5 Gründe, um 2025 optimistisch zu bleiben
Zugegeben, die Titelzeilen der Zeitungen versprühen derzeit nicht gerade Hoffnung und gute Laune. Doch ob Sie’s glauben oder nicht: Es gibt ein paar Gründe, zuversichtlich ins Jahr 2025 zu schauen.
Information: Wir starten heute, 1. März, für einen Monat eine Konsultation zum Thema psychische Gesundheit. Wir stellen die Frage was sich im Gesundheitswesen ändern muss, damit psychisch Kranke in ihrem Genesungsprozess optimal unterstützt werden. Was eine Konsultation ist, wie du mitmachen kannst und was mit den Ergebnissen passiert, erfährst du HIER.
Gestern war Welttag der seltenen Erkrankungen. Dies ist ein Sammelbegriff, der anhand der Häufigkeit (Prävalenz) definiert wird. Das Gesundheitsministerium definiert seltene Erkrankungen wie folgt:
„Ein Krankheitsbild gilt dann als selten, wenn zu einem beliebig wählbaren Stichtag nicht mehr als fünf von zehntausend Einwohnerinnen und Einwohner in der EU an dieser Krankheit leiden.“
Obwohl jede einzelne Krankheit sehr selten ist, sind in Summe ca. 6-8% der europäischen Gesamtbevölkerung betroffen, in Österreich etwa 500.000 Menschen. Zugang zu Informationen, medizinische Versorgung (bzw. die Entwicklung von Medikamenten) und Möglichkeiten zur Vernetzung sind zentrale Themen, wenn wir über seltene Erkrankungen sprechen. Was es bedeutet mit einer seltenen Erkrankung konfrontiert zu werden bzw. zu leben zeigt ein Artikel des Standard Journalisten Philip Bauer. Bei seiner Tochter wurde kurz nach der Geburt zystische Fibrose, eine angeborene Stoffwechselerkrankung, diagnostiziert. Mehr Informationen über seltene Erkrankungen, sowie Möglichkeiten zur Vernetzung, bietet beispielsweise EURORDIS, eine gemeinnützige Allianz von über 700 Organisationen.
Gleichzeitig bietet sich der heutige Tag auch für eine Gruppe von Erkrankungen an, die nicht selten sind, aber über die wir (in der Öffentlichkeit, am Arbeitsplatz und häufig auch innerhalb des Familien- und Freundeskreises) selten sprechen: psychische Erkrankungen. Laut Studien der OECD sind zu jeder Zeit 20% der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter an einer psychischen Erkrankung erkrankt. Ebenso steigt seit Jahren die Verschreibung von Psychopharmaka , ohne dass dies wirklich gesellschaftlich breit debattiert wird.
Der diese Woche, 27. Februar 2017, im Standard erschienene Artikel zur hohen Suizidgefährdung von Flüchtlingen, eignet sich sehr gut, um sich dem Thema psychische Gesundheit zu widmen. Grundaussage des Artikels ist, dass ca. 50% aller nach Österreich geflüchteten Menschen traumatisiert sind und insbesondere Kinder überproportional häufig von Traumata betroffen sind. Zu Wort kommt auch Elisabeth Klebel, Leiterin eines Psychotherapiezentrums in St.Pölten, die u.a. über posttraumatische Belastungsstörungen spricht und wie eine Psychotherapie hier als Behandlungsmethode helfen kann. Sowohl der Text, als auch die Kommentare zu diesem Artikel zeigen sehr gut, warum wir über psychische Gesundheit bzw. psychische Erkrankungen reden sollten. Anbei ein paar ausgewählte Aspekte:
Eine der zentralsten Themenfelder ist die Gesundheitsversorgung, beispielsweise die Möglichkeit bei einer Erkrankung/Diagnose zu den entsprechenden Fachärzt_innen zu gehen. Im oben verlinkten Artikel des Standard wird beispielsweise darauf hingewiesen, dass derzeit nur ein Teil der Personen, die fachärztliche Dienstleistungen in Anspruch nehmen sollten, dies auch wirklich kann. Die vorhandenen Daten zeigen, dass viele Personen mit psychischen Erkrankungen nicht in fachärztlicher Behandlung sind (Quelle dieser und der folgenden Daten ist dieser OECD Bericht):
Dies ist in Österreich bis zu einem gewissen Grad auch systemisch bedingt, da die Kosten einer Psychotherapie vor allem davon abhängt, ob und in welcher Höhe die Honorarkosten (z.B. von den Krankenkassen) übernommen werden. Einen für ganz Österreich geltenden Rahmenvertrag zur kassenfinanzierten Psychotherapie gibt es nicht. Mit welchen Problemen wir hier konfrontiert sind, wird auch in den Postings des zugehörigen Artikels diskutiert:
„So leid es mir für die Leute tut, und ich würde ihnen die notwendige Behandlung wirklich gönnen, aber psychische Gesundheit und damit verbundene notwendige Behandlungen zählen zu Dingen bei denen viele Österreicher auch kaum leistbaren Zugang haben. Sobald flächendeckender Zugang besteht sollen ihn auch anerkannte Flüchtlinge bekommen, vorher nicht.“
Bei sehr beschränkten Mitteln, insbesondere im Gesundheitssystem, zu entscheiden wer welche Leistungen bekommt, besitzt politische Sprengkraft. Dies wird im konkreten Punkt dadurch verschäft, dass die Versorgung und Integration von geflüchteten Menschen Gemeinden oftmals an ihre Grenzen bringt (wie eine bessere Verteilung Integration und Zusammenleben stärken kann, zeigt folgender Bericht des IW Köln). Gleichzeitig wird in der Diskussion zu dem oben genannten Posting auf einen wichtigen Punkt hingewiesen:
„Diesen Zugang teile ich nicht. Wir haben alle (Fall: Ottakring) gesehen, wie sich ein Krankheitsbild verschlechtern kann. Insbesondere Kinder sollten so rasch als möglich Hilfe bekommen. Anderenfalls werden dies oft chronisch Kranke. Doch wir können sicher sein: Diese Regierung wird kein Geld für psychisch Kranke in die Hand nehmen. 21,80 pro Sitzung sind ein Witz, wenn man für eine Sitzung 120,– bezahlt und dies einmal pro Woche und dann noch für den privaten Facharzt: 150,– bis 200,–. Krankenkassenplätze sind im Februar vergeben.“
Hier wird ein essenzieller Punkt angesprochen. Viele wissenschaftliche Studien zeigen, dass eine gesundheitliche Unterversorgung bzw. eine nicht behandelte Erkrankung, sich zu einer chronischen Erkrankung verschlechtern kann. Ebenso erhöht sich die Komorbidität, also die Wahrscheinlichkeit einer weiteren (physischen oder psychischen) Erkrankung. Komorbidität ist gerade bei schweren psychischen Erkrankungen ein wichtiges Thema. In den USA gibt es hierzu vergleichsweise gutes Datenmaterial. Zwischen 40 und 70% aller Personen die an einer psychischen Störung (Informationen zur Definition hier) erkrankt sind, haben auch physische Gesundheitsprobleme.
An verschiedenen Stellen des Artikels wird auf „Lebenswillen“ bzw. Suizidgedanken hingewiesen (eine Auswahl an Kontaktmöglichkeiten und kostenfreien Telefonnummern für Menschen die in Notfällen und Krisen Hilfe suchen, findet sich hier). Suizid und Selbstverletzung sind keine psychischen gesundheitlichen Probleme selbst, aber Sie sind mit psychischen Nöten verbunden. Wenn es um die Aufarbeitung von traumatischen Erlebnissen geht wird, insbesondere wenn es um (Bürger-)kriegserlebnisse geht, oftmals auf die Nachkriegszeit (1945-) verwiesen. Fallbeispiel:
„Ehrlich gesagt:
Wenn’s nach den Psychoheinis geht, dann hat JEDER irgendeinen Knacks, vom Säugling bis zum Toten!
„Normale“ Menschen gibt’s bei denen gar nicht, sonst wären sie ja arbeitslos. Ich denk, es ist schon bezeichnend, daß es früher keine Psychoanalyse, Psychiatrie etc. gegeben hat, und die Leute haben’s trotzdem irgendwie geschafft, und die haben immerhin Kriege durchgestanden im Gegensatz zu uns.“
Ein Punkt der in derartigen Diskussionen oftmals nicht gebracht wird (neben den besseren Möglichkeiten psychische Erkrankungen zu behandeln) ist die deutlich gesunkene Suizidrate im zeitlichen Verlauf. Anbei beispielsweise die österreichischen Daten der letzten 60 Jahre:
Wir haben in den letzten ca. 30-40 Jahren deutliche Anstrengungen zur Senkung der Suizidraten unternommen, ein wesentlicher Aspekt hierbei war die Verbesserung der Präventionsketten, ein Ausbau der psychischen Gesundheitsversorgung und Maßnahmen zur Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen. Wer einen Einblick in die Lebensrealität von Menschen mit psychischen Erkrankungen vor 40+ Jahren gewinnen möchte, dem lege ich diesen Erfahrungsbericht ans Herz: Looking back: The journal of a mental hospital user in the 1960s
Zu Beginn des Artikels greift Standard-Autorin Burgstaller eines der größten Probleme auf, die wir im Themenfeld psychische Gesundheit (bzw. psychische Erkrankungen) beobachten können. Fehlende Daten. Es gibt schlichtweg keine offiziellen Daten, wie viele nach Österreich geflüchtete Menschen psychische Probleme haben. Dies erschwert insbesondere die öffentliche Diskussion, wie beispielhaft an folgendem Posting dargestellt:
„Keine offiziellen Zahlen
Danke, da hab ich quasi aufgehört zu lesen. Der Rest ist nämlich aufgebaut auf einem Gschichtl, der Schätzung einer Person, der sicher persönlich viel daran gelegen ist, mehr Mittel für ihre Arbeit zu bekommen.“
Verglichen mit anderen Gesundheitsthemen ist die Datenlage bei psychischer Gesundheit bzw. psychischen Erkrankungen oftmals sehr schlecht. Aus gutem Grund haben u.a. WHO oder OECD u.a. eine Verbesserung der Datenqualität angeregt. Zu welchen Problemen dies führen kann, soll an folgender Studie gezeigt werden: Im Auftrag des Hauptverbandes der Sozialversicherungen wurde die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen nach Einlösung eines Rezeptes für Antidepressiva untersucht. Doch gleich zu Beginn der Studie sehen wir ein wesentliches Problem (S.4):
“ Im Gegensatz zum stationären Bereich (in dem für Abrechnungszwecke im LKF-System ICD-10 Diagnosen dokumentiert werden) ist in Österreich nicht vorgesehen, dass im ambulanten Versorgungsbereich durch niedergelassene Ärzte mit Kassenvertrag bei der Abrechnung mit Versicherungsträgern Diagnosen in kodierter Form gemeldet werden. „
Um trotzdem (annäherungsweise) Aussagen treffen zu können, wurden die Rezepte der niedergelassenen Ärzte analysiert. Wir können jedoch weder in der Steuerung und Planung unseres Gesundheitssystems, noch in der Öffentlichkeit über psychische Gesundheit (bzw. Erkrankungen) eine informierte Debatte führen, wenn wir uns oft auf Schätzungen und punktuelle Studien verlassen müssen. Wichtig ist hier auch, dass die Daten der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Was man damit beispielsweise machen kann, zeigt die britische Royal Society of Arts.
Ein Thema das im Artikel nicht explizit thematisiert wurde, dass sich aber in den Postings an verschiedensten Stellen wiederfindet, ist der Umgang mit psychischer Gesundheit bzw. psychischen Erkrankungen. Ein Fallbeispiel:
„Die jungen Männer sind in Wahrheit sinnentleert und gelangweilt.“
Umdeutungen, Abwertungen und Stigmatisierung sind, verglichen mit physischen Erkrankungen, bei psychischen Gesundheitsthemen oftmals traurige Realität. Bestimmte Vorurteile uns Stigmata halten sich hartnäckig:
Nein, nicht alle psychischen Erkrankungen sind unheilbar, Menschen mit psychischen Erkrankungen sind – wie leider oftmals im Rahmen von Amokläufen diskutiert wird – auch keine Gefahr für die Gesellschaft und viele psychische Erkrankungen sind auch nicht unheilbar. Stigmatisierung ist ein weiterer Grund für das oftmals wahrgenommene Schweigen.
Psychische Gesundheit ist jedoch viel mehr als nur die Abstinenz einer Krankheit. Die psychische Gesundheit ist eng verbunden mit den sozioökonomischen Umständen. Themen wir Arbeit(slosigkeit), Arbeitsbedingungen, Bildung haben einen zentralen Einfluss auf das Wohlbefinden und können beispielsweise das Risiko psychischer Störungen beträchtlich erhöhen. Wusstest du beispielsweise, dass die Hälfte aller psychischen Störungen vor dem 14. Lebensjahr auftreten? Angesichts dieser Information: bist du während deiner Schulzeit mit diesen Themen in Berührung gekommen (bzw. wenn du Kinder hast, wie sieht die derzeitige Situation an Schulen aus)? Werden die Themen psychische Gesundheit bzw. psychische Erkrankungen im Unterricht behandelt? Wie wird mit „auffälligen“ Kindern umgegangen? Gibt es flächendeckende Screenings bzw. Möglichkeiten zur Reflexion? Welche Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten für Schüler_innen, Lehrer_innen und Eltern kennst du?
Wir im NEOS Lab haben uns dieses Jahr das Thema psychische Gesundheit als Schwerpunktthema gesetzt. Hier werden wir unter anderem die Themen Gesundheitsversorgung, Bildung und Arbeit behandeln. Aber bei einem Thema, über das oft geschwiegen wird, ist es aus unserer Sicht zentral, dass DU zu Beginn zu Wort kommst. Inspiriert von einer Initiative der Ludwig Boltzmann Gesellschaft, die 2015/16 Bürger_innen gefragt hat, welche Fragen zu psychischen Erkrankungen die Wissenschaft ihrer Meinung nach aufgreifen soll, suchen wir proaktiv den Dialog mit der Zivilgesellschaft, um konkrete Probleme und Hürden zu erfassen und Ideen, die zu einer verbesserten psychischen Gesundheitsversorgung führen, zu sammeln.
Hierzu starten wir heute eine Konsultation mit einem neuartigen Partizipationstool (Insights), bei dem du aktiv in der Analyse mitarbeiten kannst (wie dies funktioniert siehst du hier). Alle Teilnehmer_innen erhalten persönliche Rückmeldungen, welchen Einfluss dein Engagement im Verlauf des partizipativen Prozesses hatte. Die Ergebnisse werden nach der Konsultation im April im Rahmen eines Fact-Sheets veröffentlicht und, beeinflussen die Themen, die wir im 2. Halbjahr behandeln. Ebenso fließen die Ergebnisse in unsere Publikation zum Thema psychische Gesundheit ein, die am Jahresende veröffentlicht wird. Je nachdem welche konkreten Fallbeispiele/Themen aufkommen, könnten die Ergebnisse bzw. Teilaspekte Auftakt eines NEOS-Positionspapiers sein oder auch in eine parlamentarische Anfrage mit einfließen. Doch zu Beginn bist du am Wort:
Was muss sich im Gesundheitswesen ändern, damit psychisch Kranke in ihrem Genesungsprozess optimal unterstützt werden?
5 Gründe, um 2025 optimistisch zu bleiben
Zugegeben, die Titelzeilen der Zeitungen versprühen derzeit nicht gerade Hoffnung und gute Laune. Doch ob Sie’s glauben oder nicht: Es gibt ein paar Gründe, zuversichtlich ins Jahr 2025 zu schauen.
Wie steht’s jetzt um die Demokratie?
Am Ende des Superwahljahrs 2024 stellt sich die Frage, wie es um die Demokratie in Österreich und Europa steht. Weder die Wahlergebnisse noch die politischen Erdbeben in Deutschland und Frankreich geben auf den ersten Blick viel Hoffnung, ganz zu schweigen von der schlechten Wirtschaftslage. Und doch genießt Europa gerade jetzt so viel Vertrauen wie schon lange nicht.
Und was wird aus den Pensionen?
Nicht nur Österreich, sondern fast die ganze Welt ist mittlerweile im Zeitalter der Entvölkerung angekommen: Die Fertilitätsrate sinkt oder stagniert auf niedrigem Niveau, gleichzeitig steigt die Lebenserwartung immer weiter. Was bedeutet das für den Sozialstaat? Und wird einmal die Pensionen der Jungen bezahlen? Von Georg Lundström-Halbgebauer und Lukas Sustala.