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Österreich drohen Kosten in Höhe von zehn Milliarden Euro für russisches Gas

Lukas Sustala
Lukas Sustala

Die Gaspreise gehen durch die Decke, die Abhängigkeit von Russland bleibt historisch hoch. Österreich drohen Zahlungen von bis zu 10 Mrd. Euro, zeigt eine Schätzung des NEOS Lab. Das schwächt die österreichische Wirtschaft und Kaufkraft, und stabilisiert die russische Kriegswirtschaft. 
Von Lukas Sustala

Photo by Patrick Hendry, Unsplash.com

Der Krieg, den Russland gegen die Ukraine in brutaler Weise am 24. Februar gestartet hat, wird immer noch blutig geführt. Die Reaktion darauf waren aber auch ökonomische Auseinandersetzungen zwischen dem Westen, insbesondere Europa, und dem Aggressor im Kreml. Ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn hat sich das NEOS Lab in einer aktuellen Analyse für eine größer angelegte Studie zu der Energiepolitik angesehen, wie stark die Gasimportkosten für Österreich angesichts von Rekordpreisen steigen. 

Darin hat sich auch gezeigt: 2022 droht zu einem noch teureren Jahr für die österreichische Volkswirtschaft zu werden als befürchtet. Die Kosten von russischem Gas sind seit Monaten stark gestiegen. In den ersten fünf Monaten des Jahres wurde für russische Gasimporte bereits annähernd so viel bezahlt (3,4 Mrd. Euro) wie im gesamten Rekordjahr 2021. In dem Szenario, dass für den Rest des Jahres um 25 Prozent weniger importiert wird, zahlen heimische Importeure heuer sogar 10,6 Mrd. Euro. Selbst wenn die importierten Mengen im restlichen Jahr um 50 Prozent gedrosselt werden, drohen für das Gesamtjahr Gaskosten von 8,2 Mrd. Euro.

Diese Rekordsumme wird die Teuerung für Konsumenten und Unternehmen deutlich in die Höhe treiben. Denn Gas ist für wesentliche Teile der Industrie ein wichtiger Energieträger und verteuert damit die Produktion. Die Erzeugerpreise in Österreich sind bereits um rund 21 Prozent höher als noch vor einem Jahr, die Energiekosten treiben diese Teuerung bei den Erzeugerpreisen in hohem Ausmaß (Statistik Austria). Außerdem sind die hohen Gaspreise wesentlich mitverantwortlich dafür, dass Strom teurer geworden ist. Und für die privaten Haushalte, insbesondere im Osten Österreichs, ist Gas zentraler Energieträger fürs Heizen. 

Österreich hat dabei seine Abhängigkeit von russischem Gas zuletzt auf ein historisch hohes Ausmaß getrieben. Seit der Annexion der Krim haben die russischen Gasimporte eine immer größere Rolle für Österreich gespielt. In den ersten drei Monaten nach Kriegsbeginn heuer sind die Abhängigkeiten sogar noch einmal deutlich gestiegen. Zuletzt importierte Österreich deutlich mehr als 80% des Erdgases aus Russland, legen Zahlen der Statistik Austria nahe. Die Einschränkungen der Gaslieferungen von russischer Seite und die Versuche, insbesondere von Versorgungsunternehmen, auch alternative Lieferanten zu bekommen, dürften diesen Wert aber noch bis Jahresende sinken lassen. Doch die zuletzt für Deutschland kolportierte massive Reduktion der Abhängigkeit auf 9% im August ist in Österreich laut aktuellen Daten in sehr weiter Ferne (ARD).

Die unbequeme Wahrheit

Die extrem hohen Einnahmen Russlands durch den Gasexport stabilisieren auch sechs Monate nach Beginn des Angriffs auf die Ukraine die russische Kriegswirtschaft. Dass es bis heute keine Versuche gibt, diese Kriegsgewinne abzuschöpfen, ist wohl die größte Lücke des Sanktionsregimes. Dabei gibt es zwei Mittel, die daran wirklich etwas ändern könnten: Zölle auf Gas- und Ölimporte und ein gemeinsamer EU-weiter Einkauf.

Warum können dabei ein gemeinsamer Gaseinkauf und Strafzölle helfen? Ein gemeinsamer Gaseinkauf würde zunächst einmal die Verhandlungsposition in Europa stärken. Aktuell versuchen ja alle Länder für sich und unzählige Gasimporteure in diesen Ländern an Gas zu kommen. Wegen der großen Unsicherheit um die Lieferungen aus Russland gibt es einen Run auf Flüssiggas, Gas aus Norwegen oder eben auch aus dem arabischen Raum. Zwar gibt es schon erste Anzeichen dafür, dass z.B. Norwegen seine Lieferungen künftig billiger zur Verfügung stellen könnte. Aber gerade für günstigere Lieferungen aus Russland müsste Europa seine Verhandlungsposition stärken (CEPR).

Geht es nach einigen Volkswirten, sollte Europa ebenso versuchen, die russischen Gaseinnahmen mit Zöllen zu reduzieren. Zwar wird so ein Zoll natürlich von Importeuren bezahlt, aber die ökonomische Theorie legt nahe, dass er effektiv von der Gazprom in Form von niedrigeren Preisen getragen wird. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass russisches Pipeline-Gas nicht von heute auf morgen zu höheren Preisen und in ähnlich hohen Mengen nach Asien oder anderswo verkauft werden kann. Die Pipeline-Infrastruktur hat nicht nur Europa die Hände gebunden, sondern eben auch Russland (Handelsblatt). 

Das Argument, das oft von Kritikern der Zölle ins Feld geführt wird, ist simpel: Wird Russland dann nicht einfach aufhören, Gas zu liefern, wenn es einen Zoll gibt. Dieses Argument hat schon im März viele Politiker_innen daran gehindert, den ökonomischen Vorschlägen zu folgen. Doch die Entscheidung, Gas völlig aus den Sanktionen auszuklammern, hat in den vergangenen Monaten dennoch dazu geführt, dass Russland seine Gaslieferungen massiv eingeschränkt hat. Das sieht man auch in Österreich, wo deutlich weniger Gas fließt, als Kapazitäten verfügbar sind (Knotenpunkt Baumgarten). Auch wenn wir auf Zölle oder einen gemeinsamen Gaseinkauf verzichten, können Wladimir Putin und die russische Gazprom jederzeit aus politischen Gründen die Gaslieferungen einstellen. Doch Zölle und ein gemeinsamer Gaseinkauf verbessern dennoch die Verhandlungsposition – auch striktere Maßnahmen, um die Einnahmen Russlands mit Erdöl würden das. 

Daniel Gros hat in einem Papier das ökonomische Kalkül für Zölle auf russisches Gas auf den Punkt gebracht. Ein Zoll, so schreibt er, „bleibt das effizienteste Mittel, um das Ziel zu erreichen, die russischen Gas-Einnahmen zu schmälern“. Ein halbes Jahr nach Beginn des russischen Angriffskrieges ist es jedenfalls nicht so, dass dieses Ziel an Aktualität verloren hätte.

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