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Raus aus dem Schuldengefängnis

März 2021

Studie zum Download

Ein Policy Brief von Günther Oswald

In diesem Policy Brief zeigt Günther Oswald auf, wie durch die Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital der Fortbestand von Unternehmen gesichert werden kann und welche sozialpolitischen Akzente Selbstständigen nun helfen könnten.

Raus aus dem Schuldengefängnis

Studienautor: Günther Oswald

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Die Studie im Überblick

Österreich verzeichnete 2020 den größten Wirtschaftseinbruch in der Geschichte der Zweiten Republik. Das Bruttoinlandsprodukt ist laut Statistik Austria um fast 7 Prozent geschrumpft. Staatliche Hilfen und gelockerte Insolvenzregeln haben in diesem Jahr, während der schwersten Wirtschaftskrise der Zweiten Republik, zu einer paradoxen Situation geführt: Es gab so wenig Pleiten wie zuletzt 1990. Nach Auslaufen der Sonderregeln droht nun, 2021, jedoch eine "Pleitewelle". In diesem Policy Brief wird analysiert, wie nach dem Vorbild des Chapter-11-Verfahrens in den USA Unternehmen erfolgreich restrukturiert werden könnten.

Da 2020 Teile des Insolvenzrechts vorübergehend ausgesetzt und Hilfsprogramme aufgelegt wurden, blieb eine Pleitewelle aus. Es gab sogar eine gegenteilige Entwicklung. Die Zahl der Insolvenzen ist so stark wie in kaum einem anderen Land zurückgegangen, was auf eine "Zombifizierung" von Teilen der Wirtschaft hindeutet. Nach Auslaufen von Haftungen und Stundungen sowie einer Rückkehr zu "normalen" Insolvenzantragspflichten steht nun die Existenz vieler Unternehmen auf dem Spiel. 

Die aktuellen Regelungen für Restrukturierungen von Unternehmen sind nicht auf eine derartige Sondersituation ausgerichtet. Eigenkapital stärkende Möglichkeiten der Umstrukturierung haben in Österreich – ganz im Gegensatz zu den USA – keine Tradition. Auch das klassische Insolvenzrecht ist mehr auf das Schließen als auf das Sanieren von Unternehmen ausgerichtet. 

Mangels konkreter Daten kann derzeit niemand seriös sagen, wie effektiv die staatlichen Hilfen wirken. Ziel muss jedenfalls sein, den grundsätzlich überlebensfähigen Unternehmen das Überleben auch zu ermöglichen. 

Wer sich finanziell übernommen hat, hatte es in Österreich schon immer schwer. Bis ins 19. Jahrhundert gab es, wie auch in anderen Ländern, sogar eigene "Schuldgefängnisse" oder "Schuldtürme" für Personen, die ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen konnten. Eine Kultur des Scheiterns hat sich in Österreich nie so richtig durchgesetzt: Noch immer gilt es als Makel und Zeichen des Versagens, wenn eine Geschäftsidee mit einer Pleite endet. Jede unternehmerische Aktivität ist jedoch zwangsläufig mit einem gewissen Risiko verbunden. Risikobereitschaft sollte daher weniger als Schwäche gesehen werden, sondern als Voraussetzung für das Entstehen von Neuem. Dieser Geist muss sich auch in den Gesetzen widerspiegeln. Jeden Schuldner als potenziellen Betrüger anzusehen, schafft ein wirtschaftsfeindliches Klima. Für die Zeit nach der Rezession gilt es jedoch, ein wirtschaftsfreundliches Klima aufzubauen. Die Gesetze müssen daher stärker vom Sanierungsgedanken geprägt sein, denn die Corona-Krise und die damit verbundenen staatlichen Interventionen haben zu gewaltigen Verwerfungen innerhalb des Wirtschaftssystems geführt.

Zahlen & Fakten

20,4 Mrd. €

machten die Covid-Maßnahmen 2020 aus (laut Budgetvollzug des Finanzministeriums)

3.155

Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2020 (Statistik Austria)

2.000-3.000

Unternehmen wurden 2020 künstlich am Leben gehalten (Vgl. langjähriger Schnitt)

Das Gespenst der "Working Dead"

"Zombie-Unternehmen" sind Unternehmen, die nur durch billige Kredite am Leben gehalten werden. Was es braucht, damit diese "Working Dead" nicht allzu lange in Österreich umgehen, erklärt Lukas Sustala in diesem Video.

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Was geschehen muss

Vorbild: Chapter-11-Verfahren der USA

Die Umsetzung einer EU-Richtlinie soll genutzt werden, um nach Vorbild des Chapter-11-Verfahrens in den USA die Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital zu ermöglichen. Solche Debt-Equity-Swaps haben in Österreich bisher keine Tradition, daher braucht es entsprechende Anreize, z.B. in Form steuerlicher Vorteile oder Garantien.

Modernes Insolvenzrecht

Die EU-Restrukturierungsrichtlinie bezieht sich auf noch zahlungsfähige Unternehmen, doch die Idee des Sanierens könnte auch in der Insolvenzordnung stärker betont werden. Debt-Equity-Swaps oder geschützte neue Finanzierungsrunden könnten genauso im Insolvenzverfahren angedacht werden. Auch die Beteiligung von Finanz und Sozialversicherung sollte im Insolvenzverfahren klar geregelt werden. Außertourlich wäre auch die Herabsetzung der Mindestquoten eine Möglichkeit, um mehr Betrieben eine Fortführung zu ermöglichen.

Kulturwandel im Umgang mit dem Scheitern

Die Aufschwungphase nach Corona wird stärker ausfallen, wenn der Unternehmergeist nicht verloren geht und es viele Neugründungen gibt. Sinnvoll wäre es, das AMS-Gründerprogramm auch für Personen zu öffnen, die bereits selbstständig waren oder eine Insolvenz hinter sich haben. Für Selbstständige, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, könnte eine außertourliche Versicherungsmöglichkeit geschaffen werden, um soziale Härten abzufedern.

Weiterführende Studie

Insolvenzentwicklung 1. Quartal 2021

KSV1870 | März 2021

zur Studie
ksv 1870 studie insolvenz qu1 2021