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Die trügerische Sicherheit der Neutralität

Maria Lutz
Maria Lutz

Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine hat eine kurze „Pseudodebatte“ über die österreichische Neutralität ausgelöst, konstatierte der Jurist und Universitätslektor für Völkerrecht und Menschenrechte, Ralph Janik, in unserem Podcast und Lunchtalk. Warum die Neutralität nur trügerische Sicherheit schenkt, wie sich der Status der Ukraine ändern könnte – und warum die Schaffung der geforderten No-fly-Zone für russische Kampfflugzeuge durch die Nato theoretisch kein Problem ist, praktisch jedoch zum Kriegsszenario führen könnte.

Foto by Sigmund (unsplash.com)

1914: Die deutsche Invasion im neutralen Belgien während des ersten Weltkriegs. 100 Jahre danach: Die Krim-Annexion durch Russland in der bündnisfreien Ukraine, 2014. Zwei eindrucksvolle historische Belege aus unterschiedlichen Epochen, die zeigen, dass der Neutralitätsstatus alleine einem Land im Ernstfall noch zu keinem Zeitpunkt richtigen Schutz bot. „Wenn ein Staat auf dem Weg zum Durchmarsch am besten gelegen ist, schützt einen die Neutralität nicht“, konstatiert Ralph Janik. Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine wirft im restlichen Europa, auch in bündnisfreien Ländern, ernsthafte Sicherheitsbedenken auf. Nato-Beitritte der momentan bündnisfreien Länder Schweden und Finnland scheinen nicht mehr vollkommen ausgeschlossen, eine politische Debatte ist in diesen Ländern bereits im Gange.

Im neutralen Österreich hingegen wurde die Diskussion von Bundeskanzler Karl Nehammer für beendet erklärt bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte. Dass Janik die Diskussion in Österreich auch als „Pseudodebatte“ bezeichnet, liegt nicht zuletzt am oftmals unzureichenden Verständnis.  Der Sprung ins kalte Wasser blieb aus; die Zustimmung zur Neutralität ist zuletzt sogar angestiegen, im „neutralen Österreich“ fühlt man sich sichtlich sicher. Allerdings: „Uns schützt nicht die Neutralität in Österreich. Uns schützt unsere geografische Lage.“, gibt Ralph Janik zu bedenken – und erklärt in unserer neuesten Podcast-Episode auch ausführlich, warum die Neutralität Österreichs dennoch Sanktionen zulasse, die Debatte um ein „wehrfähiges“ Bundesheer außerhalb Österreichs niemanden interessiere oder wie es bei der Beteiligung an europäischen Einsätzen aussieht. Unseren gesamten Talk mit Ralph Janik könnt ihr auf Youtube nachsehen, den ersten Teil haben wir als Podcast aufgezeichnet, nachzuhören auf Spotify oder Apple iTunes. 

Prinzipiell verändere sich das Neutralitätsverständnis bündnisfreier Länder laufend, so haben nach dem russischen Überfall auch neutrale Länder Waffen an die Ukraine geliefert: „Wir merken, dass dieses Feld, wenn es mal zur Anwendung kommt, sehr dynamisch ist. Weil auch jeder Krieg anders ist, sich damit auch die Neutralitätsverpflichtungen im völkerrechtlichen Sinne verändern und dementsprechend es sehr schwer ist, vorherzusagen, wie die Neutralität in Zukunft gehandhabt wird, wie sie jetzt konkret gehandhabt wird und ab wann man sagt, das geht zu weit. Da hängt viel davon ab, wie andere Staaten darauf reagieren. Im Endeffekt eigentlich nur Russland und Belarus.“

Noch heikler als die Debatte rund um den Neutralitätsstatus europäischer Staaten ist allerdings jene Debatte, welche sich um die Ukraine selbst dreht. Der bündnisfreie Status der Ukraine hat sie nicht vor dem russischen Angriff bewahrt, und in aktuellen Friedensverhandlungen fordert Russland weitreichende Zugeständnisse. Die Ukraine wiederum bittet laufend um westliche Unterstützung in Form einer Flugverbotszone. „Rechtlich ist das alles gedeckt durch das Recht auf kollektive Selbstverteidigung. Die Ukraine hat das Recht, nicht nur sich selbst zu verteidigen, sondern auch andere Staaten zu bitten. Diese Staaten können auf dieser Grundlage dann auch militärisch eingreifen durch die Schaffung einer sogenannten No-Fly-Zone.“ Rechtlich unproblematisch, militärisch aber doch „eine sehr komplexe Angelegenheit. Damit wird die NATO selbst zu einer Kriegspartei.“ Die Einrichtung der geforderten Flugverbotszone würde demnach nicht „nur“ einen weiteren Eskalationsschritt in einem gewaltsamen Konflikt darstellen, sondern den De-Facto-Kriegseintritt der Nato – und damit einen großen Schritt in Richtung Weltkriegsszenario.

Ralph Janik kann man hier auf Twitter folgen. Sein Podcast mit Moritz Moser zusammen "In bester Verfassung“ ist ebenfalls hörenswert und kann hier abonniert werden.  

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