Ein Policy Brief von Lukas Sustala und Günther Oswald
Während der COVID-Pandemie ist die Staatsschuldenquote auf neue Rekordhochs gestiegen, stark steigende Zinsen drohen die Finanzlage in vielen Euroländern zu verschärfen. Diese Publikation zeigt Wege auf, um langfristig von den hohen Schulden herunterzukommen - und das mit möglichst liberalen Ansätzen.
Die Studie im Überblick
Europas Staaten haben einen hohen Schuldenberg angehäuft. Die Staatsschuldenquote ist in der Covid-Pandemie auf neue Rekordhochs gestiegen und stark steigende Zinsen drohen die Finanzlage in vielen Euroländern zu verschärfen. Dieses Buch zeigt Wege auf, um langfristig von den hohen Schulden herunterzukommen, und das mit möglichst liberalen Ansätzen. Es braucht dafür eine Modernisierung der Fiskalregeln und eine stärkere Fokussierung der Budgetpolitik auf die Zukunft.
Die Defizite und Schulden europäischer Länder sind in der Corona-Pandemie stark gestiegen. Laut Daten der EU-Kommission sind die gesamten Schulden in Europa von rund 86 Prozent des BIP 2019 auf über 100 Prozent in 2020 gestiegen und die jüngste Energiekrise wird die Schulden noch einmal steigen lassen.
Enge Spielräume für die öffentlichen Haushalte sind ein Problem. Denn um die Anpassung der europäischen Volkswirtschaften in Richtung grüner Energieträger oder im Angesicht des demografischen Wandels zu finanzieren, müssen Ausgaben in Bildung oder Infrastruktur getätigt werden. Länder, die noch mit Altlasten von vergangenen Krisen belastet sind und keine Spielräume für neue Investitionen haben, haben hier einen Wettbewerbsnachteil.
Es braucht also Wege, um langfristig von den Schulden wieder herunterzukommen und die Spielräume für die öffentlichen Haushalte zu erhöhen. Und diese sollten auch liberal sein, um die Wirtschaftsstandorte zu stärken und den Wohlstand in Europa zu mehren. Um die Finanzsituation strukturell zu verbessern, braucht es auch neue Spielregeln für die Verschuldung in der Euro-Zone.
Das europäische Schuldenproblem ist so alt wie die Diskussion um die Währungsunion. Hätten sich die Staats- und Regierungschefs bzw. die nationalen Parlamente in den vergangenen 30 Jahren an die Vorgaben der Verträge von Maastricht (1992) gehalten, müsste nicht ständig über mögliche verbesserte Fiskalregeln debattiert werden, und die Europäische Union als Ganzes wäre wesentlich krisenresistenter.
Realpolitisch wurden die Maastricht-Kriterien aber viel zu oft nicht ernst genommen, sodass Europa sich immer wieder aufs Neue mit seinem Schuldenberg herumschlagen muss. Die nach der weltweiten Finanzkrise ab 2008 massiv nach oben geschossene Schuldenquote ging in den 2010er Jahren zwar wieder etwas zurück, im Vor-Pandemie-Jahr 2019 lag die Verschuldung aller EU-Länder mit 79,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aber nur geringfügig unter dem Wert von 2010 (80,5 Prozent).
Der Schuldenabbau ist also vor Ausbruch der weltweiten Corona-Pandemie nur langsam vorangeschritten. Die – in vielen Ländern beträchtlichen und wenig zielgerichteten – Corona-Sonderausgaben haben die Staatsschuldenquoten noch weiter steigen lassen – auf beinahe 100 Prozent im Jahr 2020 in der Eurozone und 91,7 Prozent in der gesamten EU, mit anschließend leichtem Rückgang 2021 und 2022.
Zahlen & Fakten
60% des BIP
Maastricht-Zielmarke für die Schuldenquote eines EU Mitgliedsstaates
86% des BIP
gesamte Schulden in Europa 2019
+100% des BIP
gesamte Schulden in Europa 2020
schlussfolgerungen
Komplexität ist nicht das Problem
Das Grundproblem ist nicht die Komplexität der europäischen Fiskalregeln, sondern die Selbstverständlichkeit, mit der sich gewählte Mandatare und Regierungsvertreter quer über den Kontinent dem Wortlaut und dem Geist der europäischen Verträge enthalten.
Antizyklische Budgetpolitik gelingt nach wie vor nicht
Gute Konjunkturphasen werden nicht genutzt, um Überschüsse und somit Rücklagen für Abschwungphasen zu erwirtschaften. Vielmehr gibt es eine Tendenz, die erlaubten Defizitgrenzen im gesamten Verlauf von Konjunkturzyklen auszuschöpfen.
Grenzen setzen
Die Fiskalregeln sollten stärker als bisher in Richtung Ausgabenobergrenzen verschärft werden. Es sollte nicht nur definierte Defizitobergrenzen für Abschwungphasen, sondern auch Überschussuntergrenzen für Hochkonjunkturphasen geben. So können ausgeglichene Budgets über den Konjunkturzyklus gesichert werden.
Fokus auf die Zukunft bei Ausgaben
Um die ökologische und digitale Transformation politisch bestmöglich zu unterstützen, braucht es bei den Ausgaben einen klaren Fokus auf zukunftsgerichtete, wachstumsfördernde Investitionen (vor allem in den Bereichen Bildung, Forschung, nachhaltiges Wirtschaftssystem).
Notwendigkeit von politischer und gesellschaftlicher Akzeptanz
Hohe Schuldenberge können nicht mit kleinen, nicht spürbaren Gegenmaßnahmen binnen weniger Jahre abgebaut werden. Nur wenn ein eingeschlagener finanzpolitischer Kurs auch nach Wahlen in seinen Grundzügen fortgeführt wird, kann ein dauerhaftes Abbauen der Schuldenberge gelingen.