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Frauenpolitik: Viel wurde schon erreicht, notwendig ist noch mehr

Silvia Nadjivan
Silvia Nadjivan

Keine Unabhängigkeit ohne ökonomische Unabhängigkeit: Für ein selbstbestimmtes Leben ist ein eigenes Einkommen essenziell. Wie steht es um die Erwerbstätigkeit von Frauen in Österreich? Ein Überblick.

Der bevorstehende Weltfrauentag erinnert auch dieses Jahr an die zahlreichen Errungenschaften des Feminismus und der Frauenbewegung seit Beginn des 20. Jahrhunderts: darunter das Wahlrecht für Frauen, das Recht auf Bildung wie auch bürgerliche Freiheiten und damit sukzessive mehr Selbstbestimmung über den eigenen Körper und den eigenen Lebensweg. Seit seiner Einführung im Jahr 1911 hat sich in Sachen Gleichberechtigung und Chancengleichheit viel getan.

Das formale Bildungsniveau hat sich unter Männern und Frauen bis heute so weit angeglichen, dass Frauen zumindest in Europa und der westlichen Welt beim Erlangen von Bildungsabschlüssen nicht mehr benachteiligt sind. Im Gegenteil: Der Frauenanteil unter den Akademiker:innen hat sich laut OECD-Daten bis 2021 auf 58,6 Prozent erhöht. In die gleiche Richtung weisen auch Eurostat-Daten von 2021, wonach der Akademiker:innenanteil unter Frauen 46,8 Prozent beträgt, jener unter Männern 32,2 Prozent. Auch der Zugang zum Arbeitsmarkt und damit zur Erwerbstätigkeit ist für Frauen deutlich offener geworden. Verbunden ist das mit einer moderneren und fortschrittlicheren Frauen- und Familienpolitik, denn seit 1975 können Frauen ohne Zustimmung ihrer Ehemänner beruflich tätig sein. Die Erwerbsquote von Frauen ist in den letzten Jahrzehnten daher kontinuierlich angestiegen und betrug in Österreich im Jahr 2022 laut Statistik Austria 70 Prozent, bei Männern 78 Prozent.

Frauenerwerbsquote über dem EU-27-Schnitt

Die Frauenerwerbsquote liegt in Österreich damit deutlich über dem EU-27-Schnitt von 64,9 Prozent. In den wenigen Ländern mit einer niedrigeren weiblichen Beschäftigungsrate sind weniger traditionelle Rollenbilder als die teils schwierigen wirtschaftlichen Lagen in diesen Ländern ausschlaggebend.

Land der weiblichen Teilzeit

Auf den ersten Blick zeigt sich ein durchaus positives Bild in Richtung weibliche Selbstbestimmung. Bei genauerer Betrachtung relativiert sich der erste Eindruck. Denn Österreich ist zweifellos das Land der weiblichen Teilzeitbeschäftigung. Schließlich beträgt die Teilzeitquote bei Frauen 50,7 Prozent, bei Männern nur 12,6 Prozent. Laut Statistik Austria waren 2022 außerdem 78,1 Prozent der Teilzeitbeschäftigten Frauen. Auch diese Zahl fällt im europäischen Vergleich hoch aus. Im EU-27-Schnitt liegt die Teilzeitquote bei nur 29,1 Prozent. Spitzenreiter in diesem Ranking sind wieder die Niederlande, die somit die höchste Beschäftigungsrate aufweisen, jedoch in Teilzeit.

Die folgende Grafik zeigt, dass Kinder einen großen Effekt auf die Erwerbstätigkeit von Frauen in Österreich, nicht aber von Männern haben.

Die Antwort auf die Frage nach den Gründen für Teilzeit bei Frauen ist meistens die gleiche: Zu 39,5 Prozent ist es Care-Arbeit, also Kinderbetreuungspflichten, meist infolge von fehlenden Kindergartenplätzen, oder die Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen. Im Vergleich dazu beträgt der Anteil bei geleisteter Care-Arbeit unter Männern nur 6,6 Prozent. Zu den für Männern häufigsten Gründen für Teilzeitarbeit zählen der ausdrückliche Wunsch nach Teilzeitarbeit (29,7 Prozent) und schulische oder berufliche Aus- oder Fortbildung (20,6 Prozent). Im Vergleich dazu spielen diese Gründe bzw. spielt diese Motivation bei Frauen eine deutlich geringere Rolle (Wunsch nach Teilzeitarbeit zu 26,5 Prozent und Aus- sowie Fortbildung zu 11,0 Prozent).

Raus aus der Teilzeit, raus aus der schlechten Bezahlung

Hinzu kommen bei Frauen oft atypische, prekäre Beschäftigungsverhältnisse wie geringfügige Beschäftigung, freier Dienstvertrag sowie Leih- bzw. Zeitarbeitsverhältnis. Auch typische Frauenberufe sind schlechter bezahlt als typische Männerberufe. So waren im Jahr 2022 8,4 Prozent der unselbstständig erwerbstätigen Frauen im Gesundheits- und Sozialwesen und 16,6 Prozent im Handel tätig. Vor allem der Pflegebereich ist weiblich. Bei Männern typisch sind dagegen die Warenproduktion mit 25,6 Prozent und das Baugewerbe mit 17,7 Prozent, was grundsätzlich besser bezahlt ist.

Diese Zahlen zeigen, dass es auch 113 Jahre nach dem ersten Internationalen Frauentag noch immer Luft nach oben gibt und nach wie vor Handlungsbedarf besteht. Konkret bedeutet das den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen, damit beide Elternteile auf Wunsch und bei Bedarf einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen können. Außerdem müssen Frauen beim eigenen Bildungs- und Berufsweg mehr Wahlfreiheit erlangen. Einerseits geht es darum, typische Frauenberufe auch finanziell aufzuwerten, um diese insgesamt, so auch für Männer, attraktiver zu machen und zu durchmischen. Andererseits sollten Frauen noch mehr darin gestärkt werden, in bisherige Männerdomänen wie MINT-Berufe vorzudringen, was meist höhere Gehälter und auch Führungspositionen mit sich bringt. Hierzu muss schon im Kleinkindalter und in frühkindlichen Bildungsinstitutionen angesetzt werden, um verkrustete Rollenbilder aufzubrechen.

Hinzu kommt die Notwendigkeit einer adaptierten Frauenpolitik, die die aktuellen Bedürfnisse von Frauen – ob mit oder ohne Familie und Nachwuchs – berücksichtigt. Nur wenn gleichzeitig auf der strukturellen, systemischen und gesamtgesellschaftlichen Ebene angesetzt wird, kann nachhaltige Geschlechter- und Chancengerechtigkeit erreicht werden, damit alle ein selbstbestimmtes Leben führen können.

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