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Das politische System hat sein Vertrauen verspielt: Zeit, es zurückzugewinnen

Lukas Sustala
Lukas Sustala

Eine Mehrheit in Österreich sagt mittlerweile, dass das politische System weniger oder gar nicht gut funktioniert. Auf den Vertrauensbruch sollte mit Reformen reagiert werden. 

Die Demokratie in Österreich ist von einem Vertrauensbruch gezeichnet. Und dieser Bruch hat mittlerweile längst auch die Mitte der Gesellschaft erreicht, zeigt der aktuelle Demokratiemonitor. Der Demokratiemonitor, eine Umfrage unter 2164 Personen in Österreich, durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut SORA (und unter Mitfinanzierung des NEOS Lab), untersucht seit 2018, wie sich die Einstellungen zur Demokratie und zum politischen System verändert haben. Seine wichtigsten Ergebnisse wurden gerade präsentiert.

Die Umfrage zeigt: Österreichs Demokratie ist von einer großen Enttäuschung erschüttert. Die hunderttausenden Chatnachrichten, die politischen Rücktritte und Umwälzungen und das Gezerre in der aktuell größten im Nationalrat vertretenen Partei haben ihre Spuren zurückgelassen. Das politische System wird mittlerweile als immer weniger repräsentativ wahrgenommen, und das ist für eine Demokratie ein kritischer Befund.

Insbesondere die Zahl jener, die angeben, dass das politische System in Österreich gar nicht gut funktioniert, hat massiv zugenommen. Das sagen mittlerweile 26 Prozent. 2018 waren es noch sieben Prozent.

Das ist auch im internationalen Vergleich ein bemerkenswert deutlicher Vertrauensverlust. Das zeigen etwa Vergleichsdaten aus den Industrienationen. Das Vertrauen in die österreichische Bundesregierung ist laut dem OECD Trust Project etwa auch niedriger als im Schnitt der Industrienationen.

Bereits während der Pandemie haben wir feststellen müssen, dass die österreichische Politik vergleichsweise viel Porzellan zerschlagen hat. In unserem Policy Brief zum Pandemiemanagement haben wir etwa auf die verfügbaren Daten aus dem Austrian Corona Panel Project verwiesen. Vom ersten Lockdown im März 2020 bis zum dritten weniger als zwölf Monate später ist das Vertrauen in die Bundesregierung massiv zurückgegangen. Heute sagt fast die Hälfte der Befragten im Demokratiemonitor, dass der Staat seine Bürger:innen immer mehr bevormundet.

Doch der Vertrauensverlust hat freilich auch mit den laufenden Korruptionsaffären zu tun. Die Politik wird zunehmend als „Selbstbedienungsladen“ wahrgenommen, in dem es mehr darauf ankommt, ob man jemanden kennt – und nicht, ob man etwas kann. 78 Prozent der Befragten stimmen etwa der Aussage zu, dass sich in der Politik eine Elite untereinander ausmacht, was im Land passieren soll. Das ist erschreckend. Und der Vertrauensverlust hat mittlerweile längst die Mitte der Gesellschaft erreicht.

Wie kommt die Demokratie in Österreich hier wieder heraus? Zunächst einmal gibt es auch Hoffnung. Die Einstellungen zur Demokratie an sich zeichnen sich durch eine hohe Stabilität aus. 57 Prozent werden laut SORA als überzeugte Demokrat:innen wahrgenommen, das sind genauso viele Menschen wie bei der Befragung im „Ibiza-Jahr“ 2019. Allerdings ist der Ruf nach einem „starken Führer, der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss“ aktuell so laut wie noch nie.

Will man die Demokratie stärken, muss man beim Vertrauen ansetzen. Da dies erschüttert wurde, müssen neue Kontrollmechanismen her. Eine Reihe von Antikorruptionsmaßnahmen hat Dieter Feierabend in einem Policy Brief dargestellt. Das Antikorruptionsvolksbegehren hat 72 Maßnahmen präsentiert, um die Demokratie und den Rechtsstaat zu stärken. In unserem Podcast im April 2022 hat auch Martina Zandonella, Forscherin bei SORA und für den Demokratiemonitor zuständig, gemeint, dass eine verbesserte Kommunikation, mehr Partizipation sowie auch eine Reform der Kontrollmechanismen das Vertrauen stärken könnten.

Sehr gute Ansatzpunkte liefert auch die OECD. Der Thinktank der Industrienationen hat in den vergangenen Jahren im Rahmen eines neuen Projekts das Vertrauen in die öffentlichen Institutionen zum Thema gemacht. „Trust in Government“ heißt das Projekt. Und auch dort sind es vor allem Transparenz- und Kontrollmechanismen, die nicht nur die „Governance of government“ verbessern sollen – also die Qualität von Entscheidungen und Kontrollmechanismen. Laut OECD können politische Systeme das Vertrauen in die Demokratie mit vielen Maßnahmen stärken: Diese reichen von offener Kommunikation über mehr Beteiligung an politischen Entscheidungen bis hin zu einer offenen Kommunikation über langfristige und große Herausforderungen wie den Klimawandel.

Aber im Kern stellt auch die OECD fest: Um das Vertrauen wieder zu stärken sind ein Informationsfreiheit und Transparenz, starke rechtsstaatliche Prinzipien, ausgeprägte Oppositionsrechte und eine kritische Medienöffentlichkeit wichtig, um nicht nur die Einstellungen zur Demokratie zu stützen, sondern auch in das politische System wieder stärken zu können.

Weiterführende Info

Einen Überblick über die gesamte Studie sowie den kostenlosen Download als PDF findet ihr hier:

Das Trust in Government-Projekt der OECD

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