Galt lange Zeit die FPÖ unter Jörg Haider vielen rechtspopulistischen Parteien in Europa als Vorbild, so schielen auch heute viele antidemokratische Akteur:innen auf die Stimmenzugewinne der FPÖ unter Herbert Kickl. Die „einmalige Chance auf das Kanzleramt“ schien auch bis Februar 2025 so nah wie nie zuvor. Denn seit der ersten ÖVP/FPÖ-Koalition 2000 hat die FPÖ lediglich als Juniorpartner fungiert, und das stets unter den Argusaugen eines größtenteils liberaldemokratischen Europas. Hatte die EU noch 2000 politische Sanktionen über Österreich verhängt und so einen Vizekanzler Haider verhindert, so hätte es heuer aufgrund verschobener Mehrheiten keine derartigen EU-Maßnahmen gegeben. Umso wichtiger ist es daher, auf allen Ebenen achtsam und wachsam zu bleiben.
Schließlich stellt sich gerade das Gedenkjahr 2025 als äußerst turbulent und volatil dar. Es ist das dritte Jahr des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, auch das dritte Jahr der wirtschaftlichen Rezession in Österreich und das in einem krisengebeutelten Europa. Das aktuelle Jahr 2025 markiert den Beginn der zweiten US-Präsidentschaft von Donald Trump, der mit seinem erratischen Verhalten etablierte Handelsbeziehungen torpediert und die internationale Ordnung, vor allem die Position der westlichen Verbündeten, gefährdet. Angesichts gravierender Veränderungen, wachsender Unsicherheiten und steigender Polarisierungen bedarf es einer unabhängigen Geschichtsschreibung sowie differenzierten Gedenk- und Erinnerungskultur. Zu schnell werden historische Ereignisse für politische Zwecke verklärt und instrumentalisiert.
Umso lauter muss jetzt der Aufschrei sein beim Ansteigen von Antisemitismus, Hassverbrechen und Geschichtsrevision. Die Zweite Republik hat hierfür zahlreiche wichtige, wissenschaftlich fundierte Institutionen aufgebaut und Orte sowie Wege des gemeinsamen Erinnerns und Dialogs geschaffen – das alles für eine gemeinsame, liberaldemokratische, pluralistische Zukunft.
Um nicht nur zu erinnern, sondern auch für die Zukunft zu lernen, sind angesichts aktueller wirtschaftlicher sowie geopolitischer Herausforderungen folgende Schritte notwendig: grundlegende Reformen von staatlichen Zuständigkeiten, eine gemeinsame Sicherheitspolitik wie auch eine ehrliche Diskussion über das, was wir auch im Rahmen unserer Neutralität in der EU machen können. In diesem Sinn kann das aktuelle Gedenkjahr auch als Start für die gemeinsame Arbeit an einer zuversichtlichen Zukunft genutzt werden.
Bild: Thomas Ledl, CC BY-SA 4.0