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Diagnose bekannt, Therapie überfällig

Niemand will in der Gesundheit sparen, doch die Kostendynamik bei den öffentlichen Ausgaben für Spitäler, Medikamente oder Kassen muss eingebremst werden. Statt einer angekündigten „Patientenmilliarde“ droht ohne Reformen eher ein Milliardenloch. Doch Sparen ist ein politisch schwieriges Unterfangen in einem komplexen Gesundheitssystem.

Der österreichischen Gesundheitskasse scheint das Geld auszugehen. So konnte man es immer wieder lesen, zuletzt Ende April. Während 2024 noch von einem Defizit von etwa einer halben Milliarde Euro ausgegangen wurde, zeigte die Gebarungsvorschau 2025 ein Defizit von circa 900 Millionen Euro, also 400 Millionen mehr als noch vor wenigen Monaten angenommen.

Schuld an der aktuellen Misere haben laut ÖGK die schwache Konjunktur und die steigende Arbeitslosigkeit (wodurch weniger Einnahmen durch Beiträge hereinkämen), der demografische Wandel (weil immer mehr Menschen immer älter werden und daher öfter zur Ärzt:in müssen) und die gestiegenen Kosten für die ärztliche Versorgung. Der größte Ausgabenposten sind die ärztlichen Honorare mit 5,5 Milliarden Euro. Weitere 5,3 Milliarden muss die ÖGK zur Finanzierung der Spitäler beisteuern, bei denen sie aber nicht mitreden darf. Medikamente kosten 4 Milliarden Euro, und mit über einer Milliarde Euro schlägt das Krankengeld zu Buche. 

ÖGK und Ärztekammer, Katze und Hund 

Naheliegenderweise wollte die ÖGK, schon bevor sie das aktuelle Rekord-Defizit verkündete, beim größten Ausgabenposten sparen: bei den ärztlichen Honoraren. So forderte ÖGK-Chef Peter McDonald bereits im März 2025 öffentlich einen „Solidarbeitrag“ von den Ärzt:innen, um bei der Finanzierung des öffentlichen Gesundheitssystems zu helfen. Die Ärztekammer wehrt sich seither mit gewohnter Schärfe. Mögliche Kürzungen bei den Honoraren werden entschieden abgelehnt. Ebenso ablehnend steht die Interessenvertretung der Bitte der ÖGK gegenüber, teure Untersuchungen wie etwa CT oder MRT sowie kostspielige Therapien in Zukunft seltener zu verordnen. Vertreter der österreichischen Ärztekammer sehen hier ein „medizinisches Risiko“, dass ernsthafte Erkrankungen übersehen werden könnten. 

Aus der Ärztekammer heißt es dazu, dass man statt bei den Diagnosen lieber an den Strukturen der ÖGK sparen solle. So weit, so nachvollziehbar. Dabei zeigen internationale Vergleiche durchaus, dass Österreich zu den Industrieländern mit den meisten CT/MRT-Untersuchungen zählt – bei eher durchschnittlichen Ergebnissen gemessen an Gesundheitsindikatoren in der Bevölkerung. 

Mit Kompetenz-Kompetenz gegen den gordischen Knoten 

Mit dem routinemäßigen Streit zwischen Ärztekammer und ÖGK sind wir bei der Wurzel fast aller Übel im österreichischen Gesundheitssystem: die zersplitterten Kompetenzen. Zu viele sind zuständig, aber keiner will verantwortlich sein. So bestimmt nicht die Sozialversicherung alleine, zu welchen Konditionen Leistungen erbracht werden. Sondern einerseits sagt die mächtige Ärztekammer der Sozialversicherung, was diese zu tun und zu lassen hat, andererseits hat die Bundesregierung, trotz der recht weitreichenden Selbstverwaltung der ÖGK, in den vergangenen Jahren immer mehr Finanzierungsverantwortung übernommen. Dazu kommt, dass insbesondere die Länder, aber auch die Gemeinden sowohl im stationären wie im ambulanten Bereich über Kompetenzen verfügen. So kommt den Ländern etwa die Planungskompetenz für die öffentlich versorgungswirksamen Krankenanstalten zu. Diese zersplitterten Kompetenzen zeigen sich etwa daran, welche Stelle in Österreich Ausgaben für die Gesundheit tätigt. Durch die hybride Finanzierung kommt hier der Sozialversicherung (39,4 Prozent) eine wichtige Rolle zu, doch auch Bund, Länder und Gemeinden müssen Ausgaben für die Gesundheit tätigen. 

Diese Situation führt immer wieder zu gegenseitigen Blockaden und der Situation, dass diejenigen, die zahlen, nicht immer die sind, die bestimmen. Schon 2017 kritisierte der Rechnungshof die „zersplitterte Kompetenzlage“ im österreichischen Gesundheitssystem, die dafür sorgt, dass Ausgaben-, Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung auseinanderfallen, und forderte eine bundesweit einheitliche und gemeinsame Finanzierung. Ein erstes – und sehr einfaches – Mittel wäre, die Ausgabenobergrenzen im Rahmen der „Staatsverträge“ zwischen Bund und Ländern (Artikel-15a-Vereinbarungen genannt) wieder in Richtung eines Vorkrisenpfads zu senken. Ideal wäre natürlich eine völlige Entflechtung und Neuregelung der Kompetenzen zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und Selbstverwaltung. Das könnte die Bundesgesetzgebung kraft ihrer Kompetenz-Kompetenz. 

Kurzfristig sparen, langfristig reformieren 

Dass Österreich insgesamt sparen muss, war auch schon vor dem jüngst präsentierten Budget bekannt. So nimmt sich die Bundesregierung vor, durch Strukturreformen im Gesundheitsbereich bis zum Ende der Legislaturperiode rund 900 Millionen Euro pro Jahr einzusparen. Auch an anderen Schrauben wird gedreht. So werden etwa die Krankenversicherungsbeiträge für Pensionist:innen mit 1. Juni 2026 auf 6 Prozent erhöht, was der ÖGK deutliche Mehreinnahmen beschert. Zugleich hat die ÖGK aber angekündigt, ihrerseits jährlich rund 200 Millionen Euro durch Konsolidierungsmaßnahmen einzusparen.

Die notwendigen kurzfristigen Schritte zur Konsolidierung sind aber nur der erste Schritt. Die Regierung hat sich in ihrem Regierungsprogramm mehrere Reformen vorgenommen: Das beginnt beim Ausbau von Primärversorgungszentren, geht über Digitalisierung bis hin zum Fokus auf Prävention. Zu diesem Zweck soll es ab 2026 einen Gesundheitsreform-Fonds geben, der mit etwa 500 Millionen Euro dotiert wird (das Geld fließt in Folge der KV-Erhöhung). Die Mittel aus diesem Fonds sollen nicht für das „Business as usual“ aufgebraucht werden, sondern dazu dienen, die Gesundheitsversorgung zu verbessern, die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben und Maßnahmen finanzieren, die die Effizienz des Gesundheitssystems insgesamt verbessern. Wer sich an empfohlene Behandlungswege hält, könnte in Zukunft auch belohnt werden. Außerdem sollen mehr Angebote per Telemedizin entstehen, die Geldflüsse im System besser abgestimmt und Spitalsstrukturen überarbeitet werden. Erste Einsparungen werden ab 2026 erwartet, bis 2029 könnten dadurch rund 900 Millionen Euro für den Staat eingespart werden.  

Das können wir besser 

Doch kommen wir zurück auf den Streit zwischen ÖGK und Ärztekammer. Wer hat nun recht? Beide, aber nicht vollständig. Denn ja, die Gesundheitskasse gibt eindeutig zu viel Geld für Verwaltung aus. Die von Schwarz-Blau versprochene „Patientenmilliarde“ gab es nie. Ganz im Gegenteil kam es durch die Kassenzusammenlegung sogar zu Mehrkosten. Und trotzdem sind weder die Leistungen der Sozialversicherung noch die ärztlichen Honorare in den Bundesländern einheitlich. Zugleich ist es aber richtig, dass die Kasse demografisch bedingt steigende Ausgaben abdecken muss. Die Lösung sollte aber natürlich nicht sein, dass Menschen wichtige Gesundheitsleistungen nicht mehr bekommen. Sehr sinnvoll wären hingegen alle Maßnahmen, die für mehr Effizienz sorgen, etwa eine zentrale Erfassung aller Befunde in ELGA, sodass behandelnde Ärzt:innen sofort erkennen können, wann welche Untersuchung durchgeführt wurde und welche Messwerte dabei herausgekommen sind. Denn unnötige Mehrfachuntersuchungen sind in Österreich weit verbreitet, und sie verursachen Kosten, ohne die medizinische Versorgungsqualität zu verbessern. 

Im Jahr 2025 ist es wirklich nicht zeitgemäß, wenn Patient:innen noch mit ihren Original-Röntgenbildern von einer Praxis in die nächste gehen. Eine McKinsey-Studie aus dem Jahr 2021 zeigte, dass allein durch eine konsequente und durchdachte Digitalisierung des Gesundheitssystems jährlich 4,7 Milliarden Euro eingespart werden könnten. Nicht nur bei gleicher Leistung, sondern bei besserer! Das sollte das Ziel sein, auf das die Gesundheitspolitik gemeinsam hinarbeiten sollte. Denn Österreich hat entgegen den landläufigen Behauptungen nicht das beste Gesundheitssystem der Welt, sehr wohl aber das drittteuerste der EU; und das bei nur leicht überdurchschnittlichen Leistungen. Das können wir besser.

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