Zum Inhalt springen
Bitte geben Sie einen Suchbegriff ein.

Der Aufstieg und Fall des David Cameron

Ein Blogbeitrag von Josef Lentsch

Sebastian Kurz ist nicht der erste Jungpolitiker, der nach einem rasanten Aufstieg aus der Opposition heraus Kanzler wurde. David Cameron war 43, als er 2010 die britischen Wahlen gewann. Damit löste er Labour nach 10 Jahren an der Regierung ab. Cameron wurde gefeiert als konservativer Jungstar – er war charismatisch, freundlich, slick. Gemeinsam mit Partnern wie Finanzminster George Osborne wollte er erst die konservative Tory-Partei modernisieren, und dann ganz Großbritannien. Allerdings benötigte er mit den Liberal Democrats einen Koalitionspartner, da die Tories alleine nicht stark genug waren.

Der Cameron aus Meidling

Die vielen Parallelen zwischen Kurz und Cameron sind auch den österreichischen Medien nicht verborgen geblieben. So hat Oliver Pink in der „Presse“ etwa Kurz den „David Cameron aus Wien Meidling“ genannt.

Cameron sah sich innerhalb seiner eigenen Partei dem Druck von euroskeptischen Tory-Hinterbänklern ausgesetzt. Um sie zu besänftigen, machte er ihnen einige Zugeständnisse, unter anderem eine Abstimmung über die EU-Mitgliedschaft, ohne konkreten Zeithorizont. Damit besänftigte er sie, und sicherte er sich deren Unterstützung.

Für eine Zeit schien er nichts falsch machen zu können. Labour war nach der Niederlage am Boden. Die britische Regierung schien richtig cool zu sein. Bei den Wahlen 2015 schaffte er dann sogar die absolute Mehrheit an Sitzen, und konnte fortan ohne die Liberal Democrats regieren. Cameron war selbstsicher bis zur Hybris. Da der Druck seiner eigenen Hinterbänkler weiterhin hoch war, terminisierte er das EU-Referendum für Juni 2016. Er selbst würde für den Verbleib kampagnisieren. Der Rest ist, traurige, Geschichte.

Die Geister, die er rief

Sebastian Kurz könnte ein ähnliches politisches Schicksal ereilen wie David Cameron. Die Rolle der Tory-Hinterbänkler könnte die FPÖ spielen. Zwar ist eine Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft angesichts des Regierungsprogramms wohl ausgeschlossen. Allerdings hat der nunmehrige Innenminister Herbert Kickl schon 2015 mit der Idee gespielt, ein Volksbegehren über die Europäische Menschenrechtskonvention zu machen. Die FPÖ wird weiter mit ähnlichen Ideen zündeln, und in guter alter Manier Oppositionspolitik auch aus der Regierung herausmachen. Pro-europäisches Lippenbekenntnis hin oder her.

Die FPÖ wird versuchen, den Kanzler Kurz mit seinem unerfahrenen Regierungsteam an die Wand zu drücken, bis dieser wie Cameron das Gefühl hat, nicht mehr Nein sagen zu können. Vielleicht sogar aus einem Gefühl der scheinbaren Stärke. Mit den Tories, und UKIP, hat die FPÖ zwei historische Beispiele, die ihre Sache in einem ähnlichen setup sehr erfolgreich gemacht haben.

  • David Cameron ist seit Kurzem übrigens leitend tätig für einen Chinesischen Infrastrukturfonds. Damit geht er den Weg von Ex-Kanzlern wie Schröder und Gusenbauer. Wir werden sehen, wo Sebastian Kurz dereinst andocken wird.

Vielleicht interessieren dich auch diese Artikel

iStock-479531378-5500x3096
08.05.2024Silvia Nadjivan1 Minute

Welche Zukunft für Europa?

Bei den EU-Parlamentswahlen von 6. bis 9. Juni 2024 sind in den 27 Mitgliedsländern über 400 Millionen Bürger:innen aufgerufen, zu den Urnen zu gehen. Welche pro- oder antieuropäischen Ansätze vertreten die sieben Fraktionen im Europäischen Parlament? Und wie lassen sich die österreichischen Parteien innerhalb ihrer jeweiligen Parteienfamilie einordnen? Ein neuer Policy Brief gibt Antworten.

Welche Zukunft für Europa?
NEOS Lab Blog Header - AYCL Europa als System und Lebensgefühl 2-1600x899
03.05.2024Katharina Geissler5 Minuten

Inside Brüssel: Wohnen in einem demokratischen Kunstwerk

Stefanie „Fanni“ Gaismayer, Büroleiterin der NEOS-Europaabgeordneten Claudia Gamon in Brüssel, ist überzeugte Europäerin. Katharina Geißler hat sie zum Gespräch getroffen und ihre Erzählung aufgezeichnet. 

Inside Brüssel: Wohnen in einem demokratischen Kunstwerk
iStock-1270438130-5760x3238
02.05.2024Clemens Ableidinger2 Minuten

Vereinbarkeit von Familie und Beruf? It’s complicated

Ob in Sachen Kinderbetreuung wirklich Wahlfreiheit herrscht, hängt stark davon ab, wo man lebt. Der Ausbau verläuft aber nur schleppend, und der Anteil an Kleinkindern in Betreuungseinrichtungen, deren Öffnungszeiten mit einer Vollzeitarbeit der Eltern vereinbar sind, ist sogar gesunken.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf? It’s complicated

Melde dich für unseren Newsletter an!