Zum Inhalt springen
Bitte geben Sie einen Suchbegriff ein.

Schuldzuweisungen bringen nichts

Irmgard Griss meint, dass die Politik in der Asylfrage mit Vernunft und Augenmaß vorgehen müsse.

Kaum ein Thema ist so vergiftet, wie Flucht und Migration. Wer hat nicht schon erlebt, dass in Gesprächen fast reflexhaft dem jeweils anderen Extrempositionen unterstellt werden. Der andere will „alle hereinlassen“, das sind in Zukunft 80 Millionen, vielleicht auch „nur“ 60 Millionen. Der so Angesprochene kontert mit dem Vorwurf, der andere nehme in Kauf, dass Menschen im Meer ertrinken, dass man die, die die Überfahrt geschafft haben, auf griechischen Inseln in Lagern unter erbärmlichen Bedingungen dahinvegetieren lässt, um den „Pull-Effekt“ zu verhindern. Andere wiederum verlangen, dass die Genfer Flüchtlingskonvention geändert wird. Wie sie geändert wird, ob das Asylrecht abgeschafft werden soll, bleibt freilich offen. Einig sind sich so gut wie alle, dass die EU versagt hat.

Um beim letzten Vorwurf zu beginnen, wer ist die EU? Die EU, das sind die Mitgliedstaaten. Wenn es keine Einigung über die Verteilung Asylberechtigter gibt, haben gemeinsame Asylverfahren an der Grenze oder außerhalb Europas wenig Sinn. Denn was soll mit den Menschen geschehen, deren Schutzbedürftigkeit festgestellt wird?

"Schuldzuweisungen und Pauschalierungen bringen nichts, sie sollen oft nur von eigenem Versagen ablenken. Die Versuchung dazu ist groß, wenn Asylwerber verdächtigt werden, ein schreckliches Verbrechen begangen zu haben. Die mit solchen Ablenkungsmanövern erzielten parteipolitischen „Erfolge“ sind kurzsichtig und kurzfristig. Eine Patentlösung gibt es nicht."

Dass Menschen Schutz brauchen, wenn sie in ihrem Heimatland verfolgt werden oder ihr Leben sonst gefährdet ist, wird kaum jemand bestreiten. Nicht bestreiten kann man auch, dass viele nicht vor Verfolgung flüchten, sondern vor wirtschaftlicher Not und sich ein besseres Leben aufbauen wollen. In einem fairen Verfahren möglichst rasch zu entscheiden, wer Schutz verdient und wer nicht, ist für jedes Rechts- und Gerichtssystem eine gewaltige Herausforderung.

Das anzuerkennen, ist der notwendige erste Schritt. Schuldzuweisungen und Pauschalierungen bringen nichts, sie sollen oft nur von eigenem Versagen ablenken. Die Versuchung dazu ist groß, wenn Asylwerber verdächtigt werden, ein schreckliches Verbrechen begangen zu haben. Die mit solchen Ablenkungsmanövern erzielten parteipolitischen „Erfolge“ sind kurzsichtig und kurzfristig. Eine Patentlösung gibt es nicht. Es sind sehr harte Bretter, die die Politik hier mit Leidenschaft und Augenmaß bohren muss.

Irmgard Griss war Präsidentin des Obersten Gerichtshofs und Abgeordnete zum Nationalrat der NEOS.

Der Kommentar erschien am 08. Juli in der Kleine Zeitung. 

Weitere interessante Artikel

iStock-1204153924-2121x1192
01.09.2025Bildung

Hochbegabung: Wie wir Talente wirklich zum Blühen bringen

Das österreichische Schulsystem wird meist für seine mangelnde Bildungsmobilität kritisiert. Doch auch in Sachen Begabungsförderung gibt es in Österreich noch Luft nach oben. Was man dagegen tun könnte, zeigt der aktuelle Policy Brief des NEOS Lab.

Mehr dazu
NEOS Lab Blog Header -Helga Pattart-Drexler im  Interview mit NEOSplus-1600x899
21.08.2025

Generationenfrage: Helga Pattart-Drexler im Gespräch mit NEOSplus

NEOSplus haben mit NEOS Lab Geschäftsführerin Helga Pattart-Drexler über ihre ersten 100 Tage im NEOS Lab, den Megatrend „Silver Society“, kommende Pläne und mehr geplaudert.

Mehr dazu
Blog Header diverse (17)-1600x899
14.08.2025

Fünf Mythen über die Teilzeit

Teilzeit boomt – und für den Sozialstaat wird das immer mehr zum Problem. Aber warum verbringen die Menschen immer weniger Zeit mit Erwerbsarbeit? Ist es wirklich „Lifestyle-Teilzeit“, oder sind einfach nur die Anreize falsch? Ein genauer Blick auf die Teilzeitrepublik Österreich von Georg Lundström-Halbgebauer und Lukas Sustala.

Mehr dazu

Melde dich für unseren Newsletter an!