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Licht und Schatten beim Amtsgeheimnis

955 Tage hat es nach dem Begutachtungsentwurf gedauert, jetzt hat die Koalition eine Regierungsvorlage zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses vorgelegt. Was soll nach diesen Plänen besser werden, wo lauern Gefahren, und wo bleibt die Einigung hinter den Erwartungen und den eigenen Ansprüchen zurück?

Die nüchterne Feststellung zu Beginn: Aus fachlicher Sicht gibt es für die Ankündigung eines Paradigmenwechsels oder gar einer „Revolution“ keine Grundlage. Schon heute gilt in Österreich trotz der Amtsverschwiegenheit ein weitreichendes, verfassungsrechtlich abgesichertes Auskunftsrecht. Die Praxis des Verfassungsgerichtshofs, und für Medien und NGOs auch des EGMR, haben für eine deutliche Ausweitung dieses Rechts gesorgt. Dieser Umfang wird durch die aktuelle Vorlage nicht verändert, wie das Forum Informationsfreiheit schon bei der Begutachtungsfassung feststellen musste – und selbst der zuständigen Ministerin fällt kein Beispiel ein, das nach ihrem Vorschlag anders entschieden werden sollte als heute.

Was sich aber ändert, sind die Vorzeichen: Statt Amtsgeheimnis mit Ausnahmen zur Auskunft soll künftig die Informationsfreiheit mit Ausnahmen zur Geheimhaltung gelten. Dieses Signal soll auch für eine geänderte Einstellung in den Amtsstuben sorgen. Eine zentrale, aktive Stelle zur Verschiebung der Verfahrenslast und aktiven Veränderung – der:die Informationsfreiheitsbeauftragte – wird von der Regierung weiterhin rundum abgelehnt. Aber nun zu den Details.

Licht: Aktive Veröffentlichung

Der erste Punkt der Verfassungsänderung, wie schon in anderen Regierungsentwürfen der letzten zehn Jahre, ist die aktive Veröffentlichung. „Informationen von öffentlichem Interesse“ sollen, schon bevor es überhaupt zu Anfragen kommt, von den meisten Behörden selbst veröffentlicht werden. In Verbindung mit einem öffentlichen Register sollten die Daten gut genutzt werden können. Eine Sanktionierung bei fehlenden Veröffentlichungen ist jedoch nicht vorgesehen. Das ist ein Problem, wie der laxe Umgang mit der schon seit Anfang 2023 geltenden Veröffentlichungspflicht für Gutachten und Studien zeigt.

Schatten: Großteil Österreichs im Dunkeln

Ebenjene Regel aus 2023 soll mit der Reform wieder entfallen, wodurch die neu vorgesehene Ausnahme umso schwerer wiegt: Gemeinden bis 5.000 Einwohner:innen sollen aus der „proaktiven Informationspflicht“ (sic!) gänzlich ausgenommen werden. Das betrifft immerhin 87 Prozent der Kommunen (fast zwei Drittel davon ÖVP-regiert). Der Professor für Verwaltungsrecht Peter Bussjäger sieht die etwa 3,44 Millionen Österreicher:innen in diesen Gemeinden ungerechtfertigt diskriminiert. Zwar haben auch sie die Möglichkeit, um Informationen anzusuchen; die Reaktionen hierauf seitens mancher Ortskaiser könnten jedoch unangenehm ausfallen (so wie bei dem wegen Umwidmungsgewinnen in Kritik stehenden Bürgermeister Alfred Riedl, der als Chef des ÖVP-Gemeindebunds das Gesetzespaket noch mit der Regierung verhandelt hatte. Er drohte wegen der Enthüllungen mit Repressionen gegen jene Personen, die schon jetzt öffentlich zugängliche Informationen wie das Grundbuch zu seinem Missfallen nutzten.).

Doch nicht nur die allermeisten Gemeinden sind ausgenommen. Die aktive Veröffentlichungspflicht soll für die Landtage und die milliardenschweren Kammern nicht gelten. Mehr noch: Der gesamten Gesetzgebung gegenüber soll, wie auch bei Rechnungshof und Volksanwaltschaft, kein Rechtsanspruch auf Auskunft mehr bestehen. Dies könnte etwa Journalist:innen betreffen, die zur Ausschussarbeit im Parlament Informationen erlangen wollen. Ein klarer Rückschritt nicht nur gegenüber der Begutachtungsfassung, sondern gegenüber allen Regierungsvorlagen seit 2014.

Licht: Der Blick aufs Original

Ein zentraler Punkt beim Weg zur Informationsfreiheit bleibt in der aktuellen Vorlage hingegen enthalten: Künftig sollen Bürger:innen bei den Verwaltungsbehörden Einblick in Originaldokumente erhalten. Bisher hatten sie nur Recht auf Information über die Inhalte, nur NGOs und Journalist:innen hatten als „public watchdogs“ dank EGMR-Judikatur schon bisher die Möglichkeit, Originale einzusehen.

Und in jedem Fall soll dies deutlich schneller geschehen als bisher. Bisher galten acht Wochen Frist für die Auskunftserteilung. Diese Frist wird auf vier halbiert (darf aber in Ausnahmefällen nochmal um vier Wochen verlängert werden), bei Ablehnung ist schneller ein Bescheid zu erlassen. Dieser Schritt bedeutete bisher erhebliche Verzögerungen. So drängte ein Journalist der Vorarlberger Nachrichten über sechs Monate vergeblich auf Auskunft, bevor er den Fall vor Gericht bringen konnte (und mehr als eineinhalb Jahre später gewann). Zwar werden vier bis acht Wochen, geschweige denn zwei Monate für einen Bescheid und die Dauer eines Verwaltungsgerichtsverfahrens, für Medien weiterhin in den meisten Fällen zu lang sein, die kürzere Frist wäre aber immerhin ein Fortschritt.

Schatten: Hierher und nicht weiter?

Nach über zehn Jahren Kampagnen, Verhandlungen und wiederholten Rückschlägen lässt sich auch in Medien und Zivilgesellschaft eine gewisse Ermüdung erkennen. Löste die Begutachtung noch Kritik wegen Ambitionslosigkeit aus, ist die Reaktion bei der weiter verwässerten Regierungsvorlage fast zurückhaltend. Die Hoffnung auf ein Informationsfreiheitsgesetz, das den Namen verdient, scheint erschöpft; die Bereitschaft, einen minimalen Fortschritt zu nehmen, gestiegen.

Sorge bereitet zivilgesellschaftlichen Akteur:innen das Mitspracherecht der Länder bei den Verfahrensregeln. Diese sollen nunmehr bundeseinheitlich gelten; Allerdings bedarf es dafür bei jeder Änderung künftig der Zustimmung aller neun Landeshauptleute. Da diese nicht gerade als Vorkämpfer für Transparenz bekannt sind, spricht das Forum Informationsfreiheit von einer „Ewigkeitsklausel“. 

Auch darüber hinaus bleiben viele Fragezeichen. So macht ORF-Journalist Martin Thür darauf aufmerksam, dass die Bestimmung, wonach von einer Auskunft betroffene Dritte informiert werden müssen, diese vorzeitig auf Recherchen aufmerksam machen könnten – was journalistische Recherchen gefährden könnte. Die von der Regierung ursprünglich angedachte Dissenting Opinion für den Verfassungsgerichtshof wurde, nachdem dieser sich kritisch äußerte, kommentarlos fallengelassen. Diese Fragen werden ebenso wie die großen Linien noch Thema im Parlament. Denn die notwendige Zweidrittelmehrheit für die Reform ist noch nicht in Sicht, die Gespräche mit der Opposition haben gerade erst begonnen. Und nachdem die Legislaturperiode in knapp einem Jahr schon endet, kann sich die Koalition nicht neuerlich 955 Tage Zeit lassen.

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