Unerlässlich für Demokratie: Selbstwirksamkeit
Höchste Zeit, das Vertrauen der Menschen in Demokratie, Politik und EU zurückzugewinnen. Dafür spielen vor allem die ökonomische Situation und die Transparenz politischer Prozesse eine Rolle.
Trübe Aussichten für das Vertrauen in die Politik bietet der Freiheitsindex, den das NEOS Lab letztes Jahr in Kooperation mit Foresight (zuvor SORA) erstellt hat. Hat das Freiheitsgefühl seit der Erhebung 2018 im Jahr 2022 einen Tiefpunkt erreicht, so hat es sich 2023 nur leicht erholt. Auch der Zukunftsoptimismus liegt in Österreich unter dem EU27-Schnitt (57 zu 61 Prozent), wie der aktuelle Policy Brief des NEOS Lab herausgefunden hat.
Weit verbreitet ist nach wie vor das Gefühl, Mensch zweiter Klasse zu sein und politisch nichts bewirken zu können. Das lässt Sorgen aufkommen, weil vor allem Parteien des rechten und linken Randes die soziale Unzufriedenheit für sich zu nutzen trachten. Anstatt konstruktive Lösungen zu bieten, verzeichnen vor allem rechtspopulistische Parteien mit dem Anheizen von vielschichtigen Problemen Wahlerfolge. Das haben zuletzt die Europawahlen und die Wahlerfolge der AfD in Ostdeutschland gezeigt. Auch die Prognosen zur bevorstehenden Nationalratswahl am 29. September in Österreich lassen ein Erstarken des Rechtspopulismus erwarten.
Ökonomische Situation bestimmt politisches Vertrauen
Wenig überraschend verdeutlicht die repräsentative Foresight-Umfrage, dass es gerade sozioökonomisch schlechtergestellte Bevölkerungsgruppen sind, die mit dem politischen System besonders unzufrieden sind. Umgekehrt zeigen sich ältere Generationen, hier vor allem männliche Befragte, zuversichtlich mit der eigenen Zukunft und mit der Situation in Österreich wie auch in Europa. Daraus lässt sich schließen: Je geringer die eigenen Existenzängste ausgeprägt sind, desto größer ist das Vertrauen in die Politik. Im umgekehrten Sinn bedeutet das: Je schlechter die eigene wirtschaftliche Lage ist, desto schlimmer ist das Gefühl, politisch nichts bewirken zu können.
Höchste Zeit für Zuversicht
Um das Vertrauen der Menschen in Demokratie, Politik und EU wieder zurückzugewinnen, müssen diese in ihrer Lebenssituation und Selbstwirksamkeit gestärkt werden. Die Chancengerechtigkeit bei Bildung muss erhöht werden, damit alle Kinder, unabhängig von der eigenen sozioökonomischen Situation, fairen Zugang zur besten Bildung und folglich zum qualifizierten Arbeitsmarkt erhalten. Besonders bei Frauen und jungen Menschen geht es um zusätzliches Empowerment. Mit einer österreichweit ausreichend ausgebauten Kinderbetreuung soll allen gleichermaßen die freie Wahl zur Vollzeitbeschäftigung offen stehen und Altersarmut verhindert werden. Leistung soll sich wieder mehr lohnen, die Lohnnebenkosten daher sinken. Das Vertrauen in die Politik kann nur durch vollkommene Transparenz und Nachvollziehbarkeit von politischen Prozessen erreicht werden. Schließlich ist aktive Teilhabe an politischen Entscheidungen unerlässlich für das Vertrauen in Politik und Demokratie. Nur mit der Gewissheit, sich Eigentum aufbauen und politisch wirksam sein zu können, kann die liberale Demokratie nachhaltig gestärkt werden.
(Bild: Firefly AI)
Vielleicht interessieren dich auch diese Artikel
1.000 Tage Krieg in der Ukraine – und kein Ende des russischen Angriffs in Sicht
Vor 1.000 Tagen hat Putins Russland Völkerrechtsbruch begangen und seinen Aggressionskrieg gegen die Ukraine mit immenser Brutalität begonnen. Vor dem Hintergrund teils unzureichender internationaler Hilfe, unzähliger Opfer und enormer Schäden stehen die Aussichten für die Ukraine aktuell nicht gut. Umso mehr muss sie jetzt unterstützt werden.
Weckruf war gestern, Europa muss endlich aufstehen
Auf die zweite Präsidentschaft von Donald J. Trump ist Europa besser vorbereitet, doch bei den Investitionen in die Resilienz der europäischen Institutionen ist noch viel Luft nach oben. Insbesondere Berlin zählt zu den Hauptstädten, die die Dringlichkeit massiv unterschätzt haben. Was muss Europa auf dem Schirm haben, um „Trump-proof“, also Trump-sicher, zu werden? Eine kurze Analyse von Silvia Nadjivan und Lukas Sustala.
Nur gemeinsam ist Europa stark
Wie kann Russland für seine Kriegsverbrechen zur Verantwortung gezogen werden? Und was muss Europa tun, um seine Sicherheit zu stärken? Ein Nachbericht der Veranstaltung „From Fake Impunity to Full Accountability – Russia’s War Crimes Against Ukraine“, organisiert von den baltischen Botschaften in Wien und dem NEOS Lab.