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Und was wird aus den Pensionen?

Nicht nur Österreich, sondern fast die ganze Welt ist mittlerweile im Zeitalter der Entvölkerung angekommen: Die Fertilität sinkt oder stagniert auf niedrigem Niveau, gleichzeitig steigt die Lebenserwartung immer weiter. Was bedeutet das für den Sozialstaat? Und wird einmal die Pensionen der Jungen bezahlen? Von Georg Lundström-Halbgebauer und Lukas Sustala.

Der Generationenvertrag ist brüchig 

Der Generationenvertrag bildet das Fundament des österreichischen Pensionssystems. Hierzulande findet die Altersvorsorge im Großen und Ganzen in der staatlichen, ersten, Säule statt, die auf einem Umlageverfahren basiert: Die aktuell Erwerbstätigen finanzieren mit ihren Beiträgen die Pensionist:innen. Dieses System funktioniert, solange ein Gleichgewicht zwischen Einzahler:innen und Bezieher:innen besteht. Doch das gerät zunehmen aus dem Lot: Die niedrige Geburtenrate von derzeit etwa 1,4 Kindern pro Frau führt langfristig zu einem Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung. Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung, was die Zahl und Dauer der Pensionsbezüge erhöht. Die höhere Teilzeit-Beschäftigung sorgt auch dafür, dass das Beitragsaufkommen nicht mehr so stark steigt. Der Anteil der über 65-Jährigen an der Bevölkerung wächst kontinuierlich und liegt schon 2022 bei knapp 20 Prozent. Diese Entwicklungen stellen die finanzielle Nachhaltigkeit des Systems infrage. Können sich also zukünftige Generationen noch auf ihre Pension verlassen? 

Laut einer im April 2024 veröffentlichten Studie sind schon 62 Prozent der 18- bis 30-Jährigen der Meinung, dass sie mit der gesetzlichen Pension ihren gewünschten Lebensstandard im Ruhestand nicht aufrechterhalten werden können. Dafür gibt es einen guten Grund: Die Finanzierung der gesetzlichen Pensionsversicherung ist gefährdet, denn die Pensionsversicherung gibt mehr Geld aus, als sie einnimmt. 

Schon 2022 kamen auf eine:n Pensionist:in nur etwa 1,7 Berufstätige. 2040 werden es voraussichtlich nur mehr 1,5 sein. Es müssen also immer weniger Berufstätige das Pensionssystem erhalten. Die Boni, Zuschüsse und Einmalzahlungen der Krisen-Jahre haben das Finanzierungsproblem noch weiter verschärft, sowohl kurzfristig als auch durch langfristige Mehrkosten in Milliardenhöhe. 

Das Budget sanieren heißt Pensionsreform 

Bisher hat die Regierung das Defizit bei der gesetzlichen Pensionsversicherung durch Zuschüsse ausgeglichen. Doch bei einer Staatsverschuldung von fast 395 Milliarden Euro oder etwa 79 Prozent des BIP muss Österreich sparen, wenn die nächste Regierung ein EU-Defizitverfahren vermeiden will. Es gibt den lakonischen Satz des ehemaligen SPÖ-Finanzministers Hannes Androsch, der sagte: „In Österreich heißt es, die Pensionen sind sicher. Das stimmt schon, wenn es das Budget zahlt. Nur ist dann das Budget nicht sicher.“ An diesem Punkt sind wir. Ein immer höherer Anteil des Bundesbudgets geht in den nächsten Jahren in die Stützung des Pensionssystems, das an und für sich als Versicherungssystem konstruiert ist. Neue Gutachten der Alterssicherungskommission (die parteipolitisch besetzt ist und daher keine übertriebenen Forderungen stellt) zeigen: Jetzt geht es schnell. Die Bundesmittel für die Pensionen lagen 2019 noch bei 2,4 Prozent des BIP, 2029 werden es bereits 3,8 Prozent des BIP sein.

Wer also ernsthaft das Budget sanieren möchte, muss den Ausgabenpfad bei den Pensionen dämpfen. Eine Pensionsreform mag für die Budgetsanierung nicht ausreichend sein, aber ohne Pensionsreform erscheint eine Sanierung mittelfristig aussichtslos. Bis 2028 etwa werden allein rund 15 Milliarden Euro benötigt, um nur die Maastricht-Regeln zum Defizit von 3 Prozent zu erreichen, hat der Budgetdienst errechnet. 2028 werden die Bundesmittel laut ASK bereits auf 20,9 Milliarden Euro gestiegen sein, 2019 waren es noch 9,6 Milliarden Euro. Auch als Anteil der gesamten Bruttosteuern des Bundes haben die Pensionen von 2019 auf 2027 massiv zugelegt: Die Bundesmittel machten 2019 noch rund zehn von 100 Euro Steuereinnahmen aus, 2027 werden es schon 15 von 100 sein.

Warum Migration nicht die Antwort ist 

Eine häufige Antwort auf die demografische Herausforderung, vor der Österreich steht, ist kontrollierte Migration. Während das vielleicht kurz- bis mittelfristig nützlich sein kann, zeigt ein Blick über die Landesgrenzen, dass Outsourcing uns auf lange Sicht die großen Reformen nicht ersparen kann. Die demografische Ersatzrate, also jene Geburtenrate, bei der die Bevölkerung eines Landes stabil bleiben würde, liegt bei 2,1. Doch laut UNDP, der Entwicklungsagentur der Vereinten Nationen, haben schon jetzt zwei Drittel aller Staaten weltweit eine Fertilität unter der Ersatzrate. Das trifft auf entwickelte Länder ebenso zu wie auf Entwicklungsländer und Least Developed Countries (LDCs). Die einzigen zwei Ausnahmen bilden die USA und Subsahara-Afrika, doch selbst dort gehen die Geburtenraten zurück. In der EU sterben bereits seit 2012 jedes Jahr mehr Menschen, als es Geburten gibt. 

Wichtigster Prädiktor für die Geburtenrate dürfte sein, wie viele Kinder Frauen haben wollent. Doch staatliche Initiativen die Geburtenrate zu steigern sind bisher vielerorts gescheitert. Wie es aussieht, müssen wir also lernen, in dieser neuen, kinderarmen und grauhaarigen Welt zu leben. Das heißt auch, dass wir uns langfristig nicht darauf verlassen können, qualifizierte Arbeitskräfte zu importieren, um das System aufrecht zu erhalten – allein schon, weil der Wettbewerb um dieses nachgefragte Gut immer heftiger werden wird. 

Dazu kommt, dass nicht gesagt ist, dass Zuwanderung auch das Pensionssystem entlastet. Das hängt stark von den jeweiligen Erwerbsbiografien ab und setzt dauerhaft hohe Erwerbsquoten voraus.

Wer nicht wagt, kann nicht gewinnen

Die Österreicher:innen haben im internationalen Vergleich eine der niedrigsten Eigentumsquoten, obwohl die Einkommen im europäischen Spitzenfeld liegen. Liegt das nur an den unleistbaren Immobilien? Zum Teil. Ja, es stimmt: Die Immobilienpreise sind in den letzten zwei Jahrzehnten den Einkommen davongaloppiert. Doch Österreicher:innen sind in ihrer Anlagestrategie übermäßig konservativ. Selbst um Indexfonds machen die meisten Menschen einen großen Bogen. Anleihen oder Aktien sind in den meisten Einkommensklassen ebenso unbeliebt. Doch wer 30 Jahre lang gerade einmal inflationsgesichert „anlegt“ und dann auch noch Kapitalertragsteuer in der Höhe von 27,5 Prozent zahlen muss, der kann nicht vom Zinseszins profitieren. Das Resultat: wenig Eigentum, und damit eine hohe Abhängigkeit von den staatlichen Pensionen. Es wäre daher höchste Zeit, endlich die dritte Säule der Pensionen auszubauen. Die Kapitalertragsteuer auf private Altersvorsorge sollte fallen. Und es braucht finanzielle Bildung – in den Schulen, an den Universitäten, und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, damit weit verbreitete Mythen über den „bösen Aktienmarkt“ keinen fruchtbaren Boden mehr finden. 

Länger arbeiten? Ja, bitte! 

Um der gestiegenen Lebenserwartung (ja, auch in Gesundheit) Rechnung zu tragen, sollten diejenigen, die noch arbeiten wollen, auch nach dem 65. Geburtstag noch arbeiten dürfen. Hier könnte man sich an skandinavischen Modellen orientieren, die bereits umgesetzt sind: Dort ist es möglich, ab 62 selbst zu bestimmen, wann man in Pension geht; mit den entsprechenden Zu- und Abschlägen. 

Wir brauchen mehr Wachstum, nicht mehr Beitragszahler:innen 

Es ist also klar, dass umlagefinanzierte Pensionssysteme auf Dauer nicht halten können, wenn immer mehr Auszahlungen immer weniger Einzahlungen gegenüberstehen – nicht nur in Österreich, sondern fast überall auf der Welt. Doch nicht nur die Zahl der Einzahler:innen ist wichtig, sondern auch, wie viel sie einzahlen. Die treibende Kraft für wirtschaftliches Wachstum ist Innovation und Know-how. Bei beidem geht es um Klasse statt Masse. Einerseits muss Österreich als Teil eines geeinten Europa massiv in Bildung und lebenslanges Lernen investieren. Andererseits kann sich die Leistung von immer besser ausgebildeten und immer spezialisierteren Arbeitskräften am besten in einem Umfeld von internationalem Freihandel entfalten. Wollen wir die Pensionen retten, müssen wir handeln.

(Bild: insta_photos/iStock)

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