1. Ein BGE funktioniert nur mit Begleitmaßnahmen: Barcelona und das B-MINCOME Projekt
Die Young Foundation hat in Barcelona, von 2017 bis 2019, über 24 Monate ein "BGE-Experiment" durchgeführt, in dem 900 Personen zwischen 462 und 592€ bekamen (ungeachtet der Einkommenssituation). Wie man an der Summe sieht, und wie auch von den Studienautor_innen bemerkt wird, handelt es sich hierbei um ein partielles Grundeinkommensmodell. Dennoch verfolgte es den Zweck, soziale Inklusion zu steigern und soziale Absicherung sicherzustellen. Als wesentliche Beweggründe für den Start des Projekts wurden die negativen Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise genannt, u.a. hohe Arbeitslosigkeit, große ökonomische Unsicherheit und oftmals soziale Exklusion - genau jene Aspekte, über die wir jetzt auch sprechen.
Ein schneller Blick auf die Policy-Implikationen des Projekts zeigt sehr schnell, dass zukünftige Projekte sehr gutes Ausgangswissen über die Bedürfnisse des Arbeitsmarkts benötigen, mit Begleitmaßnahmen ausgestattet werden sollte statt einem passiver Geldtransfer. Ebenso werden soziale Hürden, wie z.B. Zugang zu Betreuungsleistungen oder gesundheitliche (oftmals psychosoziale) Probleme, erwähnt - die den Erfolg eines solchen Projekts gefährden könnten. Wenn wir, wie letzte Woche dargestellt, ein BGE in Höhe der Armutsgefährdungsschwelle (2018: 1.260 €) monatlich auszahlen, so würde dies Kosten von ca. 135 Mrd. € verursachen. Zur Erinnerung: Die die Sozialleistungen des Staates betrugen inklusive Sachleistungen 2018: ca 109 Mrd. €. Dies führt zu These zwei, ob ein BGE die Situation der Menschen aktuell wirklich verbessern würde.
2. Ein BGE Versuch würde die sozial prekäre Lage aktuell nicht verbessern
Bei der Einführung eines BGEs in Höhe der Armutsgefährdungsschwelle müssten die Kosten gedeckt werden. Dies würde zu massiven Einsparungen in vielen Bereichen führen, unter anderem das aktuelle Corona-Hilfspaket könnte in bei einer Einführung des BGE, nicht realisiert werden. Wie der Ökonom Lukas Sustala vor einigen Tagen gezeigt hat, ist das aktuelle Hilfspaket der Bundesregierung einerseits mittlerweile größer, als die kolportierten 38 Milliarden, andererseits beinhaltet es viele Maßnahmen, die aktuell besonders Relevant sind: die Kurzarbeit beispielsweise, die dafür sorgt das wir nicht eine Massenarbeitslosigkeit in US-Ausmaß haben, Zusatzausgaben im Gesundheits- und Pflegebereich, oder Haftungen, Garantien und Steuerstundungen, die besonders für Klein- und Mittelunternehmen, derzeit besonders überlebenswichtig sind. 1000€ fix auf dem Konto würde vielen Unternehmen nicht helfen und ob ein massiver Anstieg der Arbeitslosigkeit durch diesen Betrag aufgefangen werden würde, ist zweifelhaft. Insofern stellt sich die Frage, ob ein BGE tatsächlich die sozial prekäre Lage verbessern würde.
3. Soziale Innovation benötigt eine Testkultur
Soziale Innovation, sei es über Social Impact Bonds, einer Förderung von sozialem Unternehmertum oder einem BGE, benötigt eine gute Testkultur, um sicherzustellen, dass die neuen Maßnahmen wirklich ihre Ziele erreichen, ungewünschte Effekte vermieden, und ein möglichst großer Lerneffekt erzielt wird. Das Finnische Experiment zur innovation der Sozialleistungen, oftmals als "BGE-Experiment" bezeichnet, hatte eine Vorlaufzeit von zwei Jahren (inkludiert man die Machbarkeitsstudie sind es drei Jahre), und selbst zwei Jahre nach dem Ende des Projekts sind noch keine finalen Ergebnisse vorhanden. Wenngleich wir viel von derartigen Versuchen lernen können, eine überstürzte - und noch dazu nicht wissenschaftlich begleitete - Einführung, wäre ein riskantes und unverantwortliches Experiment.
Ungeachtet der Einstellung zum BGE, jetzt ist nicht die Zeit für ein derartiges Projekt, damit Disruption eine Quelle des Fortschritts sein kann, müssen die Rahmenbedingungen passen. Ebenso kann ein solches Projekt nicht gelingen, wenn es auf Kosten anderer Bereiche (z.B. Stabilisierung der Wirtschaft) geht.