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Was eine echte Bürger_innenbewegung ausmacht

Ein Blogbeitrag von Josef Lentsch

Gestern war einer dieser Abende, an denen ich meinen Job wirklich liebe. Bei „Ungarn, ein Jahr vor der Wahl“ (Aufzeichnung hier) war András Fekete-Györzu Gast. András ist Gründer und Vorsitzender der ungarischen Bürger_innenbewegung Momentum. Vor 60 begeisterten Anwesenden, davon 50 mit ungarischem Hintergrund, erzählte er seine Geschichte.

2016 entschloss sich Fekete-Györ zusammen mit jungen Freund_innen, die Zuschauerränge zu verlassen und selbst etwas zur Erneuerung der Politik zu tun. Ähnlich der Operation Libero entschieden sie, ein (geplantes) Referendum der Regierung zur Mobilisierung zu nutzen, und gegen die korruptionsanfällige Olympia-Bewerbung von Budapest ihre Stimme zu erheben. Mit Erfolg: 260.000 Unterschriften wurden gesammelt, und die ungarische Regierungspartei FIDESZ zog das Referendum zurück.

Aus der Sicht von András war aber immer klar, dass aus der Plattform eine Partei werden müsse, denn: Verändern kann man das System nur von innen, aus dem Parlament heraus. Inzwischen wurde diese Partei gegründet, und hat gute Chancen auf einen Einzug ins Parlament 2018: in Umfragen liegt Momentum derzeit bei 7%.

Parallelen mit NEOS 2012 gibt es viele: Ein Start von Null weg, kein Geld, keine Strukturen, Riesenparteiapparate gegen sich, wenig Chance auf Erfolg, dafür aber eine Riesenportion Idealismus und beeindruckende Professionalität der beteiligten Bürger_innen.

Allesamt Bürger_innen, die sich ehrenamtlich engagieren für einen Einzug ihrer Bewegung. Die ein echtes Risiko eingehen in der „illiberalen“ Demokratie Viktor Orbans. So wie Matthias Strolz für NEOS unterbrechen viele Aktivist_innen und Funktionsträger_innen für Momentum erfolgreiche Karrieren in der Privatwirtschaft oder anderswo, um ihr Land zu erneuern. So wie Matthias Strolz wird ihnen mit beruflichen und privaten Konsequenzen gedroht (der damalige ÖVP-Generalsekretär zu Strolz: „Den machen wir tot.“).

Und sie tun es trotzdem. Denn sie glauben fest, dass sie etwas verändern können – ja, sogar müssen. Ihre Haltung ist: „Wer, wenn nicht wir? Wann, wenn nicht jetzt?“

Sie handeln ohne Netz und doppelten Boden. Und ohne garantierten Versorgungsjob danach.

Auch Emmanuel Macron ist von seinem Amt zurückgetreten. Er hat bewusst einen Schnitt gemacht, um sich von dem System zu lösen, das aus seiner Sicht ja genau das Problem ist. Er hat mit En Marche eine echte neue Bewegung aufgebaut. Ohne Altlasten.

Bei der Kurz-ÖVP ist das alles nicht der Fall. Kurz ist weder aus der ÖVP ausgetreten, noch hat er sein Amt als Außenminister zurückgelegt. Die polierte Oberfläche der Liste Kurz ist genauso intransparent wie es die ÖVP immer war. In den Strukturen findet sich immer noch dieselbe Verkrustung.

Wenn die ÖVP sich als Liste Kurz neu erfindet, fein. Eine Partei mit einer vorgeschaltenen Liste ist aber immer noch eine Partei, und keine Bewegung.

Währenddessen sind echte Bürger_innenbewegungen wie Nowoczesna in Polen, Ciudadanos in Spanien, En Marche in Frankreich oder eben NEOS in Österreich und Momentum in Ungarn drauf und dran, das politische Zentrum Europas neu zu erfinden.

Das geht nicht von heute auf morgen. Da gibt es Erfolge und Rückschläge. Das ist mühsam und schmerzhaft. Denn für eine Bewegung braucht es mehr als nur geschickte Inszenierung. Es braucht einen langen Atem und viel Leidensfähigkeit. Es braucht Idealismus und Professionalität. Es braucht politisches Leadership und Partizipation. All das kann man weder kaufen, noch erzwingen. All das muss man leben. All das macht eine echte Bürger_innenbewegung aus.

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