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Internationale Sorge über FPÖ-Wahlsieg

Silvia Nadjivan
Silvia Nadjivan

Wirklich überrascht reagierte niemand innerhalb und außerhalb Österreichs auf den FPÖ-Stimmengewinn von fast 29 Prozent. Breite Bestürzung lässt sich international dennoch erkennen.

Während die FPÖ nach dem üblichen blauen Montag auch noch den Dienstag frei nahm, überschlugen sich die internationalen Pressestimmen zu den Ergebnissen der letzten Nationalratswahlen in Österreich. Vor allem englischsprachige Medien verwiesen sogleich auf die Tatsache, dass die FPÖ von ehemaligen Nazis gegründet wurde, wie der Kurier in einem umfangreichen Überblick zusammenfasst. Zitiert werden darin auch zahlreiche Analysen in deutschen, französischen, italienischen und spanischen Zeitungen, wonach Österreich vor einer Zäsur stehe, eine Regierungsbildung schwierig werde.

Alarmsignal fürs gemeinsame Europa

Fast einstimmig wird international vor einer Normalisierung der extremen Rechten und vor einem möglichen (wörtlich) Volkskanzler Herbert Kickl gewarnt. Allzu bekannt sind die früheren Skandale der FPÖ wie der Ibiza-Skandal, der BVT-Skandal mit all den Verbindungen zum russischen Geheimdienst, die engen FPÖ-Kontakte mit den rechtsextremen Identitären und schließlich Kickls kostspieliger Flop (2,3 Millionen Euro) mit der berittenen Polizei zu dessen Zeit als Innenminister. Dass Kickl immer wieder den ungarischen Premier Viktor Orbán als Vorbild für einen antidemokratischen Umbau des österreichischen Staats nennt, weiß man genauso gut wie dass das FPÖ-Wahlprogramm dezidiert antieuropäisch ist. Das heißt, die FPÖ würde in Regierungsfunktion supranational bindendes EU-Recht bei Bedarf missachten, vor allem bezogen auf die gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik

Ansporn für die extreme Rechte insgesamt

Mit besonders großer Sorge werden die österreichischen Entwicklungen in Deutschland beobachtet, wo die rechtspopulistische AfD bei den letzten Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg große Stimmenzugewinne erreicht hat. Schließlich pflegen FPÖ und AfD sehr gute Kontakte, auch wenn sie im Europäischen Parlament jetzt nicht mehr derselben Fraktion, sondern zwei nahe gelegenen Familien angehören, jener der „Patrioten für Europa“ und „Europa der Souveränen Nationen“. Nachdem sich Marine Le Pen mit ihrem Rassemblement National jeglichen Verdachts neonazistischer Anwandlungen entledigen wollte und aus diesem Grund die AfD aus der früheren gemeinsamen ID-Fraktion ausschloss, kokettiert Kickl unter den Argusaugen internationaler Beobachter:innen mit rechtsextremistischen Jargons wie „Großer Austausch“ oder Völkerwanderung, „Remigration“, inklusive Abschiebungen und Pushbacks, sowie Volkswille, im autokratischen Sinn.

Der Economist weist darauf hin, dass Herbert Kickl als politisches Vorbild Viktor Orbán nennt und Russlands Einmarsch in die Ukraine nicht verurteilt hat.

Keine Rede von politischen Sanktionen

Trotz internationaler Berichterstattung vor und nach den Nationalratswahlen, insbesondere hinsichtlich der Risiken fürs gemeinsame Europa, ist heute – im Gegensatz zur ersten ÖVP-FPÖ-Regierung seit 2000 – keine Rede von EU-Sanktionen gegen Österreich. Zumal damals eine derartige Regierungsbeteiligung der extremen Rechten noch ein Tabubruch in Europa war und mittlerweile in vielen EU-Ländern rechtspopulistische Parteien zum politischen Mainstream gehören. Allein im Europäischen Parlament dürfte es heute keine Mehrheit für einen derartigen Beschluss geben. Zu groß ist der Einfluss rechtspopulistischer Fraktionen. War Frankreich damals noch die treibende Kraft dahinter gewesen, so steht es 24 Jahre später selbst unter dem Druck der extremen Rechten und Linken. Dagegen hält Valérie Hayer, Vorsitzende der liberalen Renew-Group, auf X (ehemals Twitter) die Erinnerung an das nazistische Erbe der FPÖ hoch.

Mögliche Isolation Österreichs

In Regierungsfunktion, ob mit oder (unwahrscheinlich) ohne Parteichef Kickl, wäre die FPÖ ein wichtiger Verbündeter von antieuropäischen Autokraten wie Viktor Orbán in Ungarn und Robert Fico in der Slowakei. Im Europäischen Rat könnten gemeinsame Beschlüsse zur Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg völlig zum Erliegen kommen. Österreich selbst könnte mit einer FPÖ-Regierung dagegen aus der internationalen Geheimdienst-Zusammenarbeit ausgeschlossen werden. Das war schon einmal der Fall: im Zuge des BVT-Skandals seit 2018 unter Kickl als Innenminister. Dementsprechend misstrauisch ist man auf internationaler Ebene bezüglich der FPÖ-Nähe zur rechtsextremen Szene und zum Kriegstreiber Putin. Ein Ausschluss Österreichs aus dem internationalen Nachrichtendienst wäre allerdings eine Katastrophe. Man denke nur an die verhinderten Terror-Anschläge im Zuge der Pride Parade im Juni 2023 und der letztlich abgesagten Taylor-Swift-Konzerte letzten Sommer in Wien. Die Hinweise kamen ausschließlich aus dem internationalen Geheimdienstnetzwerk. Umso dringlicher erscheinen jetzt die Warnungen von außerhalb.

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