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Ein Jahr Ukraine-Krieg: Eine Zeitenwende für Europa

Silvia Nadjivan
Silvia Nadjivan

Ein Jahr nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine ist die Sicherheitspolitik in Europa von einem Neben- zum Hauptthema geworden. Europa erlebt einen imperialistischen Krieg wie in Zeiten des „langen 19. Jahrhunderts“ und muss sich plötzlich aktuell neue Fragen stellen: über militärische Ressourcen, eine gemeinsame Rüstungspolitik sowie darüber, welche Rolle neutrale Staaten in der GSVP spielen.

Gemeinsame Perspektiven notwendig 

Ohne gemeinsame, langfristige Perspektiven wird Europa dazu verdammt sein, die eigene Sicherheitspolitik immer aus der Defensive statt aus einer Position der Stärke und langfristigen Planung zu setzen. In diesem Sinn müsste eine solche Strategie auf unterschiedliche Entwicklungsszenarien zum laufenden Krieg vorbereitet sein. Derartige Szenarien könnten vom Sieg einer der beiden Kriegsparteien, über einen Frozen Conflict bis hin zu einer Eskalation des Krieges auf ganz Europa oder sogar bis zu einem möglichen Nuklearkrieg reichen.

Bisherige Daten zum katastrophalen Ausmaß unzureichend 

International lässt sich das katastrophale Ausmaß an Zerstörung von Infrastruktur und Gebäuden sowie an Vertreibung, Flucht und Tod der Zivilbevölkerung und nicht zuletzt an aufgewendeten Militärausgaben und Kriegsmaterial meist erahnen. Bis Dezember 2022 flohen laut UNHCR 15,8 Millionen Menschen vor dem Krieg Russlands gegen die Ukraine, während nach Angaben der Europäischen Kommission seitens der EU fast 10 Milliarden Euro für wirtschaftliche, soziale und humanitäre Hilfe, weitere 2,5 Milliarden Euro für militärische Hilfe und noch zusätzlich 435 Millionen Euro aus dem Budget des Union Civil Protection Mechanism aufgewendet wurden.

Eine Art Weltkrieg 

Da sie noch laufend steigen, können derartige Zahlen nur einen ersten Eindruck zum bisherigen und noch zu erwartenden Ausmaß bieten. Fest steht, dass dieser Krieg durch seine globalen Auswirkungen auf Wirtschaft, Energie- und Nahrungsmittelsicherheit bis in Regionen des globalen Südens eine Art Weltkrieg darstellt. Ganz im Gegensatz zu den Jugoslawienkriegen der 1990er Jahre. Diese stellten nach 1945 einen ersten, fast zehnjährigen Krieg in Europa dar, der – wie damals noch viele hofften – unter dem Friedensprojekt Europa der einzige Krieg mit unzähligen Opfern sowie Kriegsverbrechen bleiben sollte. Diese Hoffnung ist seit dem 24. Februar 2022 enttäuscht, denn die Kriegshandlungen in der Ukraine bzw. Putins Propagandamaschinerie heizen autokratische, nationalistisch legitimierte Stimmungen am Westbalkan an. Und das im ewigen Warteraum der EU-Erweiterung.

Neue europäische Sicherheitspolitik 

Inzwischen hat die neu eröffnete Beitrittsperspektive für die Ukraine, die Republik Moldau und Georgien auch dem seit Jahren stockenden Erweiterungsprozess der Westbalkanstaaten neuen Schwung verliehen. Mit der Gleichzeitigkeit von Krieg, Geopolitik, EU-Integration und multiplen Krisen befindet sich Europa in der komplexesten Situation seit dem Kalten Krieg, allerdings ohne entsprechende militärische Ausrüstung bzw. politische Kapazität. Die NATO fungiert zwar als klares Rückgrat der europäischen Verteidigungsarchitektur gegenüber Russland, auch für jene Länder, die keine NATO-Mitglieder sind und trotzdem von dieser Allianz profitieren. Wie lange dieser Zustand noch anhalten kann, bleibt allerdings unklar, insbesondere mit Blick auf globale Mächteverschiebungen bzw. die sich zuspitzenden geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China. Eine neue, vor allem gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik erscheint notwendiger denn je. Drei Ziele gilt es aus heutiger Sicht zu erreichen:

  1. ein sicherheitspolitisches Gleichgewicht zu schaffen, in dem eine Eskalation mit Russland vermieden wird,
  2. den Krieg in der Ukraine nicht nur als einen Krieg um die Ukraine zu sehen, sondern das Bewusstsein für dessen Auswirkungen auf die Sicherheit in Europa, weiters auf liberale Werte und schließlich auf die liberale Demokratie zu schärfen,
  3. ein nachhaltiges Sicherheitsumfeld zu etablieren, um im gemeinsamen Europa durch Integration und Erweiterung letztlich anzukommen wie auch das Friedensprojekt Europa langfristig zu vollenden.

Unsere Veranstaltung zu 1 Jahr Ukraine-Krieg: Let’s Talk@Lunch mit Prof. Heinz Gärtner

Das NEOS Lab lädt am 24. Februar 2023 zu einem Let‘s Talk@Lunch mit dem Politikwissenschaftler Prof. Heinz Gärtner ein:

  • Datum: 24.2.2023, 12.30 Uhr
  • Ort: NEOS Lab, Neubaugasse 64–66, 1070 Wien
  • Programm:
    • 12.00  Einlass
    • 12.30 Beginn des Lunchtalks mit Univ.-Prof. i.R. Heinz Gärtner (Österreichisches Institut für Internationale Politik, OIIP). Moderation: Lukas Sustala (Direktor, NEOS Lab)
    • 14.00 Ende der Veranstaltung
  • Für Getränke und Verpflegung ist gesorgt.

Wir wollen vor allem den Fragen nachgehen: Vor welchen Herausforderungen steht die EU aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine?  Welche Anforderungen stellen sich an die europäische Sicherheitspolitik? Welche Szenarien sind nach einem Jahr Krieg realistisch? Wie immer bei einem Lunch-Talk im NEOS Lab gilt: Bringt eure Fragen mit. Wir freuen uns auf euch!

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