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5 verlorene Jahre für die Bildung der Jüngsten

Dieter Feierabend
Dieter Feierabend

In den letzten Tagen wurden Teile des Ermittlungsaktes gegen Bundeskanzler Kurz, die ÖVP und wesentliche Proponenten des innersten Führungszirkels bekannt. Neben rechtlich begründeten Vorwürfen zeigen die Akten, dass auch politische Vorhaben der Regierung Kern/Mitterlehner, die schon paktiert waren, von Sebastian Kurz als Minister und von seinem Netzwerk sabotiert wurden. Eines dieser Projekte betrifft die Elementarpädagogik.

Elementarpädagogik

Screenshot: Aus den Akten zu den Chatprotokollen in der Causa Österreich/ÖVP rund um Inserate und Gegengeschäfte mit Steuergeld.

Investitionen in die frühkindliche Bildung und Betreuung sind offenbar verhindert worden. Dabei zeigen internationale Studien, dass eine qualitativ gute frühkindliche Bildung wesentlich für den weiteren Bildungsweg ist. Und wie sieht die Betreuungssituation aus, fünf Jahre nachdem die Nachmittagsbetreuung mit Rechtsanspruch verhindert wurde? Die Kindertagesheimstatistik der Statistik Austria gibt hierzu Auskunft. Beginnen wir mit einem Blick auf die Bildungsinfrastruktur, also ob es genügend Plätze in der Elementarpädagogik und bei Kleinkindgruppen gibt.

9 Betreuungssituationen

Während bei der Betreuung von 4-5-Jährigen kaum Unterschiede feststellbar sind, sind Eltern insbesondere mit 0-2-jährigen Kindern mit Herausforderungen konfrontiert. Von den gesteckten Zielen ist man weit entfernt. 2002 haben sich etwa die Mitgliedsstaaten der EU in den sogenannten "Barcelona-Zielen" zum Ziel gesetzt, bis 2010 für mindestens 90% der Kinder zwischen drei Jahren und dem Schulpflichtalter und für mindestens 33% der Kinder unter drei Jahren Betreuungsplätze zur Verfügung zu stellen. Angesichts der Betreuungsquoten ist klar zu sehen, dass sie dies insbesondere für die jüngsten Kinder auch knapp 20 Jahre nach der Vereinbarung noch nicht erfüllen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass ein Kindergarten als "ganztägig geöffnet" gilt, wenn er 6 Stunden am Tag offen hat.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Nur bedingt

Für eine gute frühkindliche Bildung, ist die Qualität des Angebots essentiell. Um dies zu bewerten, verwendet die Statistik Austria den Vereinbarkeitsindikator für Familie und Beruf (VIF), der von der AK Wien entwickelt wurde, und auch für die Bund-Länder-Vereinbarungen zum Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen verwendet wurde. Hierbei sollten folgende Kriterien für Kinderbetreuungsstätten erfüllt werden: Betreuung durch qualifiziertes Personal, Öffnungszeiten von mindestens 47 Wochen pro Jahr und 45 Stunden wöchentlich, werktags von Montag bis Freitag geöffnet, an vier Tagen die Woche 9,5 Stunden geöffnet und mit Angebot von Mittagessen. Für die folgende Analyse werden auf Basis der Kindertagesheimstatistik 2020/21 alle Kindertagesheime, also Kindergärten, Kinderkrippen und Kleinkindbetreuungseinrichtungen, analysiert. Hierbei wird ein besonderer Schwerpunkt auf Kindergärten gelegt, da fast drei Viertel aller Kindergärten von öffentlichen Gebietskörperschaften, meist Gemeinden, erhalten werden. Genau diese hätten von dem Kern/Mitterlehner Deal besonders profitiert. 

Bei Kleinkindern ist Vereinbarkeit von Familie und Beruf schwierig

Teilzeitbeschäftigung ist oftmals die einzige Möglichkeit, Familie und Beruf zu vereinen 

Weit entfernt von ganztägiger Öffnung

Wie die Betreuungsquoten zeigen, ist oftmals das fehlende Angebot die wesentlichste Hürde, insbesondere bei 0-2-jährigen Kindern. Sofern diese vorhanden ist, sehen wir - insbesondere in Wien und Kärnten, dass die Wahlfreiheit für Eltern gegeben ist, während in Oberösterreich nur knapp 26 Prozent aller Kindertagesheime den VIF-Kriterien entsprechen. Bei den Einrichtungen für 3-5-Jährige, bei denen wir in den meisten Bundesländern Betreuungsquoten von über 90 Prozent sehen, verschlechtert sich das Bild.

Deutlich ausbaufähige Öffnungszeiten

Wer frühkindliche Bildung verbessern will, darf zwei Parameter nicht außer Acht lassen: die täglichen Öffnungszeiten und die Anzahl an Schließtagen. Eine Vollzeiterwerbstätigkeit für Eltern ist nur möglich, wenn Kindertagesstätten eine gewisse tägliche Öffnungszeit bieten. Am Fallbeispiel der Horte zeigt sich, wie die in den Akten erwähnte Nachmittagsbetreuung in Österreich noch verbesserungswürdig ist.

Mit Ausnahme von Wien sind die Öffnungszeiten von Horten noch deutlich ausbaufähig, in Vorarlberg beispielsweise gibt es de facto keinen Hort, der 6 Stunden oder mehr offen hat. Insgesamt haben knapp 30 Prozent aller Kindertagesstätten weniger als 8 Stunden geöffnet. Insbesondere in Oberösterreich und Vorarlberg gibt es viele Einrichtungen, die weniger als 6 Stunden offen sind, die beste Infrastruktur gibt es in Wien. Neben den täglichen Öffnungszeiten sind die Schließtage, also Werktage an denen die jeweilige Einrichtung geschlossen ist, elementar. Arbeitnehmer_innen haben in der Regel für jedes Arbeitsjahr Anspruch auf bezahlten Urlaub im Ausmaß von 25 Arbeitstagen bei einer Fünf-Tage-Woche. Selbst wenn Eltern sich jeden Schließtag als Urlaubstag nehmen würden, sehen wir, dass jede vierte Einrichtung mehr als 25 Schließtage hat. Bis auf Wien gibt es kein Bundesland, in dem Kindergärten maximal 25 Schließtage besitzen. 

Fazit: Fünf verlorene Jahre

Egal ob es um die Anzahl der Plätze, oder die Qualität der vorhandenen Einrichtungen geht: die 1,2 Mrd. Euro wären für eine qualitativ gute frühkindliche Bildung dringend notwendig. Studien zeigen, dass nur qualitativ hochwertige Angebote sich positiv auf die frühkindliche Bildung auswirken. Daher gilt es, in Österreich die Bildungsinfrastruktur qualitativ und quantitativ zu verbessern. Davon haben Gesellschaft und Wirtschaft etwas, weil es Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert. Doch das wurde vor fünf Jahren aus Machtkalkül von Sebastian Kurz verhindert.

Titelbild: ©Sigmund

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