Die extrem hohen Einnahmen Russlands durch den Gasexport stabilisieren auch sechs Monate nach Beginn des Angriffs auf die Ukraine die russische Kriegswirtschaft. Dass es bis heute keine Versuche gibt, diese Kriegsgewinne abzuschöpfen, ist wohl die größte Lücke des Sanktionsregimes. Dabei gibt es zwei Mittel, die daran wirklich etwas ändern könnten: Zölle auf Gas- und Ölimporte und ein gemeinsamer EU-weiter Einkauf.
Warum können dabei ein gemeinsamer Gaseinkauf und Strafzölle helfen? Ein gemeinsamer Gaseinkauf würde zunächst einmal die Verhandlungsposition in Europa stärken. Aktuell versuchen ja alle Länder für sich und unzählige Gasimporteure in diesen Ländern an Gas zu kommen. Wegen der großen Unsicherheit um die Lieferungen aus Russland gibt es einen Run auf Flüssiggas, Gas aus Norwegen oder eben auch aus dem arabischen Raum. Zwar gibt es schon erste Anzeichen dafür, dass z.B. Norwegen seine Lieferungen künftig billiger zur Verfügung stellen könnte. Aber gerade für günstigere Lieferungen aus Russland müsste Europa seine Verhandlungsposition stärken (CEPR).
Geht es nach einigen Volkswirten, sollte Europa ebenso versuchen, die russischen Gaseinnahmen mit Zöllen zu reduzieren. Zwar wird so ein Zoll natürlich von Importeuren bezahlt, aber die ökonomische Theorie legt nahe, dass er effektiv von der Gazprom in Form von niedrigeren Preisen getragen wird. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass russisches Pipeline-Gas nicht von heute auf morgen zu höheren Preisen und in ähnlich hohen Mengen nach Asien oder anderswo verkauft werden kann. Die Pipeline-Infrastruktur hat nicht nur Europa die Hände gebunden, sondern eben auch Russland (Handelsblatt).
Das Argument, das oft von Kritikern der Zölle ins Feld geführt wird, ist simpel: Wird Russland dann nicht einfach aufhören, Gas zu liefern, wenn es einen Zoll gibt. Dieses Argument hat schon im März viele Politiker_innen daran gehindert, den ökonomischen Vorschlägen zu folgen. Doch die Entscheidung, Gas völlig aus den Sanktionen auszuklammern, hat in den vergangenen Monaten dennoch dazu geführt, dass Russland seine Gaslieferungen massiv eingeschränkt hat. Das sieht man auch in Österreich, wo deutlich weniger Gas fließt, als Kapazitäten verfügbar sind (Knotenpunkt Baumgarten). Auch wenn wir auf Zölle oder einen gemeinsamen Gaseinkauf verzichten, können Wladimir Putin und die russische Gazprom jederzeit aus politischen Gründen die Gaslieferungen einstellen. Doch Zölle und ein gemeinsamer Gaseinkauf verbessern dennoch die Verhandlungsposition – auch striktere Maßnahmen, um die Einnahmen Russlands mit Erdöl würden das.
Daniel Gros hat in einem Papier das ökonomische Kalkül für Zölle auf russisches Gas auf den Punkt gebracht. Ein Zoll, so schreibt er, „bleibt das effizienteste Mittel, um das Ziel zu erreichen, die russischen Gas-Einnahmen zu schmälern“. Ein halbes Jahr nach Beginn des russischen Angriffskrieges ist es jedenfalls nicht so, dass dieses Ziel an Aktualität verloren hätte.