Zum Inhalt springen
Bitte geben Sie einen Suchbegriff ein.

Die Öffentlichkeit hat ein Recht, zu erfahren, wie die Inhaber höchster Ämter denken

Irmgard Griss meint, dass bei den bekannt gewordenen Chatnachrichten das Informationsinteresse das Interesse an Geheimhaltung überwiege.

Seit Jahren wird mehr Transparenz in öffentlichen Angelegenheiten gefordert. Es soll einen gläsernen Staat und nicht gläserne Bürger geben. Eine berechtigte Forderung. Doch mancher wird sich fragen: Sind wir nicht längst gläserne Bürger? Verbleibt überhaupt noch ein Raum für privaten Austausch, wenn damit gerechnet werden muss, dass veröffentlicht wird, was sich (echte oder vermeintliche) Freunde, oft zu später Stunde, über ihr Mobiltelefon geschrieben haben? Ist die Privatsphäre nicht (mehr) geschützt?

Doch, kann man beruhigend antworten. Aber der Schutz vor unliebsamen Veröffentlichungen ist von vornherein schwach. Es kann ja nicht mehr zurückgeholt werden, was einmal verbreitet wurde. Dass etwa bei herabsetzenden Äußerungen eine Gegendarstellung verlangt werden kann, bewirkt oft nur, dass die Beleidigung auch bei denen in Erinnerung gerufen wird, die sie schon vergessen hatten.

Bei Personen des öffentlichen Lebens kommt noch etwas hinzu. Sie müssen mehr aushalten als gewöhnlich Sterbliche. Absolut geschützt ist nur der höchstpersönliche Lebensbereich. Dazu gehören Gesundheit, Sexualleben, Familienleben. In allen anderen Bereichen kann das Informationsinteresse der Öffentlichkeit das Interesse an der Geheimhaltung überwiegen.

"Personen des öffentlichen Lebens müssen mehr aushalten als gewöhnlich Sterbliche."

Die bekannt gewordenen Chatnachrichten lassen zwar Rückschlüsse auf die Denkungsart der Beteiligten zu, ihren höchstpersönlichen Lebensbereich betreffen sie aber nicht. Daher ist eine Interessenabwägung zulässig und geht wohl zu ihren Ungunsten aus. Denn die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, wie Inhaber höchster Ämter denken. Das lässt ja auch Rückschlüsse darauf zu, wie sie ihr Amt ausüben. Denn bei der Anwendung von Gesetzen gibt es so gut wie immer einen Spielraum. Wie der genützt wird, hängt letztlich davon ab, wer das Gesetz anwendet.

Höchste Ämter müssen daher mit Personen besetzt werden, die fachlich und auch moralisch qualifiziert sind. Sie dürfen sich nicht einer Partei oder sonst wem immer verpflichtet fühlen, sondern ihre Loyalität muss dem Amt gelten.

Irmgard Griss war Präsidentin des Obersten Gerichtshofs und Abgeordnete zum Nationalrat der NEOS.

Der Kommentar erschien am 09. Juni in der Kleine Zeitung. 

Vielleicht interessieren dich auch diese Artikel

Ein Mikrofon vor einer Menschenmenge
05.06.2025Silvia Nadjivan4 Minuten

Die Rettung der liberalen Demokratie betrifft uns alle

Die liberale Demokratie gerät zusehends in Gefahr, indem antieuropäische und insbesondere rechtspopulistische Parteien durch Wahlen laufend an Einfluss und Macht gewinnen. Gefragt sind jetzt liberaldemokratische und vor allem liberale Kräfte, Europa vor einem autokratischen Wandel zu bewahren.

Mehr dazu
Stethoskop auf Geldscheinen
03.06.2025Georg Lundström-Halbgebauer5 Minuten

Diagnose bekannt, Therapie überfällig

Niemand will in der Gesundheit sparen, doch die Kostendynamik bei den öffentlichen Ausgaben für Spitäler, Medikamente oder Kassen muss eingebremst werden. Statt einer angekündigten „Patientenmilliarde“ droht ohne Reformen eher ein Milliardenloch. Doch Sparen ist ein politisch schwieriges Unterfangen in einem komplexen Gesundheitssystem.

Mehr dazu
Clemens Ableidinger am Rednerpult vor einer Leinwand mit dem Buchcover "175 Jahre 1848"
26.05.2025Clemens Ableidinger2 Minuten

175 Jahre 1848: Liberale Demokratie ist nicht selbstverständlich

Am 21. Mai fand die Buchpräsentation des Bandes „175 Jahre 1848: Liberalismus in Wien von 1848 bis heute“ statt. Wissenschaftliche Beiträge beschäftigen sich mit der liberalen Geschichte in Österreich sowie mit Herausforderungen an Liberalismus und Demokratie heute.  

Mehr dazu

Melde dich für unseren Newsletter an!