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Pride Parade: Still im Auftakt, laut in der Forderung

Silvia Nadjivan
Silvia Nadjivan

Die diesjährige Pride Parade in Wien stand unter dem Eindruck des Amoklaufs in Graz. Der Auftakt war still und dem Gedenken an die Opfer und deren Angehörige gewidmet. Die Forderung nach Gleichberechtigung war umso lauter.

Dem alljährlichen Protestzug auf der Wiener Ringstraße schlossen sich heuer am 14. Juni an die 300.000 Menschen aus dem In- und Ausland an, um den ansonsten stark befahrenen Ring andersrum zu beschreiten und so ein starkes Zeichen zu setzen. Demonstriert wurde für die längst überfälligen Schutzmaßnahmen vor Diskriminierung der LGBTIQ+-Community, aber auch gegen neue menschenfeindliche Entwicklungen im Kontext erstarkender Nationalismen und Autoritarismen. Das alles fordert größeren Zusammenhalt, denn der Ton ist zweifellos rauer geworden.

Noch viel zu tun

Nachdem die weltweiten Regenbogenparaden in den New Yorker Straßenprotesten 1969 ihren Ursprung fanden und sich seit Anfang der 1990er Jahre, also seit dem Fall des Eisernen Vorhangs, in ganz Europa ausbreiteten, reicht die Tradition der Wiener Regenbogenparade bis zum Jahr 1996 zurück. Bisher sind zwar viele, aber längst noch nicht alle zentralen Forderungen nach Gleichberechtigung erfüllt worden. Es gibt noch immer Fälle von Ungleichbehandlung und Benachteiligung im Privat- und Wohnungsbereich wie auch am Arbeitsplatz. Neu hinzu gekommen sind Hassverbrechen in ungeheuerlichem Ausmaß, die zuletzt die Frage nach der Verantwortlichkeit von sozialen Plattformen aufgeworfen haben. Abgesehen davon wurde bis zur letzten Bundesregierung kein gesetzliches Verbot der Konversionstherapie beschlossen, obwohl sich die Parlamentsparteien auch letztes Jahr darüber verständigt hatten. Das soll sich ändern, denn im aktuellen Regierungsprogramm der ÖVP-SPÖ-NEOS-Koalition steht das geplante Verbot dezidiert festgeschrieben. Darin ist auch ein eigenes Kapitel dem Schutz der LGBTIQ+-Community in Österreich gewidmet, wofür ein eigenes Maßnahmenpaket geschnürt wurde.

Wichtiges Zeichen für Gleichberechtigung 

Dass die Pride Parade trotz bisheriger Meilensteine (wie u.a. gleichgeschlechtliche Eheschließungen) als Protestkundgebung notwendig ist, verdeutlichen die jüngsten besorgniserregenden Entwicklungen in Europa und weltweit. In Polen und Rumänien gab es Anfang dieses Monats rechtsextreme Gegenparaden zu den Pride-Paraden. In Ungarn hat der autokratische Regierungschef Viktor Orbán angekündigt, die Pride Parade in Budapest verbieten zu wollen, was ein klarer Verstoß gegen geltendes EU-Recht wäre und zweifellos das nächste Artikel-7-Verfahren ausgelöst hätte.

Als klugen Schachzug kann man daher das kürzliche Vorgehen des liberaldemokratischen Budapester Bürgermeisters Gergely Karácsony werten. Mit dem Hinweis, dass die geplante Pride Parade eine „städtische Veranstaltung“ sei und folglich keine offizielle Genehmigung der ungarischen Regierung bräuchte, lud er feierlich zur nächsten Regenbogenparade am 28. Juni 2025 in Budapest ein. Daraufhin haben bereits einige EU-Parlamentarier:innen ihren Besuch angekündigt. Abgesehen von derartigen Lichtblicken ist der Kampf um Menschen- und Grundrechte insgesamt schwieriger geworden.

Im geopolitischen Machtgefüge

Mit den ernüchternden Wahlergebnissen im Superwahljahr 2024 hat sich die Welt verstärkt in Richtung Autoritarismus und Autokratie bewegt. Die größte Veränderung weisen die USA unter Trump 2.0 auf. Dort werden Rechtsstaatlichkeit und verfassungsmäßig garantierte Grundrechte sukzessive ausgehöhlt wie auch die Black-Lives-Matter-Bewegung mit Füßen getreten, während blanke Militärgewalt gegen friedliche Proteste der liberaldemokratischen Opposition aufgefahren wird. So befürchten manche renommierte Wissenschafter:innen ein Zusteuern auf bürgerkriegsähnliche Zustände. Noch dazu scheint „King“ Trump eine neue antidemokratische Weltordnung schaffen zu wollen, aufgeteilt in globale Einflusssphären zwischen den USA, Russland und China. Was dabei und in der alltäglichen autokratischen Hetze und dem absichtlichen Hochhalten von gesellschaftlichen Spannungen – alles bewusste Ablenkungsmanöver – unterzugehen droht, sind eben mühsam erworbene Grundrechte. Mit antidemokratischen und vor allem rechtspopulistischen Vasallen können sich globale Autokraten ihren Einfluss in Europa erschleichen. Dagegen gilt es Widerstand zu leisten.

Keine Toleranz den Intoleranten

Konnte man seit Beginn der 1990er Jahre europaweit queere Kultur in Straßenparaden feiern und die Regenbogenparade seit 1996 in Wien frei und friedlich besuchen, so erlebt man heute einen beängstigenden Backlash. Was noch vor wenigen Jahren selbstverständlich erschien, muss wieder zurückgefordert werden, diesmal mit noch lauterer Stimme. Geht es doch darum, sich von rechtspopulistischen und antidemokratischen Kräften auch in Österreich längst etablierte Menschenrechte, also damit Frauenrechte, wie eben das Abtreibungsrecht, nicht wegnehmen zu lassen und LGBTIQ+-Rechte weiter auszubauen. Die Pride Parade und der Pride Month stehen heuer besonders im Zeichen des Widerstands gegen Diskriminierung, Menschenfeindlichkeit und Hassverbrechen.

„Loud and proud“

Ganz im Popper’schen Sinn geht es um nichts weniger als die Verteidigung der freien Gesellschaft, und das unter dem ebenfalls vielzitierten, hier leicht variierten queeren Motto: I say it loud, I am queer and I am proud. Dabei sollen die Regenbogenfarben nicht nur im Pride Month Juni überall sichtbar sein, sondern das gesamte Jahr lang leuchtend erstrahlen. Wie für die liberale Demokratie ist das ein ständiger Einsatz, der mit Ende Juni nicht aufhört, sondern tagtäglich fest entschlossen weitergeht.

(Bild: Firefly AI)

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