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Korruption: Alarmierender Vertrauensverlust

Eine Mehrheit der Bevölkerung hält Österreich für ein korruptes Land. Vor allem Parteien und Medien sind mit massivem Vertrauensverlust konfrontiert – ein Alarmzeichen für die Demokratie.

Bild: Thomas Breher, Pixabay

Diese Woche soll der Prozess um Ex-Ministerin Sophie Karmasin mit der Befragung ihrer einst engen Mitarbeiterin und jetzigen Kronzeugin Sabine Beinschab zu Ende gehen. Karmasin ist die erste ÖVP-Politikerin, die wegen der durch das Ibiza-Video ausgelösten Ermittlungen vor Gericht steht. Der gesamte Korruptionskomplex um die türkis-blaue Regierung, aber auch die aktuellen Krisen haben das Vertrauen in Österreichs politisches System tief erschüttert.

Vor kurzem hat das Linzer Market-Institut für die Tageszeitung Der Standard eine Umfrage zur Wahrnehmung von Korruption durchgeführt, deren Daten wir näher betrachten können. Der Zustand ist alarmierend: Ein Viertel der Befragten hält Österreich für sehr korrupt, weitere 38 Prozent für korrupt. Das Negativranking wird von ÖVP und FPÖ angeführt. Drei Viertel halten etwa die Partei des amtierenden Kanzlers für korrupt oder sehr korrupt, bei ihrem ehemaligen Regierungspartner sind es zwei Drittel.

Bei der Betrachtung der Parlamentsparteien fällt auf, dass nur NEOS ein positives Saldo hat, während bei allen anderen Parteien die Einschätzung „korrupt oder sehr korrupt“ überwiegt.

Innerhalb der befragten Gruppe fällen Anhänger:innen der FPÖ wiederum besonders strenge Urteile über alle anderen – Parteien, Medien, Behörden und andere Institutionen, bis hin zu Korruptionsbekämpfern wie Transparency International. Im Schnitt vergaben FPÖ-Sympathisant:innen um 12 Prozentpunkte bzw. 77 Prozent öfter das Prädikat „sehr korrupt“ als die Gesamtbevölkerung. Wie schon bei Landtagswahlen gibt es dabei eine deutliche Korrelation zur Ablehnung der Corona-Maßnahmen (hier abgefragt als „Erleichterungen für Geimpfte/Genesene“).

Wenig Unterschied nach Bildungsgrad – deutlicher nach Alter

Während sich bei der Aufschlüsselung nach Bildungsgrad deutlich weniger Abweichungen ergeben, ist ein deutliches Altersgefälle erkennbar. Durch die Bank sehen die 16- bis 29-Jährigen weniger Probleme: Sie halten sowohl Österreich als Ganzes als auch die einzelnen Institutionen seltener für korrupt und beurteilen auch einzelne Beispielhandlungen seltener in dieser Form. Das ist aber nicht unbedingt Anlass für Optimismus, es scheint eher – unabhängig vom Bildungsgrad – am Problembewusstsein zu mangeln. International gängige Definitionen werden von einem Drittel nicht erkannt, und selbst bei der Frage nach direkten Geldzahlungen für behördliche oder politische Entscheidungen will ein Viertel der Jungen keine Korruption erkennen.

Eine ähnliche Abweichung ergibt sich auch bei der aktuellen Jugendstudie von SORA für Ö3. Auch da steigt erst mit dem Alter das Gefühl, von der Politik weniger vertreten zu werden. Insgesamt sind die bedrohlich hohen Zahlen ein klares Zeichen, dass – wie die anderen Krisen der aktuellen Zeit – auch jene der Demokratie zunehmend die Mitte unserer Gesellschaft trifft.

Schon beim Freiheitsindex des NEOS Lab wurde deutlich: Das sinkende Vertrauen in die Politik und die steigende Wahrnehmung von Korruption dämpfen auch das Freiheitsgefühl in Österreich. Und der SORA-Demokratiemonitor zeigt: Vor allem die ökonomische Mitte verliert zunehmend an Vertrauen in das politische System.

Deshalb ist es wichtig, seitens der Politik klar gegenzusteuern.

  • 1.) Klare Konsequenzen bei Fehlverhalten: Die aktuellen Strafverfahren betreffen nur die Spitze des Eisbergs. Politische Verantwortung greift früher. Auf die Aufdeckung von Missständen, wie sie im Korruptions-Untersuchungsausschuss zu Tage traten, müssen rasch greifbare Konsequenzen folgen.
  • 2.) Mutige Reformen: inbesondere echte, durchsetzbare Informationsfreiheit, um etwa Behördenentscheidungen nachvollziehbar zu machen.
  • 3.) Transparenz im politischen System: Wie Regierung und Verwaltung müssen auch die politischen Parteien durch Transparenz Vertrauen zurückgewinnen.

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