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Worum es bei den „Beamten“-Verhandlungen geht

Die Lohnverhandlungen 2025 halten mehrere Premieren bereit. Der schnellstmögliche Deal bei den Metaller-Verhandlungen und die Neuverhandlung einer bereits vereinbarten Erhöhung im öffentlichen Dienst zeigen, dass es heuer um mehr geht als sonst üblich. Die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen steht auf dem Spiel, aber nicht nur beim Bund, sondern auch darüber hinaus.

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Es gibt sie auch in modernen Gesellschaften: die gelebten Rituale, die ausschließlich den Gesetzen von Traditionen zu folgen scheinen. Zu ihnen gehören in Österreich auch die Kollektivvertragsverhandlungen als zentrale Aufgabe der viel beschworenen Sozialpartnerschaft. Zum Ablauf dieses Rituals gehört normalerweise das „Außerstreitstellen“ der Inflationsrate genauso wie ein erstes Angebot, das empört zurückgewiesen wird, ehe in mehreren – natürlich nächtlichen – Verhandlungsrunden endlich eine Einigung erzielt werden kann. Ob „Kampfmaßnahmen“ Teil der Verhandlungen sind, wird in Österreich lange vorbereitet, und die beschlossenen Streiks übersteigen, anders als in Ländern wie Frankreich, nie ein gewisses Ausmaß. Dem durchschnittlich einem Streiktag pro 1.000 Arbeitnehmer:innen und Jahr in Österreich stehen rund 100-mal so viele in Belgien oder Frankreich gegenüber (Daten via SPIK). 

Heuer werden aber auch die gelernten Rituale in Österreich durcheinandergewirbelt. Dass sich die Metaller bei ihrem ersten Treffen auf eine Anpassung deutlich unter der Inflation geeinigt haben – dafür aber garniert mit nicht dauerhaft wirksamen Einmalzahlungen – ist etwa historisch ungewöhnlich. Doch zugleich war dieser Abschluss lange vorbereitet, wie auch das vor einigen Wochen geführte Interview mit Gewerkschafter Reinhold Binder zeigte.

Was eigentlich verhandelt wird

Kommen wir zur anderen Premiere. Die Bundesregierung und die Gewerkschaften für den öffentlichen Dienst verhandeln nun über etwas, was Ex-Minister Werner Kogler ohne Rücksicht auf das Budget bereits vor einem Jahr zugesagt hat: eine Anpassung von 0,3 Prozentpunkten über der rollierenden Inflation für den Beamtenabschluss.

Erstmals wird also ein bestehendes Paktum aufgeschnürt. Aber worum genau geht es bei den Verhandlungen, die oft nur als „Beamten“-Verhandlungen bezeichnet werden? Die Bundesregierung verhandelt dabei nur einen Teil von dem, was man gerne den Staatsapparat nennt. Zum „Sektor Staat“ zählen rund 800.000 Beschäftigte. Dazu zählen aber auch Länder, Gemeinden, die Sozialversicherung oder 400 Institutionen, die zum Staat gezählt werden. Konkret beim Bund sind rund 136.000 „VBÄ“ beschäftigt, also Vollbeschäftigtenäquivalente. Deren Anpassungen werden nun verhandelt.

Wer sind die „Beamten“?

Doch auch für diese Gruppe ist das Schlagwort „Beamten“-Verhandlung nicht immer zielführend. In einigen Bereichen der öffentlichen Hand ist der Anteil der „Beamten“ an den Beschäftigten längst gering, etwa bei den Lehrpersonen. Hier ist der Beamten-Anteil weniger als sieben Prozent, der überwiegende Teil sind Vertragsbedienstete. Ganz anders bei der Polizei oder im Bundesheer. Hier sind zwischen 90 und 98 Prozent Beamte (siehe Personal des Bundes).

Hohe Belastung für das Budget

Doch was kostet jedes Prozent Abschluss? Zuletzt hat der Bund einen Personalaufwand von rund 20 Milliarden Euro gehabt. Jedes Zehntel Prozent Inflationsabgeltung kostet das Budget daher rund 20 Millionen Euro. Bei den aktuell eingestellten 0,3 Prozentpunkten über der rollierenden Inflation kostet der Beamtenabschluss pro Jahr rund 650 Millionen Euro.

Für den prekären Staatshaushalt wäre das durchaus eine hohe und dauerhafte Belastung. Die Bundesregierung hat daher in den Jahren 2027 und 2028 Nullohnrunden für den öffentlichen Dienst eingestellt und an die EU-Kommission im Rahmen der Budgetmeldung geschickt. Diese Maßnahme sollte die teils deutlich gestiegenen Kosten der vergangenen Jahre dämpfen helfen. Tatsächlich ist der Personalaufwand des Staats in Relation zur Wirtschaftsleistung zuletzt auf einen historisch hohen Stand gestiegen.

Länder und Gemeinden

Ein hoher Abschluss 2026 würde die Personalausgaben in Prozent des BIP wohl über 12 Prozent steigen lassen – nicht zuletzt wegen der immer noch schwachen Wirtschaftsentwicklung.

Doch wer sich die Grafik ansieht, erkennt auch, dass es gar nicht alleine die Ausgabensteigerungen des Bundes waren, die zu den historisch hohen Personalkosten des Staates geführt haben. Es waren insbesondere die Ausgabensteigerungen der Länder und Gemeinden. Der Sprung bei den Personalkosten seit 2019 von 41,9 auf 55,5 Milliarden Euro 2024 wird vor allem von Ländern (+36,3%) und Gemeinden (+36,5%) getrieben.

Diese Dynamik erklärt, warum die Gehaltsrunde kein isoliertes „Bundes-Thema“ ist: Jeder eingesparte Prozentpunkt wirkt über viele Ebenen hinweg – wenn Länder und Gemeinden wie ritualisiert üblich den Bundesabschluss nachvollziehen. Und jeder eingesparte Prozentpunkt wirkt dauerhaft. Jedes Zehntelprozent ist dann nicht nur 20, sondern sogar 50 Millionen Euro wert. Wer hier also nachverhandelt, schützt die budgetären Spielräume in der gesamten Republik. Unter der Annahme, dass zumindest ein Ritual – dass Länder und Gemeinden den Abschluss des öffentlichen Dienstes im Bund parallel nachahmen – bei den heurigen Lohnverhandlungen noch Gültigkeit hat.

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