
Industriepolitik in Zeiten der Deindustrialisierung
Ein Policy Brief von Georg Lundström-Halbgebauer
Europas Industrie steht vor großen Herausforderungen
Wirtschaftsleistung und Produktivität sind in den letzten 20 Jahren hinter anderen großen Volkswirtschaften zurückgeblieben. Strategische Lieferketten sind nicht ausreichend diversifiziert, und es fehlt an hunderten Milliarden Euro für Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation. Dieser Policy Brief zeigt zielgerichtete Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Standorts auf.
Eine Kernbotschaft dieses Policy Briefs: Strukturwandel lässt sich kaum und nur sehr teuer aufhalten – eine marktwirtschaftlich orientierte Industriepolitik sollte danach trachten, dass die Industrie nicht zusätzlich unter den politischen Rahmenbedingungen leidet.Lukas Sustala, Leiter Thinktank NEOS Lab
Auszug aus dem Editorial
Ein freies Europa braucht eine robuste Industrie
Die zentralen Aussagen dieser Publikation im Überblick
Um die Risiken unserer Zeit bewältigen zu können, muss ein freies Europa wirtschaftlich und militärisch auf eigenen Beinen stehen. Dafür braucht es eine robuste Industrie. Ein Überblick über die Herausforderungen und Handlungsempfehlungen, um Europa wieder wettbewerbsfähiger zu machen:
Die EU hat sich in den letzten 30 Jahren merklich deindustrialisiert. Das ist zum Teil eine natürliche Begleiterscheinung erfolgreicher wirtschaftlicher Entwicklung, zum Teil aber ein Zeichen wirtschaftlicher Schwäche. Auch der Dienstleistungssektor braucht eine starke Industrie als direkten und indirekten Auftraggeber sowie als Testlabor, um innovativ und international wettbewerbsfähig zu bleiben.
Die geopolitische Lage ist massiv angespannt. Die regelbasierte internationale Ordnung droht zu zerbrechen, und damit auch der internationale Freihandel. In diesem Umfeld darf sich die EU nicht mehr auf die Gutmütigkeit ihrer Handelspartner verlassen, sondern sie muss die Sprache der Macht erlernen. Sie sollte die Gunst der Stunde nutzen, nach Verbündeten mit gemeinsamen Interessen suchen und sich so den Zugang zu wichtigen Märkten sichern.
Die Energiepreise können kurzfristig durch Steuersenkungen und gezielte Preisdämpfungen, mittelfristig durch eine Reform der Kostenverteilung von Netz- und Infrastrukturausbau und langfristig durch den Umstieg auf erneuerbare Energie und die Vollendung der europäischen Energieunion gesenkt werden. Für Letzteres braucht es höhere Mittel für TEN-E-Projekte im nächsten EU-Budget.
Diversifizierung der Lieferketten durch gezielte Freihandels-Partnerschaften, EU-weit koordinierte Lagerhaltung und gesetzliche Vorgaben für zirkuläres Produktdesign sowie Recycling können Europas Resilienz bei kritischen Rohstoffen stärken.
Um hohe Lohnkosten zu kompensieren, sollte die Industrie auf Innovation, Automatisierung und Digitalisierung setzen. Der Trend geht zu wenigen, hochspezialisierten Fachkräften. Klassische Arbeiter:innen werden in der Industrie immer seltener. Der Staat kann helfen, indem er die im internationalen Vergleich hohen Lohnnebenkosten senkt, (Aus-) Bildung und lebenslanges Lernen priorisiert und attraktive Bedingungen für internationale Fachkräfte schafft.
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