EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hat das Thema Fairness und Digitalwirtschaft letzte Woche wieder auf die Agenda gebracht: Sie hat, nicht rechtskräftig, eine spektakuläre Geldbuße von 4,3 Milliarden Euro gegen Google wegen wettbewerbsrechtlicher Verstöße verhängt. Dies fügt sich in eine Reihe früherer Ereignisse wie die Rückforderung von 11 Milliarden Euro Steuerbegünstigungen von Apple; oder dem Vorschlag der EU-Kommission, eine umsatzbezogene Steuer von Digital-Riesen wie den eben genannten einzuheben.
Digital-Riesen richten es sich, KMU leiden
Wettbewerbs- und Steuerrecht haben nur bedingt etwas miteinander zu tun. Alle Initiativen richten sich aber gegen den Mißstand, dass es sich digitale Global Player „richten“, während vor allem lokale KMU unter der Abgabenbelastung und dem Paragraphen-Dschungel leiden. Ein Beispiel: Während Unternehmen mit traditionellem Geschäftsmodell eine effektive Ertragssteuerbelastung von 23,2 Prozent aufweisen, sind es bei digitalen Unternehmen nur 9,5 Prozent (Quelle: EU-Kommission). Hauptgrund ist die geringere physische Präsenz von Digitalunternehmen. Genau daran knüpft aber das international übliche Wertschöpfungs- und Betriebsstätten-Prinzip für Ertragssteuern an.
Eine Anpassung dieses Prinzips für die Digitalwirtschaft wird schon seit einiger Zeit auf G20- und OECD-Ebene diskutiert. Man braucht aber kein Prophet zu sein, um vorherzusehen, dass dies noch eine Weile dauern wird. Die politische Großwetterlage zwischen EU und USA wirkt nicht gerade förderlich.
Hier setzt der Vorschlag der EU-Kommission für eine Steuer von 3 Prozent auf Erlöse wie Online-Werbung von Digital-Multis mit einem Umsatz von über 750 Millionen Euro weltweit und über 50 Millionen in der EU an. Diese soll als Sofortmaßnahme eingeführt werden, bis es die erwähnte einheitliche Lösung auf OECD-Ebene gibt. Die EU-Kommission schätzt das Aufkommen dieser Steuer auf 5 Milliarden Euro jährlich. Das entspricht in etwa dem bisherigen EU-Nettobeitrag des UK.
Digital Tax – Fair Tax: Europa zeigt Initiative
Der Vorschlag der EU-Kommission ist fair, vernünftig und zweckmäßig:
- Sofortmaßnahme: Gerade Digital-Multis agieren nach dem Motto „Speed kills“ und sind der Gesetzgebung oft zwei Schritte voraus. Darauf reagiert die EU-Kommission mit einer pragmatischen Sofortlösung.
- Der Lösungsvorschlag ist EU-einheitlich und bündelt die Kräfte. Nationalen Alleingängen, wie in Österreich schon angedacht, fehlt die Schlagkraft. Diese haben bestenfalls Unterhaltungswert für die Cafeterias im Silicon Valley.
- Die angedachte Steuer ist zwar umsatzbezogen, kann jedoch als Vorabsteuer auf Erträge gestaltet werden. Diese wären bei physischen oder (künftig) digitalen Betriebsstätten auch erfassbar. In anderen Worten: Niemand wird schlechter gestellt als im Falle der großen Lösung auf OECD-Ebene.
Diese Initiative hat jede Unterstützung verdient. Vielleicht kann die österreichische Bundesregierung über ihren Schatten springen und diesmal wirklich pro-europäisch agieren. Die Einführung einer neuen Steuer sollte durch die Abschaffung von bestehenden, weniger vernünftiger Abgaben ausgeglichen werden. Ein heißer Tipp wären die kafkaesken Bagatellsteuern wie Schaumweinsteuer und Zuckerabgabe oder Teile der Lohnnebenkosten wie der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag, hinter dem sich die Wirtschaftskammer-Umlage 2 verbirgt.
Ein solcher „Deal“ würde vor allem den österreichischen Klein- und Mittelbetrieben nutzen und für mehr Fairness sorgen. Hat jemand von der Regierung dazu schon etwas gehört?
Markus Ott,@markusott01
Weiterführende Quellen:
NEOS Diskussionspapier Digital Tax: https://tinyurl.com/y7sxb83q
EU-Kommission Fact Sheet: https://tinyurl.com/yd9m8fwg