderprogrammen, mit jeweils eigenen Richtlinien. Die Förderlandschaft ist nicht nur fragmentiert und wenig koordiniert (was es für kleinere Unternehmen schwierig macht, die Programme zu durchschauen), was auch Teil der liberalen Kritik am „alten“ EU-Budget war. Darüber hinaus mangelt es auch an einem klaren Pfad durch die gesamte Entwicklung eines Unternehmens.  Insbesondere wenn es darum geht, einmal etablierte Unternehmen zu skalieren, fehlt es in der EU oft an Unterstützung und Kapital, weshalb viele europäische Startups abwandern, was wiederum die strategische Basis der EU gefährdet. Um das zu ändern, soll der ECF nun gemeinsam mit Horizon Europe den gesamten Innovationszyklus begleiten. Auch Startups aus Drittstaaten sollen Zugang zu EU-Förderungen erhalten, wenn das im strategischen Interesse der Union liegt. Dadurch soll die EU als Standort so attraktiv werden, dass Nicht-EU-Unternehmen sich hier niederlassen. 

Wer soll das alles bezahlen? 

Der ECF soll die vier Bereiche 1) Energiewende und Dekarbonisierung, 2) Gesundheit, Biotechnologie, Landwirtschaft und Bioökonomie, 3) Digitalisierung sowie 4) Resilienz und Sicherheit, Verteidigungsindustrie und Weltraumpolitik fördern. Bewerben können sich Unternehmen und andere juristische Personen – nicht nur aus der EU, sondern in bestimmten Fällen auch aus Drittstaaten. Sie erhalten nicht nur Fördergelder, sondern auch Beratung. Der ECF soll von 1.1.2028 bis 31.12.2034 mit einem Gesamtbudget von 234,3 Milliarden Euro ausgestattet werden, also etwa 33,5 Milliarden Euro pro Jahr. Dazu kommen noch die an Horizon Europe zugewiesenen Mittel, die vom ECF verwaltet werden. Theoretisch wird die Möglichkeit eingeräumt, dass Mitglieds- oder Drittstaaten, die Organe, Einrichtungen und Agenturen der Union, internationale Organisationen, internationale Finanzinstitutionen oder sonstige Akteure dem ECF zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen. In der Praxis ist das wenig wahrscheinlich. Damit zeigt sich hier im Speziellen, was auch im Allgemeinen gilt: Das neue EU-Budget ist angesichts der Herausforderungen eher nicht zu hoch, sondern im Gegenteil zu niedrig.

Was bringt das alles? 

Grundsätzlich ist der Europäische Wettbewerbsfonds ein begrüßenswertes Projekt, das sich gut in die allgemeine Wettbewerbsfähigkeitsstrategie der Kommission einordnet, für die sich die Liberale Fraktion im EU-Parlament seit Jahren entschlossen einsetzt. Während die Grundrichtung stimmt, sind noch viele Anpassungen nötig, um den ECF so zu gestalten, dass er seine Ziele auch wirklich erreichen kann. 

Laut dem veröffentlichten Entwurf soll der ECF Synergien mit der Connecting Europe Facility, dem Innovationsfonds, dem Single Market Programme, der neuen Industrial Decarbonisation Bank (nach dem Clean Industrial Deal) und Important Projects of Common European Interest (IPCEI) nutzen. Dazu kommen vier neue Fonds für „gesundheitsbezogene Aktivitäten“ mit denen sich der ECF koordinieren soll. Außerdem soll der Fonds konsistent mit anderen EU-Initiativen und Politikfeldern sein. Das klingt nicht nur kompliziert, es ist es auch. Das gefährdet das Hauptziel „Vereinfachung“. Positiv ist hingegen, dass Horizon Europe als eigenständiges Programm weiterbestehen wird. Denn Grundlagenforschung braucht Freiheit. Förderung sollten hier am Kriterium wissenschaftlicher Exzellenz festgemacht werden, unabhängig von potenziellen Anwendungen. Gleichzeitig ist es sinnvoll und notwendig, den Transformationsprozess von Grundlagen- zu angewandter Forschung zu unterstützen. 

Zu wenig Klima, zu viel Umwelt 

In Sachen Klimaschutz ist der Entwurf nicht ambitioniert genug. Das liegt nicht zuletzt daran, dass neue Einnahmen aus dem Emissionshandel für die wichtigen Bereiche Wärme und Verkehr im Entwurf zum EU-Budget fehlen. Beim Wettbewerbsfonds selbst soll vor allem die „technologieoffene“ Dekarbonisierung unterstützt werden. Dabei braucht es eher Technologieklarheit. Selbst große Industrielobbys kritisieren mittlerweile längst nicht mehr die Energiewende, sondern im Gegenteil die fehlende Klarheit der Kommission, die die Planungssicherheit der Unternehmen gefährdet und Investitionen dämpft. Die meisten Technologien, die für die Energiewende gebraucht werden, haben wir bereits: Windkraft und Photovoltaik, Batterien, Wärmepumpen oder Elektro-Fahrzeuge. Doch die Rahmenbedingungen sind zu verschieden, und so kann kein wirklicher Binnenmarkt dafür entstehen.   

Beim Umweltschutz ist der ECF-Entwurf dafür überbordend: So heißt es, der Wettbewerbsfähigkeitsfonds solle mit seinen Aktivitäten die Qualität von Wasser, Meer, Küsten und Böden wiederherstellen und verbessern, und zugleich Klima- und Flut-Resilienz steigern. So wichtig Umweltschutz ist: Hier braucht es vor allem gemeinsame Regeln, nicht den neuen EU-Superfonds für Wettbewerbsfähigkeit.

Ganzheitlicher Ansatz

Während es wünschenswert wäre, dass Startups und innovative Unternehmen aus Drittstaaten ihren Sitz in die EU verlegen, um von ECF-Unterstützung zu profitieren, bleibt es wenig realistisch, solange es erstens keinen einheitlichen Rechtsrahmen für Unternehmen in der EU gibt, zweitens die Steuer- und Abgabenlast sowie die Lohnstückkosten so hoch bleiben, wie sie es in vielen EU-Ländern sind, und die Kommission auf ihren Plänen beharrt, eigene Steuern bzw. Abgaben von Unternehmen einzuheben (was die Steuerlast noch einmal weiter erhöht). Die hohen Energiekosten machen den Standort Europa ebenso weniger attraktiv als etwa die USA. Es braucht hier also einen ganzheitlichen Ansatz, den die Kommission aber mit dem Clean Industrial Deal durchaus verfolgt. 

Der aktuelle Entwurf räumt der Kommission das Recht ein, das Budget des ECF außerhalb des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens und damit ohne Abstimmung im Rat zu erhöhen. Begründet wird das mit dem Bedarf nach mehr „Flexibilität“, der aus den Erfahrungen mit der Polykrise der letzten Jahre geschlussfolgert wird. Das ist unrealistisch, zumal ja die Mittel der „alten“ Fonds für Wiederaufbau in der Corona-Krise nun, wenige Jahre später, mit ihren Schuldenrückzahlungen ja wesentlich die Finanzmisere der EU für 2028–2034 hervorrufen. 

Trotz aller berechtigter Kritik: Selbst ohne Verbesserungen würde der geplante Europäische Wettbewerbsfonds die Wirtschaft der Europäischen Union stärken, Innovation und Skalierung ankurbeln, und damit zur Wahrung und Steigerung der strategischen Autonomie beitragen. In Kraft treten soll er am 1. Jänner 2028. Bis dahin ist genug Zeit, um noch hart zu verhandeln und den Fonds zu verbessern. 

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