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Politiker gegen Moderator: Herbert Kickl im ORF-Sommergespräch

Die Sprechwissenschaftlerin Susanne K. Weber hat für das NEOS Lab die ORF-Sommergespräche analysiert. Herbert Kickl ist angriffig, unterbricht den Moderator und wird bei unangenehmen Fragen emotional. 

Das Folgende ist eine Analyse von Körpersprache und Rhetorik, es geht dabei nicht um inhaltliche Argumente. 

Herbert Kickl gibt sich zunächst betont ruhig und besonnen, um dann im Verlauf des Gesprächs jeglichen Respekt vermissen zu lassen. Als Moderator Martin Thür einhakt, wo Kickl einsparen wolle, führt dieser aus: „Ich war ja noch net fertig mit dieser Liste. Bissl Geduld müssen S’ schon haben, ich meine, ein Gespräch besteht darin, dass Sie fragen und da dürfen S’ ausreden, und ich darf dann antworten! Darf ich hoffentlich auch ausreden, ja?!“ Sein Tonfall wirkt dabei belehrend und von oben herab, als hätte er es mit einem etwas begriffsstutzigen Schulbuben und nicht mit einem erfahrenen Journalisten zu tun.

Zweierlei Maß 

Diese Vorhaltung zeigt neben herablassendem Verhalten und dem Verletzen der Augenhöhe auch Kickls Hang zu zweierlei Maß. Im Verlauf des Gespräches gibt es nämlich eine Vielzahl von Stellen, an denen Kickl selbst unterbricht oder Martin Thür bei unangenehmen Fragen „niederredet“ und ignoriert. Dies artet mitunter in Wortgefechte aus, wie zum Beispiel beim Thema „Hans-Jörg Jenewein“, als Thür versucht, wieder Ordnung und Form in das Gespräch hineinzubringen, indem er sagt: „Herr Kickl, Herr Kickl noch einmal: Ich stell hier die Fragen, und die Frage war: Ist das, was Herr Jenewein gemacht hat, mutmaßlich gemacht hat, ist das sauber?“, wobei er immer wieder unterbrochen wird und Kickl schließlich das letzte Wort für sich beansprucht, indem er den Moderator vehement angreift „Was Sie da jetzt machen, ist nicht sauber!“ Bei seinen Stammwähler:innen könnte das verbucht werden unter „Kickl hat den Punkt gemacht!“ Auf viele andere hat es sicherlich die Wirkung von Respektlosigkeit und Einschüchterungsversuch.

Mit dem erhobenen Zeigefinger 

Dieser Eindruck wird verstärkt durch Kickls häufig eingesetzten Zeigefinger in Richtung Gesprächspartner (nicht umsonst ist im Englischen von „Fingerpointing“ die Rede, auch im übertragenen Sinn), der mit druckreicher Artikulation einhergeht, wie zum Beispiel in dem Moment, als Thür Kickl nach seiner Ehrlichkeit in Bezug auf eine Firmenbeteiligung befragt. Darauf antwortet Kickl, zeigefingereinsetzend „Erstens stimmen diese Zahlen nicht, jetzt müssen S’ (Anm.: Hier kommt der Finger), a bissl vorsichtig sein, ich glaube, Sie zitieren hier indirekt aus meinem Steuerakt [...]“.

Angriff als Verteidigung 

Kickl wird, aus psychologischer Sicht absolut nachvollziehbar, immer dann unangenehm emotional, wenn kritische Fragen kommen. Auf die mögliche Bedrohung seiner Reputation reagiert er mit Wut und Empörung, (ein anschauliches Beispiel übrigens dafür, wie verletzte Bedürfnisse und unangenehme Emotionen gekoppelt sind). Darauf reagiert Kickl dann einige Male mit der sogenannten Ad-personam-Taktik (lateinisch für „auf die Person abzielend“), nämlich indem er den Moderator wieder persönlich angreift und ihm anschließend noch wiederholte Male und in unterschiedlicher Form „unsauberen Journalismus“ vorwirft.

(Bild: Parlamentsdirektion/Thomas Topf/Montage)

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