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Kommt es zu einer selbstverschuldeten Rezession?

Österreich ist in den vierten Lockdown geschlittert. Der wirtschaftliche Schaden wird in die Milliarden gehen – auch weil die Politik zu wenig auf Resilienz geachtet hat. Von Günther Oswald und Lukas Sustala.

Das Pandemiemanagement der Regierung verursacht wieder einmal verheerende wirtschaftliche Schäden. Zum vierten Mal gelten in Österreich wieder sehr strenge Maßnahmen, von der Schließung von Geschäften über die Gastronomie bis hin zu Ausgangsbeschränkungen. Österreich setzt damit für 20 Tage wieder auf sehr strenge Anti-Corona-Politik, und tat das auch in der Vergangenheit deutlich häufiger als das etwa in skandinavischen Ländern oder Nachbarn wie der Schweiz üblich war.

Doch wie groß sind die wirtschaftlichen Kosten von solchen strengen Maßnahmen? Genau können diese zwar noch nicht beziffert werden, sie werden aber jedenfalls in die Milliarden gehen. Wifo und IHS gehen davon aus, dass eine Woche Lockdown rund eine Milliarde Euro an Kosten verursacht – vor allem im Dezember. Berechnungen der Agenda Austria und des Momentum Instituts gehen in eine ähnliche Richtung. Die Agenda schätzt die Kosten des nun verhängten dreiwöchigen Lockdowns auf 2,7 Milliarden Euro. Die Frage ist allerdings, ob es dabei bleibt. Auch im Vorjahr waren Geschäftsschließungen zunächst nur für eine kurze Zeit angekündigt, wurden dann aber wiederholt oder verlängert. 

Rückschlag nach vergleichsweise langer Rezession

Massiv verschlechtern wird sich jedenfalls auch wieder die Situation am Arbeitsmarkt. AMS-Chef Johannes Kopf geht davon aus, dass wieder bis zu 500.000 Menschen in Kurzarbeit geschickt und einige zehntausend wieder ihren Job verlieren werden. Wie schnell danach die Erholung erfolgen wird, wird von den weiteren Öffnungsschritten abhängen. Klar ist aber jedenfalls, dass sich das Fachkräfteproblem in einigen Branchen - vor allem im Tourismus - weiter verschärfen wird. Wer will schon in einer Branche arbeiten, wenn er oder sie ständig befürchten muss, auf Kurzarbeit geschickt oder gekündigt zu werden? Für die Betroffenen sind damit erhebliche Einkommenseinbußen verbunden - von den psychischen Belastungen, die damit verbunden sind, gar nicht zu sprechen. Es wäre daher nur naheliegend, wenn sich diese Arbeitskräfte nach Jobs in anderen Branchen umschauen. Die langen Schließzeiten verschärfen also nachhaltig das Fachkräfteproblem – ein weiterer Kollateralschaden dieser Pandemie.

Auch gesamtwirtschaftlich betrachtet ist der neuerliche Lockdown natürlich ein schwerer Rückschlag. Die österreichische Volkswirtschaft wurde vergleichsweise stark von der Pandemie getroffen und hat sich vergleichsweise langsam erholt, wie aktuelle Daten der Nationalbank zeigen (Stand 8. November). In der letzten Erhebungswoche lag das reale BIP nur mehr um 0,5 Prozent über dem Vorkrisenniveau. Nun wird die Regierungspolitik dafür sorgen, dass der Aufwärtstrend endgültig gestoppt ist. Allerdings zeigt der Blick auf die Daten der OeNB auch, dass sich die Situation im 4. Lockdown wohl eher wie im 2. oder 3. und nicht mehr wie im 1. Lockdown darstellen wird. Denn die Industrie, die im allerersten Lockdown stark von Grenzschließungen und Kontaktbeschränkungen betroffen war, erlebt immer noch einen Boom (gemessen an den Exporten ohne Tourismus). Das dürfte das Schlimmste verhindern. 

Aufschluss darüber, wie wir aktuell im internationalen Vergleich dastehen, gibt auch ein Echtzeit-Wirtschaftsindikator der OECD. Dafür werden live Google-Trends für diverse Bereiche ausgewertet: also Informationen über das Suchverhalten in Bezug auf Konsum, Arbeitsmärkte, Wohnungsbau, Handel, Industrietätigkeit und wirtschaftliche Unsicherheit. Der Indikator gibt an, wie sich die wöchentliche Wirtschaftsleistung (BIP) im Vergleich zum Vorkrisenniveau (Herbst 2019) entwickelt.

Die folgende Grafik zeigt, dass der Indikator für Österreich zuletzt bereits deutlich nach unten gegangen ist (Daten bis Ende Oktober). In vergleichbaren Volkswirtschaften sieht das Live-Bild der wirtschaftlichen Aktivität wesentlich besser aus. In Schweden lag das BIP in den vergangenen Wochen um vier bis sechs Prozent über dem Vorkrisenniveau, in der Schweiz und Dänemark liegt das Plus aktuell bei rund vier Prozent und in Finnland und der Niederlande bei etwa drei Prozent. In Österreich fiel das wöchentliche BIP wieder auf Vorkrisenniveau zurück. Mit der Verhängung eines neuerlichen Lockdowns dürfte sich dieser Abwärtstrend deutlich verschärfen. Auch andere Indikatoren – etwa vom WIFO oder vom IHS – werden in den kommenden Tagen wohl zeigen, ob der Lockdown für Ungeimpfte (ab 15. November) und der generelle Lockdown (ab 22. November) bereits wirtschaftliche Spuren hinterlassen haben.

Schlüsselfrage Tourismus

Eine neuerliche Katastrophensaison muss der Wintertourismus befürchten. Der November ist zwar noch kein sehr starker Tourismusmonat, im letzten "normalen" Jahr 2019 gab es zu diesem Zeitpunkt aber immerhin gut fünf Millionen Nächtigungen. Im Vorjahr war es nur ein Fünftel davon und auch heuer war der November bereits vor der Lockdownverkündung von zahlreichen Stornierungen geprägt.

Wirklich substanziell ist für die Touristiker aber bereits der Dezember. Noch ist offen, ob und in welcher Form heuer im Dezember Tourismus möglich sein wird. Vor der Pandemie gab es in diesem Monat gut 12 Millionen Nächtigungen. Die stärksten Monate für den Wintertourismus sind dann die Monate Jänner und Februar, wie diese Daten der Statistik Austria zeigen. Im Vorjahr kam es zu Jahresbeginn Lockdown-bedingt zu einem Nächtigungseinbruch um 95 Prozent. Gelingt bis zum Jahreswechsel keine wirtschaftliche Normalisierung, droht auch Anfang 2022 ein weitgehender Totalausfall.

Die Wirtschaftshilfen werden wieder teuer...

Bei den Wirtschaftshilfen ist zu befürchten, dass sie auch künftig wenig treffsicher sein werden. Finanzminister Gernot Blümel hat bereits angekündigt, das Durcheinander an verschiedenen Hilfsinstrumenten nicht bereinigen zu wollen und im Grunde einfach - mit kleineren Korrekturen - die aufgesetzten Instrumente des Vorjahres zu verlängern. Die Prozentsätze, die einzelne Unternehmen dabei für den verlorenen Umsatz bekommen, wirken willkürlich. Im Vorjahr bekamen die Betriebe im November bis zu 80 Prozent Umsatzersatz, heuer deutlich weniger. Beim Ausfallbonus bekommen sie heuer je nach Kostenstruktur der Branche eine Ersatzrate von 10 bis 40 Prozent (wenn sie zumindest 40 Prozent Umsatzeinbruch haben). Für Außenstehende sind diese Unterschiede selten nachvollziehbar. Zudem ist auch unklar, was nun mit neugegründeten Unternehmen passiert. Fallen sie um Hilfen um, nur weil sie sich auf die regelmäßig wiederholten Versprechen der Regierungsspitze verlassen haben, wonach es keinen Lockdown mehr geben wird?

... auch weil sie zu wenig evaluiert wurden

Eine transparente Evaluierung der Hilfen gab es bisher trotz wiederholter Aufrufe von Experten – oder wie in diesem Papier gefordert – nicht. Ein erster Bericht des Rechnungshofes zum Härtefallfonds fiel vernichtend aus.

Ein nachhaltiges Hilfenregime nach dem Vorbild des Kieler Modells, das vom neuen Wifo-Chef Gabriel Felbermayr erarbeitet wurde, wurde von der Regierung nie in Angriff genommen. Das Kieler Modell stellt auf die Betriebsergebnisse und nicht Umsätze oder Fixkosten ab. In einem Talk im heurigen Jahr haben wir uns etwa intensiv mit einer Neuaufstellung der Hilfen auseinandergesetzt.

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Dafür sind etwa in der aktuellen Steuerreform viele Maßnahmen gestrichen worden, die die Wirtschaft resilienter gemacht hätten. So hätten eine steuerliche Besserstellung von Eigenkapital sowie eine Unterstützung der betrieblichen oder privaten Vorsorge etwas dazu beigetragen, die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen zu stärken. Das würde jedenfalls zur Resilienz der heimischen Wirtschaft beitragen.  

Die schwierige Abschätzung der wirtschaftlichen Kosten des Lockdowns haben auch damit zu tun, dass die Schäden wohl nicht linear anfallen. Ein Beispiel: Sechs statt drei Wochen Lockdown sind nicht einfach doppelt so teuer. Weil das Weihnachtsgeschäft hineinfällt und auch besonders touristische Wochen wären die Kosten eines Lockdowns bis in den Jänner erheblich viel höher. Zudem müssen auch Unternehmen mit zunehmender Dauer einer Geschäftsschließung stärker auf ihre Reserven zurückgreifen und werden eher ihre Geschäfte auch auf Dauer schließen. Sollte das Pandemiemanagement also weiterhin so chaotisch ablaufen und sich die pandemische Situation nicht merklich entspannen, dann dürfte die österreichische Volkswirtschaft im internationalen Vergleich in eine tiefe Krise schlittern.   

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