Kommen wir nun zum rechtlichen und europäischen Rahmen. Österreich ist in Steuerfragen ja längst nicht mehr vollständig autark, es gibt EU-einheitliche Vorgaben in Bereichen wie der Umsatzsteuer sowie auch andere Vorgaben. Und die EU-Kommission war sehr schnell, um ihre Sicht auf Übergewinne sehr konkret zu skizzieren: bereits am 8. März wurden entsprechende "Leitlinien für die Anwendung steuerlicher Maßnahmen auf übermäßige Gewinne" (Link zum Beschlusstext) veröffentlicht. Dabei handelt es sich zwar um keine rechtsverbindlichen Vorgaben, an die sich die EU-Mitgliedsstaaten zu halten haben, die Kommission gibt mit solchen Dokumenten aber praktische, relevante und informelle Hinweise, welche Möglichkeiten das EU-Recht bietet.
Was steht nun in diesen Leitlinien zu "übermäßigen Gewinnen"?
Zunächst heißt es, die Mitgliedsstaaten könnten "ausnahmsweise beschließen, steuerliche Maßnahmen zu ergreifen, mit denen einige der Erträge, die bestimmte Stromerzeuger erzielen, erfasst werden sollen". Die Kommission geht also davon aus, dass nur Sondersteuern für Stromerzeuger zulässig wären, politmedial wird aber häufig über die hohen Gewinne von Mineralölkonzernen diskutiert, die aktuell von hohen Spritpreisen profitieren. Auch die SPÖ hat zuletzt davon gesprochen, die Übergewinne der OMV abschöpfen zu wollen.
Wichtig ist der Kommission, dass sich Maßnahmen nicht auf die Bildung der Stromgroßhandelspreise auswirken, "sodass die Effizienz der Preissignale für kurzfristige betriebliche Entscheidungen gewahrt bleibt". Zitat: "Im Zweifel sollten Steuern auf geringere übermäßige Gewinne einbehalten werden, um Auswirkungen auf die Preisbildung zu vermeiden." Langfristige Preistrends sowie das CO2-Preissignal aus dem EU-Emissionshandel sollten jedenfalls "nicht beeinflusst werden".
Da es äußerst schwierig ist, "übermäßige Gewinne" bzw. "Mitnahmegewinne" zu definieren, braucht es laut Kommission "objektive und überprüfbare Kriterien und Ereignisse". Um keine dauerhaften Marktverzerrungen auszulösen, sollte eine Sondersteuer demnach "nicht über den 30. Juni 2022 hinaus erhoben werden". Die Maßnahme sollte auch "nicht rückwirkend" sein, also keine Gewinne vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine erfassen. De facto ginge es also um die Monate Februar bis Juni.
Zudem sollten die "zusätzlichen übermäßigen Erlöse nur in den Zeiträumen besteuert werden, in denen Gaskraftwerke an der Kapazitätsgrenze betrieben wurden, und soweit solche Zusatzerlöse tatsächlich mit diesen Kapazitäten erzielt wurden".
Die verschiedenen Energieträger müssten laut Kommission steuerlich gleichgestellt werden. "So sollten alle Anlagen erfasst werden, die in den Stunden, in denen die Steuer erhoben wird, in Betrieb sind, also auch übermäßige Erlöse aus Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken, erneuerbaren Energien (einschließlich Wasserkraft) und Kernenergie besteuert werden."
Die Brüsseler Experten lassen also keine Zweifel, dass Vorschläge nach Besteuerung von "übermäßigen Gewinnen" zwar verständlich und legitim sind, es sich aber um ein äußerst komplexes Thema handelt, das "sorgfältig konzipiert" werden müsse, "um unnötige Marktverzerrungen zu vermeiden und gleichzeitig Anreize für zusätzliche Investitionen in erneuerbare Energien zu schaffen".