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Die Wirtschaftskriegserklärung

Lukas Sustala
Lukas Sustala

Wenn Sanktionen jemals das Wort „Wirtschaftskrieg“ verdient haben, dann sind es die am Wochenende beschlossenen Maßnahmen gegen Russland. Der Rauswurf aus SWIFT und Sanktionen gegen die Zentralbank haben den Preis, den Russland für die Invasion zahlt, um hunderte Milliarden Dollar in die Höhe getrieben. 

Von Lukas Sustala

Photo by Markus Spiske on Unsplash

Am 24. Februar hat Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine gestartet. Am Wochenende vom 26. Februar haben die westlichen Staaten, angeführt von den USA und der EU, ein umfangreiches Sanktionspaket beschlossen, ja einen „Wirtschaftskrieg“ erklärt. Das Sanktionspaket sieht ziemlich genau so aus, wie bei den Optionen im NEOS Lab Blog am 25. Februar hier beschrieben. Und es werden tatsächlich alle Register gezogen: 

  • Ausschluss russischer Banken aus dem Zahlungskommunikationsnetzwerk SWIFT
  • Sanktionen gegen die Zentralbank (Central Bank of Russia, CBR)
  • Weitere Sanktionen gegen Oligarchen und ihre Vermögenswerte

Eine wichtige Anmerkung vorab, um keine Zweifel aufkommen zu lassen. 

  1. Wirtschaftssanktionen sind niemals eine „nukleare Option“. Nichts ist so kriegerisch wie der Krieg, selbst wenn weitreichende Sanktionen darauf abzielen, der Wirtschaft eines Landes zu schaden.
  2. ABER: Die nun beschlossenen Sanktionen sind in dieser Geschwindigkeit und Schärfe sehr weitreichend. Das sind wahrlich effektive Wirtschaftssanktionen, die sehr nahe an jenen „Wirtschaftskrieg“ heranreichen, der von einigen Politikerinnen und Politikern schon früh gefordert waren. Sie sind auch so weitreichend wie sonst nur gegen Regime wie den Iran oder Venezuela. Noch nie wurde eine Zentralbank eines G20-Landes mit Sanktionen belegt (FT.com).

Wenn nun am Montag, dem 28.2.2022, die russischen Banken ihre Tore öffnen, wird das der erste Tag einer dramatischen Währungskrise sein. Erste Anzeichen für einen Bank-Run haben sich bereits in den vergangenen Tagen angedeutet, Fotos zu langen Schlangen vor Bankomaten in Shoppingcentern machten die Runde. Dabei spielt die Abkapselung Russlands aus SWIFT, einem Interbank-Kommunikationsnetzwerk, also eine Art Finanz-Messenger, gar nicht die allergrößte Rolle. Diese wird zwar Transaktionen verteuern und in einigen Bereichen auch verunmöglichen. 

Wenn rund 400 Mrd. Dollar plötzlich weg sind

Aber besonders destabilisierend wirkt, dass die Zentralbank direkt mit Sanktionen belegt sein wird und ein Großteil der Währungsreserven, immerhin rund 630 Milliarden Dollar, quasi konfisziert sind. Wie das geht? Nun, Zentralbanken wie die russische halten auf dem Papier vielleicht enorme Summen an Geld, die meist durch Außenhandelsüberschüsse "angespart" wurde, aber dieses Geld sitzt oft nur in Form von digitalen Einträgen bei anderen Notenbanken (und nicht in Form von Papiergeld oder Aktien und anderen Wertpapieren auf einem Depot). Es ist also ein leichtes, mit einer Sanktion den Zugang zu diesem Geld einzufrieren. Auf dem Papier hat die russische Zentralbank immer noch enorme Vermögenswerte, aber sie kann damit nichts mehr anfangen. Sie kommt nicht an die dringend benötigten Dollar oder Euro.

Anders gesagt: Der Einmarsch in die Ukraine ist für Russland mit diesem Wochenende um zumindest 400 Mrd. Dollar teurer geworden. Denn soviel wird konkret bei den Konten von deutschen, österreichischen, US-amerikanischen oder britischen Notenbanken gehalten. 

Ein Analyst hat es sehr treffend zusammengefasst: Russia will be left with little Western cash, unsaleable gold and Chinese bonds. (The Hill) Putins Machtapparat ging in das Wochenende mit einer vermeintlich gut gefüllten Kriegskasse in der Zentralbank von mehr als 630 Mrd. Dollar und startet die nächste Woche mit einem Bruchteil davon. Die Sanktionen entwerten aber auch das Gold schmerzlich für Russland. Weil so schnell können Putin und seine Zentralbank das Gold nicht in die benötigten Devisen tauschen, wenn es etwa gilt, Industriegüter oder andere Importe zu bezahlen.

Viele Milliarden Russlands auch in Österreich

In der Realität werden die Folgen gravierend sein, weil es nicht um irgendwelche digital gebuchten Milliarden geht. Die russische Wirtschaft braucht dringend Devisen, um Güter aller Art aus dem Ausland zu beziehen, und auch den Krieg zu finanzieren. Doch die Sanktionen führen dazu, dass auch weniger Devisen hineinkommen. Das wird Unternehmen oder Konsumenten, die weiter Güter aus dem Ausland brauchen, in Not bringen. Und auch die Banken, weil natürlich (Kommerz-)Kunden nun händeringend versuchen werden, an Dollar zu kommen. Erste Berichte am Wochenende zeigten, dass einzelne Banken bereits deutlich mehr Rubel pro Dollar zahlen, sich also ein Währungsabsturz abzeichnet. Wie sehr sich dieser in einer weiteren Eskalation in eine wirkliche finanzielle Panik ausweitet, ist – wie Adam Tooze in seinem lesenswerten Newsletter schreibt – aktuell die große Frage. Das könnte dazu führen, dass Russland seinen Bürgern verbietet, Rubel in Dollar zu wechseln. 

Angesichts der Dramatik und der weitreichenden Sanktionen muss man allerdings ein grenzenloser Optimist sein, um nicht mit deutlichen Verwerfungen auf den russischen Märkten zu rechnen. “I have great confidence the effects of these measures will be felt immediately in Russian financial markets,” a senior US official said. “Market participants understand that without Russia having the ability to defend its currency, it will go into freefall.” (Gift-Link FT.com

Auch wenn es oft heißt angekündigte Katastrophen fänden nie statt. Diese ist angekündigt. Und sie findet statt. 

Weitere Maßnahmen möglich? 

Der Ökonom Luis Garicano hat eine Präsentation erstellt (für die Renew Group in Europa), die die unterschiedlichen Werkzeuge im Sanktionsarsenal bewertet. 

Er bezeichnet die Konsequenzen der Sanktionen auf die russische Zentralbank als besonders wirksam: eliminates buffer, precipitates financial crisis, schreibt er. Die Finanzsanktionen werden in Russland eine Finanzkrise auslösen, soviel ist sicher. Weitere Maßnahmen werden noch für einige Oligarchen folgen, während europäische Regierungen (noch) darauf hoffen, dass durch die Ausnahme für Energielieferungen kein Gas-Import-Stopp passiert. Allerdings ist dieser Gas-Import-Stopp mit der Eskalation der vergangenen Tage durch die Invasion Russlands sehr wahrscheinlich geworden. 

Was Garicano allerdings auch noch thematisiert (und was nach aktuellem Stand noch nicht weiter verschärft wurde) sind spezielle Sanktionen gegen Oligarchen und ihre ausländischen Vermögenswerte (außer Wladimir Putin und Sergey Lavrow). Die britische Regierung hat hierzu schon Verschärfungen angekündigt. Sie werden den Preis der Invasion für Russland noch weiter in die Höhe treiben. 

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