Die Lehrpläne der Schulen sind veraltet. Das erkannte - spät, aber doch - auch der letzte Bildungsminister Heinz Faßmann. Als Reaktion wurde ein Prozess gestartet, um die Lehrpläne der Schulen grundsätzlich zu erneuern. Die Präsentation einer der größten Lehrplanreformen der 2. Republik wurde für den Herbst 2021 angekündigt. Als der Herbst ohne große Ankündigungen verstrich, hörte man von einer Verschiebung auf den Jänner und später auf den März 2022. Doch seitdem der neue Bildungsminister Martin Polaschek am Ruder ist, ist es sehr still um eine Reform geworden. Aus dem Umfeld des Ministeriums ist zu hören, dass auch intern Ratlosigkeit über den weiteren Prozess herrscht. Dass das Bildungssystem einen großen Reformwurf dringend benötigt, zeigen nicht nur ein negativer Trend bei PISA, sondern auch zunehmende Probleme am Arbeitsmarkt. Wo genau liegt aber das Problem der aktuellen Lehrpläne?
Der derzeitige Fokus liegt auf einem Pauken von Schulstoff, wobei wichtige Kompetenzen des 21. Jahrhunderts sträflich vergessen werden. Einerseits kommen einerseits Skills wie kritisches Denken, Problemerkennen und -lösen zu kurz. Andererseits werden die digitale Bildung, Wirtschafts- und Finanzbildung, politische Bildung und - die immer wichtiger werdende - gesundheitspsychologische Bildung noch immer zu oberflächlich gelehrt. Die Folgen sind weitreichender, als so mancher denken mag.
Denn es liegt auf der Hand, dass im digitalen Zeitalter digitale Fähigkeiten, in einer globalen Welt Finanz- und Wirtschaftskompetenzen, in einer Demokratie politisches Bewusstsein und für ein gesundes Leben gesundheitspsychologisches Grundwissen benötigt werden. Ohne diese Kompetenzen wird es in Zukunft schwierig werden, den Alltag als mündige_r Bürger_in gestalten zu können. Ein Fehlen dieser Fähigkeiten hat aber noch weitreichendere Folgen, besonders mit Blick auf den österreichischen Wirtschaftsstandort.
Denn nicht erst seit den letzten Monaten suchen Unternehmen händeringend nach Menschen mit genau jenen Fähigkeiten. Besonders im Bereich der IT müssen sich viele österreichische Unternehmer_innen über die Grenzen des europäischen Binnenmarktes hinaus nach Fachkräften umsehen, wobei ein kompliziertes Visaverfahren hier noch ein zusätzlicher Hemmschuh ist. 2020 hatten es 74% der Unternehmen, die nach IKT-Spezialist_innen suchten, schwer, überhaupt jemanden einstellen zu können. Das ist nicht nur im EU-Vergleich eine erschreckend hohe Zahl, sondern auch eine gravierende Steigerung seit 2012, wie Abbildung 1 zeigt. Dabei ist der Druck auf Unternehmer_innen insgesamt am Arbeitsmarkt sehr hoch: Mit über 170.000 offenen Stellen im 4. Quartal 2021 wurde ein neuer Rekord am Arbeitsmarkt verzeichnet, gleichzeitig waren jedoch fast 300.000 Arbeitslose zu vermelden. Hier scheint es immer öfter einen Mismatch zwischen Arbeitssuchenden and Anbietern zu geben.