Was vertrauenswürdige Politiker:innen ausmacht
Die Sprechwissenschaftlerin Susanne K. Weber hat für das NEOS Lab die ORF-Sommergespräche analysiert. Welche der Spitzenkandidat:innen besitzen die nötigen Fähigkeiten für ein hohes Amt?
Das Folgende ist eine Analyse der Rhetorik der jeweiligen Politiker:innen, es geht dabei nicht um inhaltliche Argumente.
Die ORF-Sommergespräche geben den Bürger:innen Österreichs im Wahljahr 2024 die Gelegenheit, sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen:
- Von den Bewerber:innen als Persönlichkeit,
- von ihrer bisherigen politischen Arbeit und
- von ihren Standpunkten, Zielen und Lösungsansätzen zu drängenden Themen.
Gleichzeitig bieten sie den Zusehenden aber auch die Chance, Zeug:innen des rhetorischen Verhaltens der einzelnen Kandidat:innen zu werden.
Die Zusehenden dürfen miterleben, wer einerseits in der Lage ist, die eigenen Inhalte klar, verständlich und souverän zu transportieren, und wem andererseits auch zuzutrauen ist, nach der Wahl erfolgreiche Regierungs- und Parlamentsarbeit zu leisten. Diese bedarf einiger ganz bestimmter Fähigkeiten: nämlich Demokratie-, Diskurs-, Konflikt- und Gesprächsfähigkeit!
Wer ist nach der Wahl in der Lage, an einer gemeinsamen Sache für möglichst alle Bürger:innen zu arbeiten?
Hier geht es zur Analyse der einzelnen Gespräche
Vertrauen schaffen
Im Falle der Sommergespräche 2024 befragte Moderator Martin Thür die Spitzenkandidaten und die Spitzenkandidatin stellvertretend für die Zuseher:innen. Das Eingehen auf dessen Fragen bedeutet, die Bürger:innen ernst zu nehmen.
Im Eingehen auf die Fragen liegt etwas Wesentliches, möglicherweise Wahl-entscheidendes: nämlich das Eingehen auf das grundlegende Bedürfnis von Menschen, ernst genommen zu werden und ehrliche Antworten zu bekommen. Das ermöglicht Vertrauen. Und nur wem Wähler:innen vertrauen, dem schenken sie ihre Stimme.
Natürlich kann man sich auch mit falschen Versprechungen Vertrauen erschleichen. Diese Problematik muss am Ende des Tages jede Politiker:in mit ihrem eigenen Gewissen vereinbaren.
Gewinnen kann hier, wem es gelingt, auch unangenehme Wahrheiten so offen, transparent und klar zu vermitteln, dass die Bürger:innen diese nachvollziehen und verstehen können. Das ist durchaus eine Kunst und erfordert Mut.
Welchen Kandidat:innen trauen wir nun zu, dieses Ziel der gemeinsamen Sache ernsthaft zu verfolgen? Und wer erweckt den Eindruck, nur gut dastehen zu wollen? Wer setzt auf kooperative Argumentation, die auf Begründung basiert, und wer wählt die strategische, die durch Angriff und Verteidigung geprägt ist – nicht selten begleitet von Manipulation?
Gleich vorweg: Bei allen Kandidat:innen gibt es Momente des Verteidigens und Ausweichens, oft mit gleichzeitigem Umschwenken auf die eigenen Inhalte. Trotzdem lassen sich deutliche Grundtendenzen und Unterschiede feststellen.
„Wofür anstatt wogegen“
Abgesehen von ideologisch gefestigten Wähler:innen, die kaum noch erreichbar sind und sich leider häufig durch Hetzen und Schimpfen bestätigt fühlen, hat man den Eindruck, ein Großteil der Öffentlichkeit teilt das dringende Bedürfnis nach besseren Kommunikationsfähigkeiten von Politiker:innen. Vor allem wünschen sich viele, dass diese weniger betonen, wogegen sie sind, sondern WOFÜR. Also Lösungsorientierung anstatt Problemorientierung!
Und zwar auch auf die Gefahr hin, einmal Anerkennung für den politischen Mitbewerber zeigen zu müssen.
Heikler Balance-Akt: Selbstpräsentation versus „gemeinsame Sache“
Was also tun? Ist es möglich, die eigenen politischen Botschaften kraftvoll, überzeugend, verständlich und wählertauglich zu vermitteln? Und ist es gleichzeitig möglich, dabei Transparenz, Kooperationsbereitschaft und Gesprächsfähigkeit an den Tag zu legen?
Menschen mit hoher Gesprächsfähigkeit können ihre eigenen Gedanken klar vermitteln und zugleich auf ihr Gegenüber eingehen. Sie respektieren andere Meinungen und tragen so zur gemeinsamen Lösung eines Problems bei. Also zur gemeinsamen Sache.
(Bild: Amélie Chapalain)
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