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Das Aufstiegsversprechen und seine Feinde

Lukas Sustala
Lukas Sustala

Die jüngsten Wahlergebnisse lassen auf eine große Frustration in der Mitte der Gesellschaft schließen. Dem Aufstiegsversprechen wird ebenso misstraut wie dem politischen System. Um die Demokratie zu schützen, muss sich das ändern.

Bild: Samantha Garrote, pexels.com

Mit den jüngsten Landtagswahlen hat sich eine Gewissheit in der politischen Berichterstattung verankert: Die Mitte der Gesellschaft ist frustriert, und sie wendet sich von der Politik ab, weil sie dieser misstraut und dem Aufstiegsversprechen nicht mehr glaubt. Die Wahltagsbefragungen der vergangenen Monate zeigen: Noch nie haben so viele Wähler:innen gesagt, dass sich ihr jeweiliges Bundesland in die falsche Richtung entwickelt.

Der große Zukunftspessimismus

Geradezu alarmierend ist auch, dass der Zukunftspessimismus auch in der Einschätzung über das persönliche Fortkommen grassiert. Der Aussage „Meine Kinder werden es einmal besser haben als ich“ stimmen nur noch 13 Prozent zu. Eine Mehrheit von 60 Prozent sagt hingegen, dass die Zukunft der Jugend schlechter sein wird als die der Generation davor (Sora Institut).

Das Profil widmete sich jüngst ausführlich mit einer spannenden Aufmachergeschichte genau dieser Frage: Wie steht es um das Aufstiegsversprechen? Darin kam auch der Freiheitsindex von NEOS Lab/Sora vor, der ja wiederholt zeigte, dass mittlerweile eine relative Mehrheit sagt, dass sich in Österreich durch eigene Leistung kein Eigentum mehr schaffen lässt. Die Schaffung von Eigentum hat aktuell mehrere Hürden erhalten: Immobilienpreise haben sich in Zeiten ultralockerer Geldpolitik von den Einkommen entkoppelt. Die jüngste Teuerungswelle hat das ökonomische Vertrauen massiv erschüttert. Auch in den aktuellen Konsumentenvertrauens-Erhebungen zeigt sich, dass Menschen aktuell damit rechnen, dass sich die finanzielle Situation bei ihnen in den nächsten 12 Monaten eher verschlechtern wird.

Wo Zukunftssorgen überwiegen, lassen sich Ängste leichter schüren, und die positiven Errungenschaften der Gegenwart werden nicht so vehement verteidigt. Das ist für die Demokratie eine enorme Herausforderung.

Grund zur Zuversicht?

Dabei gibt es genug positive Entwicklungen, die Wirtschaft und Gesellschaft resilienter machen als vielfach berichtet. Allein schon die aktuelle Energiekrise hat gezeigt, dass die angekündigten Katastrophen nicht stattgefunden haben. Viele Analyst:innen und Politiker:innen haben es nicht für möglich gehalten, dass Europa bei einem nahezu vollständigen Stopp der russischen Gaslieferungen ohne Versorgungsengpässe durch den Winter kommt. Doch Europa hat es geschafft. Und heute ist längst die Rede davon, dass Europa den „Energiekrieg“, den Putin gegen die europäische Gemeinschaft führt, gewonnen hat.

Anlässlich der aktuellen Jugendstudie des Pragmaticus habe ich geschrieben, dass es drei gute Gründe gibt, warum wir durchaus zuversichtlich sein können: Die Jugend von heute sieht ihre persönliche Zukunft immer noch positiv, sie will eigenitiativ und vermehrt selbstständig arbeiten, und sie nimmt die Probleme als durchaus lösbar wahr. Ein Blick in die Schweiz, die mehr auf Eigeninitiative setzt und auch nicht in dramatische Korruptionsskandale verwickelt war, zeigt, dass dort die Lage auch wesentlich besser eingeschätzt wird als in Österreich.

Feinde des Aufstiegsversprechens

Die Feinde des Aufstiegsversprechens sind klar zu benennen:

  • ein Staat, der viel nimmt und in zentralen Fragen auslässt,
  • eine Regierung, die die Polykrise auch noch mit innenpolitischen Skandalen und einer Vertrauenskrise verschärft,
  • Interessenvertretungen, die trotz großen Bedarfs zu Transformation und Veränderung auf Stillstand beharren,
  • Medien, die angesichts ihrer eigenen Misere darauf vergessen, kritisch zu kontrollieren.

Was es jetzt braucht

Damit das Aufstiegsversprechen wieder glaubwürdig wird, braucht es zahlreiche Reformen:

  • eine Steuerreform, die zum obersten Ziel hat, dass der Faktor Arbeit massiv entlastet wird,
  • eine Föderalismusreform als Gegenfinanzierung, die dafür sorgt, dass die Länder entmachtet werden und das Steuergeld nicht mehr verschwendet wird,
  • eine Bildungsreform, die dafür sorgt, dass das Versprechen, aufs Leben vorbereitet zu werden, nicht mehr für zehntausende Jugendliche jährlich gebrochen wird.
  • Alle Themen müssen verbunden sein durch ein Versprechen neuen Politikverständnisses. Denn die Menschen fühlen sich immer weiter vom politischen System entfernt. Wenn selbst die Mitte der Gesellschaft von „denen da oben“ spricht, läuft etwas falsch.

Im Kern geht es aktuell um Vertrauen: Im Gastbeitrag für den Standard hat SORA-Forscherin Janine Heinz mit mir argumentiert, dass es weit mehr braucht als ein paar vage Versprechungen zur „Aufarbeitung“ der Corona-Pandemie und dem Krisenmanagement, um das Vertrauen wieder zu stärken. Offene Kommunikation über Versäumnisse, eine kritische und offene Auseinandersetzung mit der Polarisierung des politischen Systems sowie eine zukunftsorientierte Reformdebatte für drängende Themen wie Inflation, Arbeitskräftemangel und Gesundheitsmisere sind notwendige Bestandteile dafür. Die Frustration in der Mitte ist da. Sie kann nicht mit einem Klima-Bonus hier und einem Teuerungs-Bonus da wegsubventioniert werden.

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