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Warum es den Gemeinden in Österreich so schlecht geht

Föderalismus im Fokus: Trotz hoher Einnahmen kommen viele Gemeinden mit dem Geld nicht aus. Das liegt nicht zuletzt an gewachsenen Strukturen und unklaren Zuständigkeiten.

Die Gemeinden in Österreich stehen unter enormen finanziellem Druck. Heuer werden, so schätzen die Experten des KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung, trotz hoher Einnahmen 45 Prozent sogenannte Abgangsgemeinden sein. Das heißt, dass ihre laufenden Einnahmen, etwa aus den steuerlichen Ertragsanteilen, nicht ausreichen, um die Ausgaben und Tilgungen zu decken. Die Konsequenz ist logisch: Viele Gemeinden müssen sparen, in den meisten Fällen heißt das, dass sie Investitionen aufschieben.

Die Einnahmen wachsen, die Ausgaben noch stärker

Nun liegen die Ursachen in der prekären Finanzlage weniger bei den Einnahmen, über die die Gemeinden traditionell ohnehin sehr wenig entscheiden können, weil die Steuer- und Abgabenautonomie unterentwickelt ist. Besonders dynamisch haben sich in den vergangenen Jahren eine Reihe von Ausgabenposten entwickelt: 

  • Landesumlagen für Krankenanstalten und Sozialhilfe: Diese Pflichtzahlungen der Gemeinden an die Länder stiegen etwa bis 2024 laut KDZ sehr dynamisch. Die Umlagen verschlingen aktuell rund 53 Prozent der Einnahmen, obwohl die Gemeinden kaum Einfluss auf die Kostenentwicklung haben. 2019 waren es noch 49 Prozent, bis 2028 erwartet das KDZ einen weiteren Anstieg auf 61 Prozent.
  • Personalkosten: Die Personalausgaben erhöhten sich im Zuge der Inflation sehr deutlich. Gleichzeitig ist trotz der Digitalisierung die Zahl der Gemeindebediensteten gestiegen. In einigen Bereichen, etwa Assistenzpersonal in Schulen, Kinderbetreuung, Pflege, geht es auch um Leistungen, die in den vergangenen Jahren nicht angeboten worden sind.
  • Einnahmenentwicklung: Der wichtigste Einnahmeposten, die Ertragsanteile an den Bundesabgaben, steigt zwar dynamisch, andere Abgaben, wie die traditionell für die Gemeinden wichtige Grundsteuer, aufgrund ihrer Ausgestaltung hingegen kaum.

Ursachen statt Symptome des Defizits bekämpfen 

Dass die Republik nun – in einem EU-Defizitverfahren – weiter sparen muss, ist klar. Dass alle Gebietskörperschaften – Bund, Länder und Gemeinden – etwas dazu beitragen müssen, liegt ebenso auf der Hand.   

Es wäre aber nicht Österreich, wenn nicht die häufigste Forderung in dieser Gemengelage der Ruf nach höheren Steuern wäre. Im Falle der Gemeinden ist es der Ruf nach einer höheren Grundsteuer. Tatsächlich wäre es für alle Beteiligten am bequemsten, Steuern anzuheben – außer für die Bürger:innen, die diese zu bezahlen hätten. Vorschläge zur Reform der Grundsteuer oder höheren Ertragsanteilen für die Gemeinden liegen in Österreich auf dem Tisch. 

Reformpartnerschaft für strukturelle Veränderungen 

Was aber neu ist, ist die Reformpartnerschaft zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, um einige Bereiche tatsächlich strukturell anzugehen. Tatsächlich gäbe es wohl vier zentrale Stellschrauben, um Gemeinden das Leben leichter zu machen:  

  • Aufgabenorientierter Finanzausgleich: Die Mittelverteilung sollte sich stärker an den tatsächlichen Aufgaben orientieren und Mehraufgaben wie öffentlichen Nahverkehr, Klimaschutz und Bildung genauso abgelten wie weniger Aufgaben berücksichtigen. Der vom Bund geschaffene Zukunftsfonds sollte mit viel klareren Kriterien für die Auszahlung ausgestattet werden.  
  • Gemeindekooperationen: Verwaltungskooperationen und freiwillige Fusionen können Effizienzgewinne bringen (z.B. „5 Gemeinden – 1 Verwaltung“). 
  • Reduktion der Umlagen: Die Gemeinden sollten von der Mitfinanzierung der Krankenanstalten und der Sozialhilfe zumindest teilweise entlastet werden, wenn die Kosten nicht klar aufgeschlüsselt sind. 
  • Normative Entlastung: Bund und Länder sollten Vorschriften und Standards kritisch prüfen und entschlacken, damit Gemeinden mehr Gestaltungsfreiheit bekommen. 

Gerade das Thema Aufgabenorientierung und Gemeindekooperationen hat wegen der prekären Finanzen Konjunktur. Ein Blick auf die Ausgangslage zeigt: Österreichs 2.091 Gemeinden (ohne Wien) sind überwiegend klein. 1.492 haben unter 3.000 Einwohner – rund 71 Prozent. 407 sogar unter 1.000 (knapp ein Fünftel), 109 unter 500 (gut 5 Prozent). Besonders viele Kleingemeinden gibt es in Niederösterreich (422 unter 3.000), Oberösterreich (313) und Tirol (214). Diese kleinteilige Struktur prägt natürlich Verwaltung und Versorgung.

Warum ist das ein Thema? Kleine Gemeinden müssen dieselben Aufgaben stemmen wie große – Kinderbetreuung, Pflege, Bauhof, Raum und Verkehrsplanung, Digitalisierung – aber mit wenig Personal und geringen Skaleneffekten. Gemeinsame Verwaltungen, Zweckverbände und geteilte Dienste (IT, Bauhof, Beschaffung, Abgabenservice) können die Qualität bewahren und Geld sparen helfen. Wo das nicht reicht, können freiwillige Fusionen mit klaren Anreizen die Leistungsfähigkeit sichern. NEOS haben dazu ein aktuelles Reformpapier „Republik der besten Gemeinden“ beschlossen, das den Reformbedarf betont und klare Empfehlungen aufzeigt.

Der internationale Vergleich zeigt jedenfalls regelmäßig, dass größere, klarere Gemeindestrukturen effizienter sein können. Der Spielraum für Kooperationen ist jedenfalls groß, wenn man sich den internationalen Vergleich ansieht. Im Durchschnitt leben in Österreich nur 4.300 Einwohner:innen pro Gemeinde, während es in Dänemark – nach der Fusion von über 270 Kommunen zu 98 – 61.200 Einwohner:innen pro Gemeinde sind. 

Die Aufgabenverteilung: Es ist kompliziert 

Die Sanierung der öffentlichen Hand wird auch dadurch erschwert, dass es sehr selten einen gemeinsamen Überblick, geschweige denn: eine Steuerung aller öffentlichen Finanzierungen gibt. Jedenfalls nicht zeitnah. Je nach Politikfeld tragen jedenfalls Bund, Sozialversicherung (SV), Länder und Gemeinden unterschiedliche Verantwortung. Die nachstehende Grafik veranschaulicht die Verteilung der konsolidierten Staatsausgaben im Jahr 2022, die OECD erfasst hierfür die Ausgaben der unterschiedlichen Ebenen. Und zeigt auch auf einen Blick: Der Föderalismus in Österreich ist nicht nur im internationalen Vergleich speziell, er ist auch je nach Politikfeld höchst unterschiedlich.  

Beim Bildungsbereich deckt der Bund 42 Prozent der Ausgaben; Länder und Gemeinden übernehmen zusammengenommen gut die Hälfte – die Gemeinden finanzieren etwa im Bereich der Elementarpädagogik viel. 

Im Gesundheitsbereich tragen die Sozialversicherungsträger den größten Anteil, doch auch die Länder und Gemeinden müssen erhebliche Mittel aufbringen. 

Bei den wirtschaftlichen Angelegenheiten übernimmt der Bund mit rund drei Viertel den größten Teil der Ausgaben. 

In der Gesamtbetrachtung zeigt sich: Der Bund sorgt für knapp 40 Prozent der konsolidierten Ausgaben, die SV trägt rund 30 Prozent, die Länder 15,5 Prozent und die Gemeinden 14,9 Prozent. 

In so einem System wären klare Anreize natürlich entscheidend. Aber oft ist es so, dass Einsparungen auf einer Ebene einer anderen zugute kommen (bei den Gemeinden etwa über die Umlagen) oder Gesetzesänderungen im Bund Mehrkosten woanders verursachen. Gerade bei den dynamischen Ausgabenbereichen – Kinderbetreuung, Soziales oder Gesundheit – führt diese Zersplitterung oft zu fehlender Transparenz und ineffizienten Doppelstrukturen – zulasten der Bürgerinnen und Bürger. 

Strukturreformen, die die Aufgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden klarer regeln, sind also kein Selbstzweck, sondern wären Voraussetzung für eine bessere Versorgungsqualität ohne zusätzliche Budgets. Klare Zuständigkeiten, echte Abgabenautonomie und ein aufgabenorientierter Finanzausgleich müssen also zur Sanierung des Staatshaushalts einen integralen Bestandteil liefern, sonst dominiert der berühmte „Rasenmäher“, der einfach über die Budgets Kürzungen verteilt. Nur durch strukturelle Reformen lassen sich die kommunalen Finanzen nachhaltig stabilisieren.  

(Bild: Leonhard Niederwimmer/Pixabay)

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