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Österreich bleibt Hochsteuerland

Lukas Sustala
Lukas Sustala

Eine erste Einschätzung der angekündigten Maßnahmen angesichts der Rekordinflation aus dem NEOS Lab: Österreich wird auch nach der von der Regierung angekündigten teilweisen Abschaffung der kalten Progression ein Hochsteuerland bleiben. Da die Steuereinnahmen heuer sprudeln, zahlen sich die Steuerzahler die Entlastung des heurigen Jahres selber. Und die von Kanzler Nehammer in den Raum gestellte Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel wird von Experten kritisch gesehen.

Eine Analyse von Günther Oswald und Lukas Sustala.

Photo by Ibrahim Boran,Unsplash

Die Bundesregierung hat eine Reihe von Maßnahmen präsentiert, um die Folgen der Teuerung zu bekämpfen. Doch reichen diese Maßnahmen? Erste Analysen des NEOS Lab zeigen, dass es sich kaum um wirkliche Entlastungen der Steuerzahler handelt. Vielmehr wird mit der Abschaffung der kalten Progression in den kommenden Jahren nur verhindern, dass die Steuerquote von einem aktuell sehr hohen Niveau noch weiter nach oben getrieben wird. 

Aber der Reihe nach: Insbesondere die Entlastung heuer dürfte aufgrund der Teuerung verpuffen. Die Bundesregierung hat zwar wiederholt davon gesprochen, dass die Politik zurückgibt, was die Teuerung genommen hat. Das ist aber so nicht richtig. Denn die Politik gibt im besten Fall zurück, was an Steuern mehr weggenommen wird. Denn die Inflation war für eine ganze Reihe von Steuern seit Jahresbeginn ein regelrechter Turbo. Die Verbrauchssteuern wie die Umsatzsteuer liegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 18 Prozent im Plus, die Einkommen- und Vermögensteuern mit den wichtigsten Posten, der Lohn- und der Körperschaftsteuer, liegen um 19 Prozent im Plus. 

Allein bei der Lohnsteuer, der Mehrwertsteuer und sonstigen konsumabhängigen Steuern (Mineralölsteuer, Tabaksteuer, Grunderwerbsteuer, Biersteuer, Alkoholsteuer, Digitalsteuer, Werbeabgabe, Flugabgabe, Schaumweinsteuer) wird das Steueraufkommen bei anhaltender Dynamik daher heuer um rund 5,7 Milliarden Euro über dem gerade erst im Mai novellierten Bundesfinanzrahmen liegen. Die Entlastung im heurigen Jahr zahlen sich die Steuerzahler also selbst.

Faktor Arbeit bleibt hoch besteuert

Die Abschaffung der kalten Progression sowie die Senkung der Lohnnebenkosten um 0,3 Prozentpunkte werden zudem nichts daran ändern, dass der Durchschnittsverdiener in Österreich im internationalen Vergleich sehr hohe Arbeitskosten auslöst, aber vergleichsweise geringe Nettoeinkommen bezieht.

Der von der OECD regelmäßig ermittelte Abgabenkeil wurde vom NEOS Lab auf Basis der vorliegenden Informationen über die Steuerreform für die kommenden Jahre prognostiziert (für die übrigen Länder wurden die Werte von 2021 genommen). Selbst bei Berücksichtigung der Tarifstufensenkungen 2022-2024, der Lohnnebenkostensenkung ab 2023 und des vollständigen Ausgleichs der kalten Progression sowie der Valorisierung der Absetzbeträge wäre Österreich im internationalen Vergleich 2024 immer noch das Land mit der dritthöchsten effektiven Steuerbelastung (ex aequo mit Frankreich) für einen Durchschnittsverdiener. Das gilt für einen Durchschnittsverdiener, der Single ist und keine Kinder hat. Der Verdienst des Durchschnittsverdieners lag 2021 laut OECD bei 50.460 Euro Brutto im Jahr.

Der Abgabenkeil bezieht sich auf alle Steuern und Abgaben, die am Gehalt hängen, in Relation zu den gesamten Arbeitskosten (Brutto plus weitere Steuern und SV-Beiträge des Arbeitgebers).

Ob das letzte Drittel der Rückgabe der kalten Progression auch bei einem Durchschnittsverdiener ankommen würde, ist nach wie vor unklar und wohl von politischen Verhandlungen abhängig. Das in der Grafik ausgeschilderte Szenario 66% geht daher davon aus, dass der Durchschnittsverdiener nicht zusätzlich entlastet wird.

Wäre es also erklärtes politisches Ziel, den Faktor Arbeit steuerlich zu entlasten, dann wäre die (teilweise) Abschaffung der kalten Progression nur ein erster Schritt. Denn die Durchschnittsverdiener zahlen immer noch Hochsteuersätze. Österreich macht mit dieser angekündigten Steuersenkung keinen Meter im internationalen Vergleich, sondern bleibt eines der drei Länder mit dem höchsten Abgabenkeil für Durchschnittsverdiener. Wenn man den Wirtschaftsstandort stärken wollte, müsste die Senkung der Lohnnebenkosten wesentlich größer ausfallen. 

Neue Diskussion um Mehrwertsteuersenkung

Zuletzt hatte Bundeskanzler Karl Nehammer als weitere Maßnahmen eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel – vor allem Grundnahrungsmittel - nicht ausgeschlossen. Ähnliche Vorschläge wurden zuvor auch bereits von der SPÖ eingebracht.

Die von der Regierung eingesetzte Expertenkommission hat sich mit diesen Vorschlägen bereits intensiv auseinandergesetzt. Allerdings: In dem am Dienstag im Ministerrat angenommene Bericht überwiegen klar die Contra-Argumente.

Zwar würde die temporäre Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel im Jahr der Einführung inflationsdämpfend wirken, allerdings würde die Inflation nur in die Zukunft verschoben und hätte somit „einen inflationserhöhenden Effekt bei der Rückführung der MwSt-Senkung“. Hinsichtlich der Treffsicherheit schreiben die Experten, dass die Maßnahme „nicht auf einkommensschwache Haushalte zielgerichtet“ sei, weil „einkommensstarke Haushalte absolut deutlich mehr für Lebensmittel ausgeben“. Zudem sei die Weitergabe von Steuersenkungen durch den Einzelhandel an Endverbraucher „unwahrscheinlich bzw. müssten Kontrollinstrumente geschaffen werden“.

Das Resümee der Experten: „Fördert in absoluten Zahlen stärker einkommensstarke Haushalte und wirkt daher sozial kontraproduktiv“.

Bei einem zweiten Vorschlag im Expertenpapier wird zusätzlich zur Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel die Kombination mit einer „zwingend einzurichtenden Preiskommission“ analysiert. Aber auch hier fällt die Experteneinschätzung ähnlich kritisch aus: Die Überwälzung in Form von sinkenden Lebensmittelpreisen sei fraglich – „empirische Evidenz spricht gegen vollständige Überwälzung“. Eine allfällige Preiskontrolle durch Höchstpreise – eine SPÖ-Forderung – könnte laut den Experten „Versorgungsprobleme bedingen“. Zudem sehen die Fachleute auch „mögliche EU-rechtliche Herausforderungen“.

Die Experten-Einschätzung macht überdeutlich, dass man bei derart sensiblen und ökonomisch komplexen Themen mit populistischen Vorschlägen wie der Mehrwertsteuersenkung nicht wirklich weiter kommt.

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