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Sympathie statt Polarisierung: Werner Kogler im ORF-Sommergespräch

Die Sprechwissenschaftlerin Susanne K. Weber hat für das NEOS Lab die ORF-Sommergespräche analysiert. Werner Kogler verkörpert mit seiner abwägenden Art das Wesen des Kompromisses. 

Das Folgende ist eine Analyse von Körpersprache und Rhetorik, es geht dabei nicht um inhaltliche Argumente. 

Mit Durchsetzungskraft und Klarheit besticht Werner Kogler, vor allem zu Beginn des Gesprächs, eher nicht. In einer 8-zeiligen Antwort unterlaufen ihm mitunter zehn „Ähs“, was unsicher wirkt, so als würde er sich nicht wirklich auskennen, und nach einer Weile beim Zuhören auch Anstrengung verursacht.

Beispielsweise wenn er sagt: „Ich glaub ma muss schon, äh, man muss schon aus der, aus dem System heraus hier Änderungen vorschlagen, und Johannes Rauch hat ja bewiesen, dass er sich, äh, auch mit der zitierten Ärztekammer, die ja öfter auch, äh, seltsame Spiele spielt, äh, sich anlegt, äh, dass wir bereit sind, äh, Ressourcen ins System zu stecken, und, äh, da ist, äh, wirklich was passiert!“ 

Diese langen Sätze, in denen kaum Stimmsenkungen vorkommen, erschweren die Verständlichkeit und gehen einher mit auffallend wenig Blickkontakt und wenig Gestik.

Im Laufe des Gesprächs nimmt er schließlich deutlich Fahrt auf, die Anzahl der „Ähs“ verringert sich, und er platziert zunehmend selbstsicher, mit immer aktiverem Einsatz der Hände, die grünen Botschaften „Genau dafür sind wir angetreten!“, „Klimaschutz kriegst du nur mit Grün!“. 

Zwischen eigener Überzeugung und dem Vagen 

Prinzipiell verwendet Kogler allerdings viele Formulierungen, die das „Vage“ betonen und immer wieder wenig Überzeugung vermitteln, wie beispielsweise „ich glaub“, „ich find“, „es wird ja nix einzuwenden sein“, oder „die Quoten halbwegs stimmen“.

Abwägen von Pro & Contra

Gleichzeitig liegt in dieser zunächst scheinbaren Schwäche Koglers auch eine Stärke, so wie jeder Wert im Leben auch einen Gegenwert hat – die berühmten zwei Seiten einer Medaille!

In Entschlossenheit und Entscheidungsfreude liegt eine Qualität, im Abwägen und Bedenken auch! Wichtig ist, dass diese Qualitäten nicht in ihre entwertenden Übertreibungen kippen, sonst hätten wir es in diesem Beispiel mit „blindem Alleingang“ versus Zergrübeln und Entscheidungsschwäche zu tun.

Kogler bemüht sich außerdem, auf sein Gegenüber einzugehen. Sätze wie „Sie werfen gerade ein [...]“, „Ich möchte ja gern das aufgreifen, was Sie einbringen [...]“ oder „Ich komm gleich drauf [...]“ zeugen davon. 

Bei Werner Kogler zeigt sich deutlich, dass er ein Freund der Dialektik ist. Dass im Erörtern des „Pro & Contra“ und Bedenken verschiedener Blickwinkel sein Beitrag liegt. Er maßt sich kaum an, „die eine Wahrheit“ zu besitzen, geschweige denn bloße Behauptungen zu verkünden, so wie ein Herbert Kickl dies tut. 

Erfrischend wenig Polarisierung 

Kogler wägt ab! Sowohl körpersprachlich als auch verbal. Und repräsentiert damit das Wesen des Kompromisses. Er verwendet Formulierungen wie „[...] das zumindest theoretisch und am besten auch praktisch[...]“ und „Aber gut! Oder schlecht!“ Und während er von verschiedenen Rechtsgütern spricht und sagt „Es bleibt trotzdem die schwierige Abwägung“, wägen seine Hände gleichzeitig, zu zwei offenen Schalen geformt, links und rechts ebenfalls ab. Dabei wirkt er unaufgeregt und gelassen, als wolle er sagen: „So ist das nun einmal in einer dualistischen Welt!“

Von Mensch zu Mensch 

Zur Dialektik gesellt sich seine Bereitschaft, frei heraus Fehler einzugestehen. Offen verkündet Kogler „Ja, ich hab einmal dort eine unpassende, ja völlig unintelligente Wortwahl gewählt [...]“ und macht auch transparent, was ihn emotional bewegt „[...] aber was mich aufgeregt hat [...]“, was ihn sympathisch erscheinen lässt, denn Derartiges kann fast jeder Mensch nachvollziehen.

(Bild: Parlamentsdirektion/Katie-Aileen Dempsey/Montage)

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