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Talentboard: Wie innere Stärke äußeren Erfolg formt
Im Februar dieses Jahres startete unser „Talentboard – Kommunalliberales Special“. Zeit für eine Zwischenbilanz.
2025 ist ein wichtiges Gedenkjahr: 80 Jahre Gründung der Zweiten Republik, 70 Jahre Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrags und 30 Jahre EU-Beitritt Österreichs. In Zeiten, wo Antisemitismus und Hassverbrechen wiederaufflammen und Geschichtsrevision betrieben wird, ist es wichtig, sich wieder an die Ursprünge zu erinnern – im Sinne einer liberaldemokratischen Zukunft.
Die Geburtsstunde der Zweiten Republik bildet der 27. April 1945, als die Provisorische Regierung unter Staatskanzler (sic!) Karl Renner von der SPÖ gemeinsam mit ÖVP und KPÖ ausgerufen wurde. Alle drei Parteien hatten sich in den Tagen zuvor neuformiert wie auch schnell zusammengefunden, und das inmitten der noch andauernden Kriegswirren sowie noch bestehenden tiefen Gräben seit dem Bürgerkrieg während der Ersten Republik. Möglich machte das die militärische Schwächung des NS-Regimes durch die Alliierten. Mit Genehmigung des Kremls am 20. April 1945 konnte also Renner die neue österreichische Regierung – bis zu den Neuwahlen im darauffolgenden November – provisorisch bilden. Grundlage für diesen wiedergeborenen österreichischen Staat bildete die Verfassung aus der Ersten Republik.
Im kollektiven Gedächtnis verblieben ist weniger die Neugründung Österreichs 1945, sondern vielmehr die neuerliche Unabhängigkeit Österreichs zehn Jahre später. Das liegt mitunter am vorhandenen Bild- und Tonmaterial. Am 27. April 1945, noch vor der Kapitulation Nazi-Deutschlands und dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa am 8. Mai 1945, vereinbarten die drei wieder gegründeten Parteien die Aufteilung der Staatsgeschäfte im befreiten Wien, während im Rest Österreichs noch etliche Menschen dem Naziterror zum Opfer fielen. Fotografisch dokumentiert ist insbesondere der 29. April 1945, als die provisorische Regierung in Begleitung einer jubelnden – später tanzenden – Menge vom Rathaus zum Parlament schritt.
Dagegen hallen die Worte des späteren Außenministers Leopold Figl „Österreich ist frei“ sogar 70 Jahre später nach. Denn mit der Unterzeichnung des Staatsvertrags am 15. Mai 1955 verkündete Figl im Oberen Belvedere diesen feierlichen Satz und streckte anschließend das so wichtige Dokument (siehe Titelbild) vom Schlossbalkon aus der davor wartenden Menge entgegen. Dieses Mal hielten Kameraleute der Austria Wochenschau diese einprägsamen Szenen so gut fest, dass sie „zum symbolischen Gründungsereignis der Zweiten Republik“ avancierten – und nicht die eigentliche Geburtsstunde sowie Schaffung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zehn Jahre zuvor. Schließlich war erst damit das Ende der 10-jährigen Besatzungszeit durch die Alliierten (USA, Frankreich, UK und UdSSR) eingeleitet, Österreich nach mittlerweile 17 Jahren endlich frei und souverän.
Die wiedererlangte staatliche Unabhängigkeit des Kleinstaats Österreich war allerdings nur unter einer Bedingung möglich, die die Sowjets forderten: die Neutralität Österreichs. Daraufhin wurde bekanntlich die immerwährende Neutralität Österreichs per Verfassungsgesetz garantiert. Gleichzeitig galt Österreich – seit der Moskauer Deklaration 1943 – als erstes Opfer des Nationalsozialismus. Dieser Opfermythos passte auch dem neuen Nationalbewusstsein. Auf die Forderung der besagten Deklaration, sich wie Deutschland der Verantwortung für die begangenen Nazi-Verbrechen zu stellen, wurde gerne vergessen. So konnte sich Österreich mit diesem international weitgehend anerkannten Image – ganz im Gegensatz zu Deutschland – der historischen Verantwortung für die Verbrechen während der Nazi-Diktatur und des Zweiten Weltkriegs größtenteils entziehen. Im einsetzenden Wirtschaftsaufschwung – mit finanzieller Unterstützung durch den Marshall-Plan – war auch der Blick verstärkt in Richtung Zukunft, Aufbau und Prosperität gerichtet und weniger in Richtung der NS-Vernichtungsmaschinerie und Schrecken der Shoah – oder der Banalität des Bösen nach Hannah Arendt. Eine differenzierte Geschichtsaufarbeitung blieb unter der einengenden Schweigespirale lange Zeit marginalisiert.
Erst die sogenannte Waldheim-Affäre 1986 löste eine weitere und breitere Debatte aus. Nachdem die Kriegsvergangenheit von Kurt Waldheim während dessen Zeit als österreichischer Außenminister (1968–1970) und UN-Generalsekretär (1972–1981) scheinbar niemanden interessiert hatte, wurde er erst während der Bundespräsidentenwahlen 1986 mit dem Verdacht konfrontiert, als Wehrmachtssoldat an Kriegsverbrechen am Balkan beteiligt gewesen zu sein. Was die Öffentlichkeit schließlich polarisierte, war nicht der Verdacht als solcher, weil es dafür letztlich keine Beweise gab, sondern dessen Umgang mit der eigenen Vergangenheit als Wehrmachtssoldat. Er habe wie „hunderttausende Österreicher“ seine „Pflicht als Soldat erfüllt“. Damit sprach er etlichen, die entweder selbst oder deren Angehörige bei der Wehrmacht gewesen waren, aus der Seele. Der Wahlslogan „Jetzt erst recht!“ brachte die Haltung seiner – bisher ebenfalls schweigsamen – Anhänger:innen auf den Punkt.
Was blieb, ist, dass Waldheim wider Willen zum Symbol einer neuen, mythenbefreiten österreichischen Gedenk- und Erinnerungskultur wurde. Und diese ist gerade in Zeiten erstarkender Rechtspopulismen und Autoritarismen so wichtig, um die politische Instrumentalisierung von Opfermythen mittels evidenzbasierter Fakten zu verhindern. Damals wie heute umso mehr.
Galt lange Zeit die FPÖ unter Jörg Haider vielen rechtspopulistischen Parteien in Europa als Vorbild, so schielen auch heute viele antidemokratische Akteur:innen auf die Stimmenzugewinne der FPÖ unter Herbert Kickl. Die „einmalige Chance auf das Kanzleramt“ schien auch bis Februar 2025 so nah wie nie zuvor. Denn seit der ersten ÖVP/FPÖ-Koalition 2000 hat die FPÖ lediglich als Juniorpartner fungiert, und das stets unter den Argusaugen eines größtenteils liberaldemokratischen Europas. Hatte die EU noch 2000 politische Sanktionen über Österreich verhängt und so einen Vizekanzler Haider verhindert, so hätte es heuer aufgrund verschobener Mehrheiten keine derartigen EU-Maßnahmen gegeben. Umso wichtiger ist es daher, auf allen Ebenen achtsam und wachsam zu bleiben.
Schließlich stellt sich gerade das Gedenkjahr 2025 als äußerst turbulent und volatil dar. Es ist das dritte Jahr des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, auch das dritte Jahr der wirtschaftlichen Rezession in Österreich und das in einem krisengebeutelten Europa. Das aktuelle Jahr 2025 markiert den Beginn der zweiten US-Präsidentschaft von Donald Trump, der mit seinem erratischen Verhalten etablierte Handelsbeziehungen torpediert und die internationale Ordnung, vor allem die Position der westlichen Verbündeten, gefährdet. Angesichts gravierender Veränderungen, wachsender Unsicherheiten und steigender Polarisierungen bedarf es einer unabhängigen Geschichtsschreibung sowie differenzierten Gedenk- und Erinnerungskultur. Zu schnell werden historische Ereignisse für politische Zwecke verklärt und instrumentalisiert.
Umso lauter muss jetzt der Aufschrei sein beim Ansteigen von Antisemitismus, Hassverbrechen und Geschichtsrevision. Die Zweite Republik hat hierfür zahlreiche wichtige, wissenschaftlich fundierte Institutionen aufgebaut und Orte sowie Wege des gemeinsamen Erinnerns und Dialogs geschaffen – das alles für eine gemeinsame, liberaldemokratische, pluralistische Zukunft.
Um nicht nur zu erinnern, sondern auch für die Zukunft zu lernen, sind angesichts aktueller wirtschaftlicher sowie geopolitischer Herausforderungen folgende Schritte notwendig: grundlegende Reformen von staatlichen Zuständigkeiten, eine gemeinsame Sicherheitspolitik wie auch eine ehrliche Diskussion über das, was wir auch im Rahmen unserer Neutralität in der EU machen können. In diesem Sinn kann das aktuelle Gedenkjahr auch als Start für die gemeinsame Arbeit an einer zuversichtlichen Zukunft genutzt werden.
Bild: Thomas Ledl, CC BY-SA 4.0
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