Ein Policy Brief von Günther Oswald
Der Arbeitskräftemangel ist problematisch für Österreichs Wirtschaft. Das wird immer offensichtlicher, wie zum Beispiel die längere Dauer zeigt, die es braucht, um offene Stellen zu besetzen.
Die Studie im Überblick
Nach dem vierten österreichweiten Lockdown dominieren aktuell wieder die Sorgen um Rückschläge am Arbeitsmarkt. Die Zahl der Arbeitslosen steigt wieder – wenn auch bisher moderat – und auch die Zahl der Betriebe, die auf Kurzarbeit zurückgreifen, wird wieder größer.
Viele Unternehmen in Österreich beklagen, dass es ihnen immer schwieriger fällt, geeignete Mitarbeiter zu finden. Das betrifft längst nicht nur hochqualifizierte IT-Fachkräfte, sondern auch andere Branchen. Warum die Demografie den Arbeitskräftemangel noch verschärft, der Aufholprozess in Osteuropa eine Rolle spielt und die Steuerpolitik die Situation auch nicht gerade vereinfacht, haben wir im aktuellen Policy Brief des NEOS Lab zusammengetragen. Liberale Handlungsoptionen für die Wirtschaftspolitik inklusive.
Eine Auswertung des Neos Lab auf Basis von Eurostat-Daten zeigt folgendes Bild: Zwar verdient man in Österreich im Schnitt noch immer wesentlich mehr, die Kluft ist in den vergangenen 20 Jahren aber deutlich kleiner geworden (außer zur Slowakei). Wie unterschiedlich die regionalen Herausforderungen aktuell sind, lässt sich anhand mehrerer Indikatoren ablesen. Einer ist die Zeitspanne, wie lange es dauert, bis Arbeitgeber über das AMS offene Stellen besetzen können. Die Statistik Austria veröffentlicht quartalsweise Daten, die auf Unternehmensbefragungen basieren. Demnach gab es im dritten Quartal 2021 mit 162.400 um gut 50.000 offene Stellen mehr als in der AMS-Datenbank gelistet. Der ÖVP-Wirtschaftsbund bezifferte die offenen Stellen auf Basis aller Stellenanzeigen im Oktober mit gut 247.000 noch deutlich höher. Da es von der Statistik Austria keine Untergliederung nach Bundesländern gibt, wurden für diese Auswertungen die Wirtschaftsbund-Daten verwendet.
Zahlen & Fakten
100.000
offene AMS-Stellen seit Juni monatlich gemeldet
0,3
in Wien offene Positionen pro Arbeitslosem
53%
der Arbeitslosen sind langzeitbeschäftigungslos
Empfehlungen
Niedrigere Steuern
Österreich ist bei der Belastung des Faktors Arbeit ein Hochsteuerland. Es braucht daher eine weitere Senkung der Lohnnebenkosten. Der von der Regierung angekündigten Halbierung des Beitrags zum Insolvenzentgeltfonds müssen weitere Schritte folgen – etwa über die Abschaffung der Kammerumlage 2.
Offene Jobs besetzen
Auch degressive Arbeitslosengeld-Modelle können einen Anreiz liefern, weiter entfernte Jobs anzunehmen. Gemäß wissenschaftlicher Empirie sind sie geeignet, die Arbeitslosigkeit zu verkürzen. AMSKursmaßnahmen sowie Bildungskarenzen sollten möglichst gut auf die realen Bedürfnisse der Betriebe abgestimmt sein.
Standort für Talente
In Zeiten von Remote-Work und Gig-Economy muss Standortpolitik breiter gedacht werden. Hochqualifizierte Arbeitnehmer werden international mobiler. Unnötig komplizierte Verfahren bei der Rot-Weiß-Rot-Karte sind ebenso ein Hindernis im Kampf um die klügsten Köpfe wie Kindergärten mit unpraktischen Öffnungszeiten, bürokratische Hürden für Selbstständige oder ein unflexibles Arbeitsrecht.
Das Potenzial von Älteren nutzen
Wenn es gelingt, die Erwerbsbeteiligung der 55- bis 64-Jährigen auf schwedisches Niveau zu heben, würde das rund 294.000 zusätzliche Beschäftigte in dieser Altersgruppe bedeuten. Allein bei den Frauen läge das Beschäftigungsplus bei knapp 184.000.