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Ökonomische Aspekte der Pandemie - Arbeitslosigkeit, Wirtschaftsleistung und Unsicherheit

This is not a normal crisis" - so könnte man die ökonomische Dimension der Pandemie beschreiben. Ein Anstieg der Arbeitslosigkeit wie wir ihn noch nie gesehen haben, verschiedenste Szenarien wie stark Österreichs Wirtschaft schrumpfen wird und Unsicherheit an allen Ecken und Enden. Eine kleine Vermessung der aktuellen Situation.

Die flächendeckende Ausbreitung von Corona im März in Europa und der ganzen Welt sowie die damit einhergehenden Maßnahmen (beispielsweise der Lockdown) führte zu massiven Veränderungen in unseren Gesellschaften. Besonders schnell zeigte sich anhand der Daten am österreichischen Arbeitsmarkt: Am 15. März verzeichnete das AMS 310.516  vorgemerkte Personen (1.271 Personen weniger als am 15. März 2019), danch stieg die Zahl der vorgemerkten Personen ab dem 16. März täglich an. Bereits nach einer Woche lag der Bestand bei 426.164 Personen, in der zweiten Woche kamen weitere 63.380 Personen zum AMS und Ende März waren letztendlich 504.345 Menschen arbeitslos vorgemerkt.  Inklusive SchulungsteilnehmerInnen lag die Zahl der vorgemerkten Personen am Monatsende bei 562.522.

Die Arbeitslosenzahlen sind jedoch nur einer von vielen Indikatoren, die die Auswirkungen einer heruntergefahrenen Gesellschaft und Wirtschaft zeigt. Ersten Einschätzungen wird das globale GDP erstmals seit dem zweiten Weltkrieg schrumpfen und auch der Aktienmarkt verzeichnete schwere Turbulenzen.

 

Die mittel- und langfristigen Auswirkungen der Pandemie auf die österreichische Wirtschaft sind zwar noch nicht fassbar, jedoch sehen wir erste Einschätzungen: Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) geht davon aus, das in diesem Jahr die Wirtschaftsleistung um 2,5% sinkt, das Institut für Höhere Studien (IHS) rechnet mit einem Minus von 2%. Gleichzeitig sehen wir Studien, die für Österreich einen Rückgang von bis zu 20% ausweisen. Wie lassen sich diese Unterschiede erklären? In all den genannten Werken handelt es sich um Szenarien. Dies bedeutet, es werden Annahmen getroffen (beispielsweise wie lange der Shutdown dauert, wie sich die Arbeitslosenzahlen entwickeln, ...) und je nach Annahmen werden bestimmte Parameter, beispielsweise die Wirtschaftsleistung, modelliert. Die großen Unterschiede lassen sich also anhand der verschiedenen Annahmen erklären. Klar ist, dass wir eine Rezession erleben werden, jedoch nicht wie genau sie aussehen wird. 

 

Bei der Präsentation der aktuellen Einschätzungen meinte IHS-Chef Kocher er hoffe: "dass die gegenwärtige Krise in einer V-Form verlaufe – steil nach unten, danach aber wieder steil nach oben."Andere Artikel sprechen von einer "L-Form" Was ist damit gemeint? Während einer Rezession sind zwei Fragen von besonderer Bedeutung: Wann ist die Rezession vorbei? und Wie lange dauert es bis sich die Wirtschaft wieder erholt. Die Kombination dieser beiden Fragen ergibt die sogenannten "regession  hapes", also die Frage welche Art von Rezession wir haben. Ein kurzer Einbruch und eine schnelle Erholung würde sich in der von Kocher beschriebenen V-Form wiederspiegeln, während ein steiler Abstieg und eine langsame Erholung einem "L" gleichkäme. Ein Kurzüberblick über verschiedene Verlaufsformen findet sich hier.

 

Die hier skizzierten Einschätzungen und Szenarien für die Wirtschaftsleistung dienen jedoch nur als kleines Fallbeispiel eines großen Trends. In den gesamten Wirtschaftswissenschaften sehen wir unzählige Publikationen, die sich mit verschiedensten Aspekten auseinandersetzen:  verhaltensökonomische Perspektiven auf die Coronakrise oder erste e-books, wie beispielsweise voxeu.org, die den Sammelband Economics in the time of COVID-19 herausgegeben haben. An Fragestellungen und Publikationen mangelt es nicht, jedoch sei an dieser Stelle auf einen Aspekt hingewiesen, der sowohl in der Wirtschaftswissenschaft als auch in der aktuellen Situation eine große Rolle spielt - die Unsicherheit. 
 

Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert Unsicherheit wie folgt:"Allg. entscheidet man hinsichtlich der Zukunftserwartungen eines Entscheiders Sicherheit und Unsicherheit. Bei Sicherheit kann der Entscheider das Ergebnis einer Aktion eindeutig vorhersagen, bei Unsicherheit dagegen gibt es mehrere mögliche Ergebnisse. Unsicherheit wird unterschieden in Unsicherheit i.e.S. (auch: Ungewissheit) und Risiko. Bei Unsicherheit i.e.S. sind keine Eintrittswahrscheinlichkeiten verfügbar; vgl. Ellsberg-Paradoxon. In Risikosituationen dagegen kann der Entscheider Eintrittswahrscheinlichkeiten für Ergebnisse bzw. Umweltzustände angeben." 
 

Die Einschätzung zukünftiger Entwicklungen ist ein wesentlicher Parameter, der sich auf viele Aspekte auswirk, beispielsweise ob Unternehmen expandieren, Mitarbeiter_innen einstellen oder entlassen.  Dies gilt auch auf der Makroebene: Unsicherheit bei Unternehmen, oder Haushalten kann erhebliche volkswirtschaftliche Kosten mit sich bringen. Wenngleich Unsicherheit schwer zu messen ist (da die subjektive Wahrnehmung eine wesentliche Rolle spielt) gibt es verschiedene Indizes, wie den World Uncertainty Index mit dessen Hilfe Unsicherheit quantifizierbar, und somit fassbar, gemacht werden soll. Eine Teilkomponente ist der sogenannte  World Pandemic Uncertainty Index (WPUI) mit dessen Hilfe wirtschaftliche Unsicherheit im Zusammenhang mit Pandemien und anderen Krankheitsausbrüchen gemessen werden soll. Und auch hier zeigt sich, verglichen mit SARS oder Ebola, ist die derzeitige Unsicherheit um ein vielfaches höher.

Quelle: 

Die schnelle Einführung der Kurzarbeit konnte zwar laut Ministerin Aschbacher 400.000 Jobs retten, jedoch zeigte sich in Österreich ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit, der in diesem Ausmaß nicht mit anderen Krisen der jüngeren Vergangenheit (beispielsweise der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09) vergleichbar ist.

Eine der zentralen Fragen, mit denen wir uns in den kommenden Wochen und Monaten beschäftigen werden ist jene, wie wir die Unsicherheit minimieren können. Wenn Regierungen nun schrittweise Stufenpläne zur Lockerung der Maßnahmen präsentieren und Gesundheitsexpert_innen davon ausgehen, dass wir ein in ein feinkörniges Risikomanagement gehen werden, sprich Maßnahmen in bestimmten Gemeinden oder Regionen statt bundesweite Regelungen, so werden wir Eckpfeiler benötigen um für ein "gutes hochfahren der Wirtschaft" zu sorgen und Unsicherheiten zu Minimieren:

 

  • Leitziele & Indikatoren entwickeln

Ähnlich wie wir es im Gesundheitssystem gemacht haben (Infektionen und Todesfälle minimieren, sicherstellen das die Krankenhauskapazitäten ausreichend sind) werden wir auch aus ökonomischer Perspektive Leitziele benötigen. (z.B. Minimierung von Insolvenzen und Massenarbeitslosigkeit) Basierend auf diesen Leitzielen müssen Indikatoren ausgewählt beziehungsweise entwickelt werden

  • Szenarien-basierte Modelle anhand von gesundheitspolitischen Maßnahmen entwickeln

Zukunftige Maßnahmen seitens der Politik, wie z.B. regionale Quarantäne bestimmter Orte, sollten an Indikatoren und Szenarien verknüpft sein, beispielsweise ein bestimmter Anstieg an Neuinfektionen. Dies erlaubt auch eine Planbarkeit für Arbeitnehmer_innen und Arbeitgeber_innen. Entsprechend sollten wirtschaftspolitische Maßnahmen für die jeweiligen Szenarien entwickelt werden (was passiert wenn ein Ort für eine bestimmte Zeit unter Quarantäne gestellt wird)

  • Zusammenarbeit auf europäischer Ebene verstärken

Die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene muss sowohl im Gesundheits- als auch im Wirtschaftsbereich massiv vorangetrieben werden. Alle EU-Volkswirtschaften sind massiv mit dem europäischen Binnenmarkt verknüpft, Lieferketten für (internationale) Betriebe enorm wichtig, aber auch Arbeitnehmer_innen die Grenzüberschreitende Arbeitsverhältnisse besitzen, benötigen ein gemeinsam koordiniertes Vorgehen aller EU-Mitgliedsstaaten 

Die hohe Unsicherheit fällt historisch mit Perioden, in denen es geringes Wachstum und angespannte finanziellen Bedingungen gab,  zusammen. Die derzeitige Unsicherheit im Zusammenhang mit der Coronavirus-Krise ist somit keine keine Ausnahme. 

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