Die massiven Sanktionen, die in den vergangenen Tagen gegen Russland wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine verhängt wurden, haben in Erinnerung gerufen, wie stark Österreich von russischem Gas abhängig ist. Rund 80 Prozent des in Österreich verbrauchten Gases kam in den vergangenen Jahren aus dem flächenmäßig größten Staat der Welt.
Das von Wladimir Putin geführte Land ist aber bei weitem nicht das einzige autoritäre Regime, mit dem Österreich wirtschaftlich eng verbunden ist. Das zeigt sich aktuell auch bei der Suche nach Alternativen zu russischem Gas. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) reiste zuletzt gemeinsam mit Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), die sich neuerdings Rohstoffministerin nennt, in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Katar, um Möglichkeiten einer engeren Zusammenarbeit bei Wasserstoff und Flüssiggas (LNG) auszuloten. Dass diese Länder ebenso wenig demokratisch sind wie Russland, sei ihm bewusst, meinte Nehammer: „Aber man muss Realitäten zur Kenntnis nehmen.“ Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck machte sich wenige Tage später mit einer Delegation von Managern auf nach Saudi-Arabien, um dort über Energieprojekte zu verhandeln.
Auch die EU-Kommission ist bei ihrer Suche nach Flüssiggas nicht nur in Demokratien unterwegs. Der Vizepräsident der Kommission, Frans Timmermans, nannte neben den USA ebenfalls Katar sowie Ägypten und Westafrika als mögliche Bezugsquellen. Zusätzliches herkömmliches Gas will er aus Algerien oder Aserbaidschan einkaufen – ebenfalls keine Demokratien.
In dieser Policy Note soll aus Anlass der aktuellen Sanktionskaskade ein näherer Blick auf Wirtschaftsbeziehungen zu Staaten mit geringen demokratischen Standards geworfen werden. Basis für die Clusterung der Handelspartner ist der Demokratieindex, den das britische Magazin Economist jährlich veröffentlicht.
In diesem Index werden 167 Staaten bewertet und in vier Regimetypen eingeteilt: vollständige Demokratien, unvollständige Demokratien, Hybridregime und autoritäre Regime.
Vollständige Demokratien: In diese Kategorie fallen derzeit 21 Staaten. Österreich liegt auf Platz 20. An der Spitze rangiert Norwegen, gefolgt von Neuseeland, Finnland und Schweden. Deutschland liegt auf Platz 15. In „vollständigen Demokratien“ werden nach Economist-Definition nicht nur grundlegende politische und bürgerliche Freiheiten respektiert, sondern die politische Kultur wird auch gestärkt, es gibt eine funktionierende Regierung, unabhängige Medien, ein funktionierendes System von Checks and Balances und auch eine unabhängige Justiz.
Unvollständige Demokratien: In diese Gruppe fallen Länder, in denen es zwar freie und faire Wahlen gibt und bürgerliche Freiheiten respektiert werden, die aber Probleme mit der Regierungsführung haben, eine unterentwickelte politische Kultur oder ein geringes Maß an politischer Beteiligung. Der Economist listet 53 Staaten als „unvollständige Demokratien“, darunter Frankreich, Spanien, Italien und die USA.
Hybride Regime: Sie zeichnen sich durch regelmäßige Wahlbetrügereien aus, durch Regierungen, die die Opposition unter Druck zu setzen versuchen, und weit verbreitete Korruption. Justiz und Medien gelten in diesen Staaten als nicht unabhängig, die Zivilgesellschaft ist schwach. In diese Kategorie fallen 34 Länder, von Bangladesch auf Platz 75 bis Mauretanien auf Platz 108.
Autoritäre Regime: Politischer Pluralismus ist in diesen Ländern entweder nicht vorhanden oder stark eingeschränkt. Es handelt sich um regelrechte Diktaturen, die zwar unter Umständen formelle Institutionen der Demokratie haben, die aber keine große Rolle spielen. Wahlen sind nicht frei, ebenso wenig Medien und Justiz. Bürgerliche Rechte werden häufig missachtet. Zu dieser Gruppe zählen 59 Länder – darunter Russland, China und die Golfstaaten. Die allerletzten Plätze nehmen Nordkorea, Myanmar und Afghanistan ein.
Für die Analyse wurden die Beziehungen Österreichs zu Staaten der Kategorien hybride und autoritäre Regime untersucht. Ausgewertet wurden wechselseitige Investitionen sowie Import- und Exportdaten.