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„Zeigen Sie mir einen ähnlich guten Deal für Österreich“

Lukas Sustala
Lukas Sustala

Wie nutzt die EU ihr Budget, und was bringt es Österreich? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Konferenz „Future-proofing the European Budget Now!“. Warum Österreich ein Nettoprofiteur – und nicht bloß ein Nettozahler – der EU ist und wie wir noch mehr aus der Mitgliedschaft herausholen können. Ein Blick auf die Chancen und Herausforderungen des EU-Budgets.

Das Budget gilt als „in Zahlen gegossene Politik“. Daher ist es nur logisch, im EU-Wahlkampf vor allem auch darauf zu schauen, wofür denn das EU-Budget ausgegeben wird. Am 13. Mai 2024 hat das European Liberal Forum zusammen mit dem NEOS Lab Expert:innen und Entscheidungsträger:innen zu einer Konferenz mit dem Titel „Future-proofing the European Budget Now!“ eingeladen. Es ging darum, die Zukunft des EU-Haushalts auszuloten.

Wofür sollte die EU Verantwortung tragen?

Monika Köppl-Turyna, Direktorin von EcoAustria, hielt eine Keynote und stellte klar, dass der Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) angepasst werden muss, um tatsächlich das zur Verfügung zu stellen, was sich die Europäerinnen und Europäer wirklich von der EU erwarten könnten: europäische „öffentliche Güter“. Dabei handelt es sich um Politikbereiche, die eindeutig allen europäischen Ländern zugutekommen. Sie hob die Bedeutung öffentlicher Güter wie Sicherheit, Energieunion und Klimapolitik hervor. „Das aktuelle Budget ist zu wenig darauf ausgerichtet, diese öffentlichen Güter bereitzustellen. Dabei würde die EU und ihre Wirtschaften davon am meisten profitieren“, sagte Köppl-Turyna. Sie hat vor allem vier Bereiche identifiziert, die sich als öffentliche Güter für die EU eignen:

  • Klimapolitik: Gemeinsame Klimaziele erreicht man am besten auch gemeinsam. Optimal wäre zwar ein globales gemeinsames Vorgehen, doch auch auf europäischer Ebene sind Maßnahmen besser aufgehoben als nur in Österreich.
  • Energiepolitik: Monika Köppl-Turyna plädierte zudem leidenschaftlich für eine Integration des Energiemarkts in der EU. Hier sollte es analog zu den Faktoren Arbeit oder Kapital vollständige Freiheit geben und gemeinsame Investitionen in die Infrastruktur.
  • Forschung, Innovation und Bildung: Europa müsse technologisch aufholen und mehr in risikoreiche Grundlagenforschung investieren. Programme wie Horizon Europe und ERASMUS+ wurden als Schlüsselprojekte identifiziert, die jedoch weitere finanzielle Unterstützung benötigen.
  • Sicherheitspolitik: Die militärische Zusammenarbeit innerhalb der EU müsse intensiviert werden, um die Effizienz zu steigern und die Abhängigkeit von nichteuropäischen Lieferanten zu verringern. Die Ukraine-Krise hat die Notwendigkeit einer robusten Verteidigungspolitik verdeutlicht.
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Allerdings wird das EU-Budget diesen Ansprüchen nicht gerecht. Verteidigung und Sicherheit etwa sind kaum ausgeprägte Bereiche des EU-Budgets, und die Ausgaben für Forschung, Entwicklung, Erasmus+ oder Energieinfrastruktur werden von den großen Ausgabenposten für die Agrarpolitik oder die Kohäsionspolitik in den Schatten gestellt.

Wie das EU-Budget aktuell verteilt ist

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Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Wer über die Ausgaben diskutiert, muss allerdings auch über Einnahmen diskutieren. Woher sollen die Einnahmen kommen? In der Diskussion wurden zwar auch mehr Eigenmittel für das EU-Budget diskutiert, doch aus liberaler Sicht auch klargestellt: Wenn die EU in den Bereichen Energie oder Sicherheit künftig weitere Aufgaben übernimmt, müssten die Ausgaben der Mitgliedsländer (und auch die nationale Steuerlast) dementsprechend sinken. „Dass es nicht zu Doppelgleisigkeiten oder Mehrbelastungen kommen sollte, ist klar. Wenn Europa gemeinsam öffentliche Güter bereitstellt, sollten diese sogar günstiger oder besser werden als bei 27 einzelnen Ländern.“

Plädoyer für ein „Europa, das sich rechnet“

Auf der Konferenz „Future-proofing the European Budget Now!“ in Wien hielt auch Gabriel Felbermayr, Direktor des WIFO, eine leidenschaftliche Präsentation, in der er die ökonomischen Vorteile der EU-Mitgliedschaft für Österreich hervorhob. Unter dem Titel „How the EU can provide more value added“ präsentierte er auf Basis seines aktuellen Buchs („Europa muss sich rechnen“) überzeugende Argumente, warum Österreich nicht nur ein Nettozahler, sondern ein Nettoprofiteur der EU ist.

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Wirtschaftlicher Nutzen der EU-Mitgliedschaft

Felbermayr begann seine Präsentation mit einer Analyse der wirtschaftlichen Vorteile der EU-Mitgliedschaft für Österreich. Er zeigte, dass die Teilnahme am europäischen Binnenmarkt und die Integration in die EU-Strukturen maßgeblich zum Wohlstand Österreichs beigetragen haben. Laut Felbermayr würden die wirtschaftlichen Vorteile pro Kopf die Beiträge, die Österreich zum EU-Haushalt leistet, deutlich übersteigen. „Zeigen Sie mir einen ähnlich positiven Deal für Österreich“, forderte Gabriel Felbermayr das Publikum auf. Bei einer Rendite von mehreren tausend Prozent müsse man nicht darüber diskutieren, ob die EU für Österreich wichtig sei, sondern eher, wie man noch mehr aus dem gemeinsamen Europa machen könne.

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Stärkung des Binnenmarkts

Ein zentraler Punkt seines Appells an die Politik war aber auch, die Bedeutung des europäischen Binnenmarkts für Österreich zu stärken. Felbermayr betonte, dass der Binnenmarkt das wichtigste geoökonomische Instrument der EU sei und dass seine Weiterentwicklung für Österreich von entscheidender Bedeutung ist. Dazu brauche es einen Binnenmarkt für digitale Produkte, Kapital und Energie. Die Beseitigung interner Handelsbarrieren und die Schaffung eines einheitlichen Markts würden österreichischen Unternehmen erheblichen wirtschaftlichen Nutzen bringen.

Effizienzgewinne durch gemeinsame Projekte

Felbermayr hob auch die Vorteile gemeinsamer europäischer Projekte hervor, insbesondere in den Bereichen Infrastruktur und Forschung. Durch die Beteiligung an EU-weiten Projekten könne Österreich von erheblichen Effizienzgewinnen und Kosteneinsparungen profitieren. Er verwies auf das Potenzial des Europäischen Innovationsfonds und anderer gemeinsamer Forschungsinitiativen, die Österreichs Wettbewerbsfähigkeit stärken könnten.

Nettobeitrag und Nettogewinn

Abschließend ging Felbermayr auf die oft kontrovers diskutierte Frage der Nettozahler und Nettoempfänger ein. Er stellte klar, dass Österreich zwar zu den Nettozahlern im EU-Budget zählt, die wirtschaftlichen Gewinne aus der EU-Mitgliedschaft jedoch die geleisteten Beiträge übersteigen. Felbermayr betonte, dass Österreich ein Nettoprofiteur der EU sei, da die finanziellen und wirtschaftlichen Vorteile durch die Mitgliedschaft am Binnenmarkt, Schengen oder der Euro-Zone die Beitragszahlungen bei weitem übertreffen.

Vorteile besser vermitteln

Auch wenn Felbermayrs Präsentation eine überzeugende Argumentation dafür lieferte, dass Österreich erheblich von der EU-Mitgliedschaft profitierte, blieb die Frage, wieso in Österreich die EU überdurchschnittlich negativ gesehen wird. Helmut Brandstätter (NEOS-Abgeordneter) plädierte dabei dafür, dass Regierungschefs oder Minister nicht mehr so sehr darauf pochen sollten, alles Negative auf „Brüssel“ zu schieben und alles Positive als eigene Leistung zu verkaufen. Stattdessen sollten Politiker auch betonen, was sie Positives im Rat oder im Europäischen Parlament für Europa geschafft haben.

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Dass es hier große Herausforderungen gibt, das betonte Velina Tchakarova in der abschließenden Podiumsdiskussion. Europa müsse in den nächsten Jahren massiv in die eigene Verteidigung und Sicherheit investieren. Wenn das Budget „in Zahlen gegossene Politik“ ist, dann wird es wohl im nächsten EU-Budget mehr Sicherheitsausgaben brauchen, wenn Europa auch mehr Sicherheit will.

(Bild: Stefan Popovici Sachim)

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