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Vermeintliche Siege im "Corona-Wettbewerb"

Wichtiger als Vergleiche ist die Frage, wie viel aus der Krise gelernt wurde.

Viele Daten prägen seit Beginn der Corona-Krise unsere Wahrnehmung der Pandemie: aktive Fälle pro 100.000 Einwohner; die Reproduktionszahl; Todesfälle im Verhältnis zu Infizierten. Schnell verfügbare und qualitätsvolle Daten helfen uns, Maßnahmen und Cluster einzuschätzen. Oft genug werden Daten allerdings politisch nicht für bessere Entscheidungen genutzt, sondern um die eigene Sache in ein besonders günstiges Licht zu stellen.

So wurden vor wenigen Wochen in Sozialen Medien Zahlen präsentiert, die in Corona-Zeiten mit großer Unsicherheit behaftet sind. Die Regierung etwa präsentierte einen Vergleich Österreichs mit Schweden anhand von drei Indikatoren: BIP-Wachstum, Arbeitslosigkeit und Sterbezahlen. Das im Mai gezogene Resümee lautete: Österreich komme wirtschaftlich und gesundheitlich viel besser durch die Krise.

Drei Monate später sieht dieser Vergleich jedoch anders aus. Neue Daten sind verfügbar, alte wurden revidiert. Demnach ist Schwedens Volkswirtschaft zwar um immerhin 8,2 Prozent im zweiten Quartal geschrumpft. Eine tiefe Rezession also. Doch laut Eurostat ist die Rezession Österreichs mit einem Minus von 13,3 Prozent noch wesentlich tiefer. Nur zur Verdeutlichung: Fünf Prozentpunkte des BIP machen auf das Jahr einen Unterschied von immerhin rund 20 Milliarden Euro aus. Daran hängen Sozialabgaben und Steuern von rund acht Milliarden Euro, die für Pensionen, Gesundheitsausgaben oder Bildung fehlen. Acht Milliarden Euro gab der österreichische Staat zuletzt für die Schulen der Sekundarstufe aus.

Bei der Arbeitslosigkeit zeigt ein Blick in die schnell verfügbaren Daten zu den registrierten Arbeitslosen, dass im Juni 2020 die Zahl arbeitsloser Menschen in Österreich um rund 58 Prozent höher liegt als noch im Jänner (rund 460 statt 290 Tsd.). In Schweden hingegen sind heute hingegen "nur" um rund 33 Prozent mehr Menschen arbeitslos (rund 280 statt 210 Tsd.). Auch Live-Indikatoren wie etwa zum Stromverbrauch legen nahe, dass die wirtschaftliche Aktivität in Schweden etwas stabiler durch das Jahr 2020 gekommen ist.

Klar ist, dass Schwedens Corona-Politik an einem wichtigen Punkt scheiterte, nämlich Risikogruppen gerade in Altersheimen erfolgreich zu schützen. Die Lehre daraus war, dass die Testungen zuletzt deutlich ausgeweitet und die soziale Distanzierung kaum gelockert wurden.

Ein Problem bei simplen Vergleichen des Erfolgs ist, dass es bloß Momentaufnahmen sind. Ein einzelner Datenpunkt als "Beweis" für Erfolg oder Misserfolg ist mit Vorsicht zu genießen, zumal bei Prognosen, die in schwierigen Zeiten von sozialer Distanzierung nicht so aussagekräftig sind wie sonst. Die Frage, wie erfolgreich ein Land wie Österreich durch die Corona-Krise gekommen ist, lässt sich nicht im August 2020 beantworten, sondern hängt vor allem davon ab, wie viel gelernt wurde, um bei einer nächsten Welle, einem nächsten lokalen Ausbruch besser und effektiver zu handeln. Die Corona-Krise zeigt, wie wichtig es ist, schnell Daten zu erheben, für die Wissenschaft zu veröffentlichen und zu analysieren, um Ausmaß und Ausbreitung von Infektionen und Wirtschaftskrisen einzuschätzen. Sie sind aber nicht wirklich nützlich für verfrühtes Schulterklopfen und Fingerzeige aufs Scheitern anderer. Wirklich sinnvoll wird es erst, wenn die Daten zu Lerneffekten führen, die unser Leben mit dem Virus tatsächlich verbessern.

Lukas Sustala ist Direktor des NEOS Lab. Dieser Text erschien am 12. August 2020 in der Wiener Zeitung als Gastbeitrag. 

 

Bild: Copyright © Adam Nieścioruk

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