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Was der Tax Freedom Day zeigt – und was nicht

Lukas Sustala
Lukas Sustala

Die Steuerbelastung in Österreich ist und bleibt sehr hoch – gerade im internationalen Vergleich. Eine kurze Einordnung zum „Tax Freedom Day“. 

Der „Steuerzahler-Tag“ ist zwar kein wirklicher Feiertag, trotzdem fiel er heuer auf den 15. August 2023. Die zentrale, in vielen Aussendungen und Kommentaren wiederholte Aussage: So lange mussten der und die durchschnittliche Steuerzahlende in diesem Jahr arbeiten, um endlich für sich und die eigene Geldbörse zu verdienen – und nicht mehr nur für die unterschiedlichen Abgaben auf Arbeit oder Konsum in Form von Lohn- oder Umsatzsteuer. Und das muss man heute deutlich länger als in der Vergangenheit: In der Ära Bruno Kreiskys war dieser Tag noch Anfang Juli.

Wie der Tax Freedom Day ermittelt wird

Der Tax Freedom Day wird recht einfach erhoben. Die Steuern und Abgaben eines Jahres werden dem erwirtschafteten Einkommen eines Jahres gegenübergestellt. Im Vergleich zur Betrachtung beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) fallen die Abschreibungen (die nicht wirklich ein Einkommen sind) hier als großer Posten weg, weshalb eine deutlich höhere Belastungsquote von mehr als 60 Prozent zustande kommt.

Unrealistisch ist die Abgabenquote dennoch nicht, denn jeder Mensch in Österreich weiß, dass die Steuerlast nicht mit der Zahlung von Lohn- oder Einkommensteuer endet. Mit dem Nettoeinkommen werden Anschaffungen oder Investitionen getätigt, für die Umsatzsteuer, Versicherungssteuer oder Grunderwerbsteuer anfallen. So entsteht für Vollzeit-Durchschnittsverdienende relativ rasch ein hoher Steuersatz rund um die 60 Prozent.

Was der Tax Freedom Day nicht betrachtet

Allerdings lässt der Tax Freedom Day die Ausgabenseite außer Acht. Mit den Steuern und Abgaben passiert ja etwas: Wir alle konsumieren öffentliche Leistungen oder erhalten Auszahlungen in Form von Familienbeihilfe, Pflegegeld oder Pensionszahlungen. Wer sich die Wirkungen des gesamten Steuern- und Abgabensystems ansehen möchte, muss sich mit wesentlich komplexeren Messzahlen und Studien beschäftigen: Die Agenda Austria hat etwa eine spannende Analyse auf Basis von Mikrodaten gemacht, die unter anderem Darstellungen nach Alter enthält. Denn wir alle sind „Nettoempfänger“ als Kinder und Jugendliche sowie später in der Pension. Wie hoch diese Umverteilung zwischen Generationen ist, wie viel davon staatlich und wie viel privat organisiert wird, sind wichtige Unterschiede zwischen unterschiedlichen Wohlfahrtsstaaten. Auch der parlamentarische Budgetdienst hat sich mit dem Thema beschäftigt.

Warum Österreich wieder mehr belastet

Was auf den ersten Blick bei jedem aktuellen Vergleich auffällt (und niemanden überrascht, der regelmäßig den NEOS Lab Blog liest), ist, dass die österreichischen Einkommen in den vergangenen Jahren wieder stärker be- statt entlastet wurden. Anders in den nordischen Wohlfahrtsstaaten, die in den vergangenen 1,5 Jahrzehnten deutlich stärker ent- als belastet haben. Mittlerweile ist die gesamte Staatseinnahmenquote in Dänemark oder Schweden niedriger als in Österreich.

Die wichtigen strukturellen Reformen, die diese Entwicklung in den nordischen Ländern möglich gemacht haben, liegen auf der Hand. Dort wurden bereits vor Jahrzehnten die sozialen Sicherungssysteme auf den demografischen Wandel eingestellt und etwa langsame, leichte Steigerungen beim Pensionsantrittsalter beschlossen, welche die Staatsausgaben heute massiv drücken. Österreich gibt nun staatlich 4-6 Prozentpunkte des BIP mehr in Form von Pensionen aus als Schweden oder Dänemark (EU-Kommission Ageing Report).

Dazu kommt, dass die Staatsausgaben während der Corona-Pandemie in Österreich besonders dramatisch gestiegen sind. Unsere Studie zu den Krisenkosten ist einigen der Gründe nachgegangen. Unterm Strich war der Anstieg der Staatsausgaben in der Phase 2020–2022 im Vergleich zu den drei Jahren zuvor nur in Griechenland, Italien und Spanien höher.

Warum wir über staatliche Effizienz diskutieren müssen

Was also sagt der Tax Freedom Day nun aus – und was nicht? Der Tax Freedom Day zeigt „nur“ die Einnahmenseite der öffentlichen Hand und damit nicht unbedingt, ob die Menschen etwa für höhere Zahlungen auch höhere Leistungen bekommen. Doch ist er natürlich Anlass, um über genau diese staatliche Effizienz zu sprechen.

War die Ausweitung der Staatsquote – auf Kosten der heutigen und kommenden Steuerzahlenden – einer Qualitätssteigerung geschuldet? Die Antwort lautet in zu vielen Bereichen: Nein. Ausgaben sind ausgeufert, weil Reformen nicht angegangen wurden, eine teure Pandemiepolitik direkt in eine wenig treffsichere Energiepolitik übergegangen ist und der österreichische Föderalismus die teuerste Form der staatlichen Ordnung darstellt, da die Verantwortung für Einnahmen und Ausgaben jeweils so gut wie nie in einer Hand liegen.

Wer den Tax Freedom Day künftig wieder früher im August oder gar schon im Juli begehen möchte, darf nicht nur auf die Einnahmen schauen. Denn die Staatsausgaben von heute sind immer die Steuern von morgen. 

(Bild: Nataliya Vaitkevich / pexels.com)

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