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NEOS – aus der Mitte für die Mitte

Während sich gerade die Altparteien in den vergangenen Jahren um neue Positionierungen bemüht haben, hat sich NEOS als liberale Kraft der Mitte etabliert. Ein Beitrag von Indra Collini.

"Der legitime Platz des Liberalen ist zwischen allen Stühlen." Marion Gräfin Dönhoff, 1971

Bei der Gründung von NEOS vor bald zehn Jahren ist nicht Ideologie im Fokus gestanden, sondern Idealismus und der Wunsch dieses Land nach vorne zu bringen und unseren Kindern einen guten Ort zu hinterlassen. Bürgerinnen und Bürger, Menschen mitten aus dem Leben, sind angetreten, um Österreich zu erneuen. NEOS war und ist vom Gründungsgedanke her eine postideologische Unternehmung. Im Vordergrund stand nicht, ob eine so dringend nötige Reform des Bildungssystem eher „linke“ Ideen vom Aufstieg durch Bildung aufgriff. Oder eine dringend nötige Pensionsreform angesichts des demografischen Wandels als „rechts“ eingestuft wurde. Im Mittelpunkt steht und stand die beste Lösung für Menschen in diesem Land – frei von Ideologie.

Die österreichische Innenpolitik steckte 2012 in der Sackgasse der Großen Koalition, die für Herausforderungen unserer Zeit keine Antworten, sondern nur kleinste gemeinsame Nenner hatte. Den Unternehmerinnen, Lehrern, Eltern und Studierenden, die sich bei NEOS aus der Taufe gehoben haben war klar, dass das nicht reicht. Denn politischer Stillstand gefährdet nicht nur unseren Wohlstand sondern vor allem die Chancen unserer Kinder, sich in dieser Republik entfalten zu können. Das politische Start-up NEOS wurde auch gegründet, um das politische System nachhältig zu verändern. Viele unserer Vorschläge für ein neues Österreich von damals sind heute aktueller denn je, zahlreiche neue Ideen sind hinzugekommen und zehn Jahre nach der Gründung hat sich NEOS durch Wahlerfolge, mutige Oppositionspolitik und Regierungsbeteiligungen in Bund Ländern und vielen Gemeinden etabliert.

Wie das eingehende Zitat von Marion Gräfin Dönhoff andeutet, ist unsere Positionierung für die Menschen anstatt für die Mächtigen mit starkem Fokus auf die kommenden Generationen frei von dogmatischer Ideologie für Österreich untypisch. Liberale Parteien haben hier - anders als etwa in unserem Nachbarland Schweiz - keine große Tradition und werden dadurch oftmals durch ihre Nähe oder Distanz zur konservativen ÖVP oder der sozialdemokratischen SPÖ definiert. Wo NEOS steht, hat sich aber stets leicht beantworten lassen: Das neue Österreich hat sich stets als Partei der Mitte verstanden, als Bewegung von Menschen aus der Mitte der Gesellschaft für ebenjene Mitte. 

Wird in der Politik nach der Ideologie gefragt, beschränkt sich die Frage oft auf eine simple Positionierung: Von links bis rechts. Während politische Ideologien auf der linken Seite ihre Ziele eher auf Umverteilung und Interventionismus ausgerichtet sind, sind sie auf der rechten Seite auf Kulturkämpfe und nativistische Maßnahmen getrimmt, die die soziale Ordnung der „guten, alten Zeit“ konservieren sollen. Beiden Seiten ist jedenfalls gemein, dass sie kollektiven Zwang und Staatsgewalt als Mittel zum Zweck sehen, um ihre Ideen durchzusetzen. 

Konservativen und Sozialisten sei gemein, so formulierte es der österreichische Ökonom und Träger des Preises der Schwedischen Nationalbank in Erinnerung an Alfred Nobel, Friedrich August von Hayek, dass die soziale Ordnung die Folge von ständiger Beaufsichtung durch Autorität sei. Als Liberale hingegen ist dieses ständige Misstrauen gegen die Wähler_innen als Souverän der Demokratie eine Zumutung. Liberale befinden sich daher jenseits dieses simplen Links-Rechts-Spektrums, in einer eigenen Dimension von Freiheit und Selbstbestimmtheit (McCloskey, 2019). Politik ist für Liberale eben nicht der Ort, an dem eine Mehrheit eine Minderheit herumschubst und diese Mehrheit eben manchmal ein bisschen weiter links und manchmal ein bisschen weiter rechts steht. Politik muss der Ort sein, wo wir uns alle ausmachen, wie wir bei allen Unterschieden miteinander leben wollen – und das mit der größtmöglichen Selbstbestimmung.

Wenn aber nun die von Medien und Kommentatoren gerne genützte Darstellung der ideologischen Verortung von links und rechts so unterkomplex ist, wie können wir dann die liberalen Ideen von NEOS verorten? Statt nur einem Parteienspektrum (von links bis rechts) kann man mehrere Ebenen in denen sich Parteien positionieren betrachten. In der Gesellschaftspolitik - also jene Themenfelder, in denen sich entscheidet, wieviel Gestaltungsspielraum der Staat seinen Bürger_innen lässt - als Individuen zu entscheiden, wie und mit wem sie leben wollen, was sie aus ihrem Leben machen wollen und wie sie die demokratischen Institutionen organisieren. In der Wirtschaftspolitik, in der wir uns auf die Freiheitsgrade für das unternehmerische und wirtschaftliche Handeln verständigen. NEOS ist dabei eine „klassische Partei der Mitte“, gesellschaftlich libertär und wirtschaftlich liberal positioniert (vgl. Johann, Jenny, Kritzinger). Das Programm von NEOS steht und stand unter anderem für eine deutliche Steuerentlastung, eine ambitionierte Bepreisung von CO2, eine Pensionsreform zur langfristigen Sicherung des Sozialstaats, gleiche Rechte unabhängig vom Geschlecht, Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten entlang eines modernen Bildes von Familie sowie Aufstieg durch Bildung und eine radikale Reform der Parteienfinanzierung.

Für eine kleine Oppositionspartei waren unsere Forderungen und Ideen inhaltlich oftmals sehr konkret: Keine andere politische Kraft hatte etwa ein fertig durchgerechnetes Konzept zur CO2-Bepreisung bzw. zu einer umfassenden Steuerentlastung in Österreich. 
Ein Kernwert von NEOS, evidenzbasiert zu Lösungen für die Herausforderungen beizutragen, ist hier immer wieder zum Tragen gekommen.

In der Mitte verwurzelt

Aktuellere Vergleiche von Politologen für die Programme zur Nationalratswahl 2019 zeigen, dass sich an der Positionierung als klassischer liberaler Partei der Mitte eher wenig verändert hat. Als Partei für eine progressive Gesellschaft und liberale Wirtschaftspolitik wird NEOS auf Basis des Programms zur aktuellsten Nationalratswahl – ähnlich zur FDP - im gesellschaftlich libertären und wirtschaftlich liberalen Parteienspektrum aus deutscher Sicht zugeordnet. (Vgl. Thömmes und Thomeczek 2019).

Es ist daher kein Wunder, dass sich NEOS als liberale Partei in der europäischen Parteienfamilie der ALDE eingefunden hat, in der sowohl gesellschafts- als auch wirtschaftsliberale Verbündete vertreten sind.  

NEOS hat sich in der Mitte etabliert und breiter verwurzelt. Das zeigt sich auch an den Umfragen der jüngeren Vergangenheit, die die Partei bei rund elf bis zwölf Prozent ausweisen und damit deutlich über dem Ergebnis der NRW 2019.

Als bei der Gründung von NEOS vor zehn Jahren das Ziel ausgegeben wurde, „den politischen Stillstand in Österreich aufzubrechen“, ging es aber nicht nur um die Etablierung einer liberalen Partei, sondern auch um eine neue Form von Politik. Nicht nur der Einzug ins Parlament, in die Landtage oder Regierungen waren das Ziel, sondern auch neue Methoden und Spielregeln in der Politik zu verankern: NEOS verordnete sich von Anfang an Transparenz. Unsere Ausgaben und Einnahmen stehen – auch heute noch einmalig in Österreich – laufend online der Öffentlichkeit zur Verfügung. Auch die Offenheit der Partei für die Beteiligung von Bürger_innen war immer ein Kernanliegen, das vom Prozess der Vorwahl beim Erstellen der Wahllisten, über die Mitsprache der Mitglieder bis hin zu kollaborativ verfassten Wahlprogrammen und digitaler Mitsprache reicht. 
Auch war es nie Ziel, eine Partei von Berufspolitiker_innen zu etablieren, sondern gerade auch Menschen aus Wirtschaft und Gesellschaft einzubinden und Quereinstiege zu ermöglichen.

Saubere und transparente Politik waren von Beginn an eine Kernforderung. Die jüngsten Skandale, die die österreichische Innenpolitik erschüttert haben, machen Maßnahmen für mehr Transparenz notwendiger denn je.

In den 10 Jahren seit der Gründung hat sich NEOS als neue politische Kraft in Österreich etabliert, ist mit 15 Abgeordneten im Nationalrat, erstmals im Bundesrat und in sieben von neun Landtagen vertreten. In zwei Bundesländern, Salzburg und Wien, ist NEOS in Regierungsverantwortung.

Anker in turbulenten Zeiten

Auch anhand der in diesem Jahrbuch gestellten Frage Wie hat sich das Neue Österreich ideologisch entwickelt? zeigt sich, dass gerade die politischen Mitbewerber mit der Positionierung von NEOS noch immer ringen. Denn während viele Kernanliegen von NEOS unverändert geblieben sind, hat sich das politische Umfeld teils dramatisch verändert. Versprechen einer neuen Politik durch etablierte Parteien (Christian Kern bei der SPÖ, Sebastian Kurz bei der ÖVP) haben zwar kurzfristig zu Aufbruchstimmung geführt. Diese hielt im Falle der Sozialdemokratie jedoch nur kurz an (Plan A) und bei der Volkspartei von 2017 bis 2021.

Diese zwischenzeitlichen ideologischen Neupositionierungen von ÖVP und SPÖ haben vor allem dazu beigetragen, dass in den vergangenen zehn Jahren drei Mal gewählt und noch öfters der Bundeskanzler ausgetauscht wurde. Das Land jedoch hat von dieser personellen Dynamik wenig gehabt – weil sie nicht Hand in Hand mit politischer Reformdynamik ging. Immer noch verlassen zu viele junge Menschen ein teures Bildungssystem ohne Perspektive und immer noch zeigen internationale Indizes zur Wettbewerbsfähigkeit, dass Österreich zwar ein reiches Land ist, aber von der Substanz lebt. Immer noch ist der politische Apparat durch üppige Parteienfinanzierung ausgestattet und intransparent. Immer noch steuert das Pensionssystem angesichts des demografischen Wandels auf eine immer stärkere (Über-)Forderung des Bundeshaushalts zu. Auch eine echte Verwaltungsreform, die Aufgaben und Verwantwortungen im österreichischen Föderalismus hinterfragt, steht immer noch an.

Die Überwindung dieses politischen Stillstands ist nach wie vor das Ziel von NEOS. Die Erneuerung des politischen Österreichs mit engagierten Menschen und lebensnahen Lösungen, die auch zukunftsfit sind. Das muss per se nicht ideologiegetrieben sein. Dringender denn je braucht die österreichische Politik liberale Konzepte ohne Scheuklappen und idealistische Menschen aus der Mitte, die mutig anpacken, um das Land zum Besseren zu verändern.

Quellen

Johann, David; Jenny, Marcelo und Kritzinger, Sylvia (2014): Mehr Wettbewerb bei Österreichs Wahlen? Die neue Partei NEOS und ihre engsten Konkurrenten.

David Johann, Marcelo Jenny und Sylvia Kritzinger

McCloskey, Deirdre (2019): Why Liberalism Works. Yale University Press.

Adrian Léon Thömmes, Adrian L. und Thomeczek, Jan P. (2019): Wo stehen die Parteien in Österreich? Eine Analyse der Parteiprogramme zur Nationalratswahl 2019, Universität Münster.

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