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Weg von der Gazprom: Durch Unfall oder Strategie!

Es ist die zentrale Frage, wenn es um Energiesicherheit in Österreich geht: Wie wegkommen von russischem Gas? Hierzu lud der NEOS-Parlamentsklub gemeinsam mit dem NEOS Lab am 31. Mai zu einem Expert:innengespräch im Palais Epstein ein. Auf dem Podium sprachen Gerhard Roiss, ehemaliger OMV-CEO, die geopolitische Analystin Velina Tchakarova, Alfons Haber von der E-Control und Karin Doppelbauer, energiepolitische Sprecherin von NEOS.

Fotos: Stefan Popovici Sachim

Seit dem 24. Februar 2022 sieht sich Europa mit einer neuen Realität konfrontiert, die unter dem Schlagwort „Zeitenwende“ den politischen Diskurs bestimmt. In vielen europäischen Staaten wurden als Konsequenz auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine Maßnahmen gesetzt, um energiepolitische Abhängigkeiten von Russland langfristig abzubauen.

So hat Deutschland bereits in Rekordgeschwindigkeit schwimmende LNG-Terminals für die Anlieferung von Flüssiggas gebaut. Umso niederschmetternder ist die Bilanz, dass Österreich mit Ungarn und der Slowakei in der Reihe der Länder steht, die es bislang nicht geschafft haben, ihren Bedarf an russischer Energie zu reduzieren.

Die Auseinandersetzung mit möglichen Alternativen zur Versorgung durch die Gazprom stand im Mittelpunkt des Gesprächs.

Die ganze Diskussion zum Nachsehen

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A bloody contract

Der ehemalige OMV-CEO Gerhard Roiss gibt zu bedenken, dass der noch bestehende Vertrag mit der Gazprom ein baldiges Ablaufdatum hat, nämlich das Jahr 2024. Österreich bezieht sein Gas momentan durch die letzte noch funktionierende Pipeline, die ausgerechnet durch die Ukraine verläuft. Wenig überraschend scheint daher die klare Absage des ukrainischen Energieministeriums bezüglich einer Verlängerungsoption. Es sei ein – im wahrsten Sinne des Wortes – „blutiger Vertrag“.

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Auf europäischer Ebene konnte die Krise, so Roiss, bisher gut gemanagt werden, indem der Gasanteil aus Russland auf 7 Prozent reduziert wurde. Krisenmanagement sucht man in der österreichischen Regierung vergeblich, und dabei läuft uns die Zeit davon. Roiss mahnt: „Auch der Hochsommer wird einmal enden.“

Ein Österreich ohne russisches Gas sei kurzfristig möglich. Der ehemalige OMV-Chef ist von der Machbarkeit überzeugt, wenn der Staat nur ordentliches Krisenmanagement betreibt. Dazu brauche es ein ganzes Bündel an Maßnahmen: Wo der Markt versagt, muss der Staat temporär eingreifen.

Besser heute als morgen brauche es „klare Ziele, klare Zeiträume und klare Verantwortungen“ – nichts zu tun sei hingegen einfach nur fahrlässig.

Der Weg in die Versorgungssicherung

Alfons Haber betont die Bedeutung des globalen Markts und der lokalen Infrastruktur für die österreichische Energieversorgung.

Fünf wesentliche Punkte sind für Haber dabei entscheidend: Neben der Diversifizierung der Importe und der gemeinsamen Beschaffung muss auch der physische Transport über geeignete Lieferwege in unseren Binnenstaat gelingen. Nicht zu unterschätzen sind auch Maßnahmen wie der Ausbau der erneuerbaren Energien sowie eine weitere Reduktion des Energieverbrauchs.

Durch die strategischen Reserven in den Gasspeichern ist die Energieversorgung derzeit sicher. Um von der Versorgungssicherheit in die Versorgungssicherung zu kommen, müssen Rahmenbedingungen beispielsweise für den industriellen Einsatz von grünem Wasserstoff geschaffen werden. Niedertemperatureinsätze durch andere Energien zu substituieren, kann dazu beitragen, die Verletzlichkeit der Wirtschaft zu reduzieren.

Alfons Haber

Eine geopolitische und geoökonomische Realitätsverweigerung

So schnell wie möglich weg von russischem Gas – das ist für die Expertin Velina Tchakarova aus geoökonomischer wie geopolitischer Sicht eindeutig. Die Möglichkeiten und Initiativen zur Diversifizierung gibt es, dennoch sei ein kurzfristiger Ausstieg aus Gas nicht realistisch.

Die Lage sei zwar kurzfristig hoffnungslos, aber nicht politisch ernst. Man sei im letzten Winter mit einem blauen Auge davongekommen, und nun hoffe man auf den nächsten milden Winter und das baldige Ende des Kriegs in der Ukraine. Die geopolitische Expertin bezeichnet das als „Realitätsverweigerung“. Wie überfällig die Energiediversifizierung eigentlich ist, vergleicht sie sinnbildlich mit dem Kauf einer Unfallversicherung nach 9/11.

„Wir haben genug Belege dafür, dass Energie schon früher als Waffe eingesetzt wurde.“

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Der Druck seitens der EU wird steigen, und daher ist Österreich in diesem Krieg auch nicht neutral, so Tchakarova. Mit Blick in die Zukunft der Energiewende erleben wir gerade das Paradebeispiel, wie fatal sich Abhängigkeiten auswirken können und welche Kaskadeneffekte damit einhergehen. Umso wichtiger scheint eine informierte Bevölkerung, die um die vorhandenen Maßnahmen weiß und das Zusammenwirken vieler verschiedener Akteure.

Große Krisen erfordern gemeinsame Anstrengungen, daher appelliert Tchakarova: „Es ist in unserem gemeinsamen öffentlichen Interesse, diese wohl bislang größte Krise zu überwinden.“

Eine unverantwortliche Regierung in schwierigen Zeiten

„Putin hat einen Energiekrieg ausgerufen.“ Man sollte meinen, dass das auch bei den politischen Verantwortungsträger:innen mittlerweile angekommen sein sollte. In den Bundesministerien werden die Verantwortlichkeiten hin- und hergeschoben, beobachtet Karin Doppelbauer. Am Anfang habe man in der Regierung den Ernst der Lage wohl nicht erkannt oder einfach den „Kopf in den Sand gesteckt“.

Karin Doppelbauer

Doppelbauer bedauert, dass die Regierung nicht einmal die Einführung eines umfassenden Energieeffizienzgesetzes bewirkt und politische Blockaden durch die Opposition sich auf Jahre hinweg auswirken können. Die Politik gebe den auf Versorgungssicherheit angewiesenen Bürger:innen gegenüber ein desaströses Bild ab.

Ein Plan ohne russisches Gas für die nächsten drei Jahre sei absolut notwendig, „alles andere ist naiv“, so Doppelbauer. Mit einem Energiedesign und einem strategischen Plan ist es möglich, auch diese Krise zu meistern und das russische Gas in Österreich auf null zu setzen. „Wir haben genug geredet – wir müssen jetzt tatsächlich etwas tun!“

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