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Wie unterschiedlich der Energieschock die Bundesländer trifft

Dieter Feierabend
Dieter Feierabend

Die Energiepreisinflation trifft Österreich besonders stark, aber auch besonders unterschiedlich. Je nach Bundesland und Industriesektor werden hohe Gas- und Ölpreise auch große Verwerfungen nach sich ziehen. Eine Bestandsaufnahme von Dieter Feierabend

Photo by KWON JUNHO on Unsplash

Die letzten beiden Jahre wurden durch die Pandemie und ihre Folgen bestimmt. Dies änderte sich jedoch schlagartig mit dem Ausbruch des russischen Aggressionskrieges gegen die Ukraine. Der größte kriegerische Konflikt auf europäischen Boden seit dem Ende des zweiten Weltkriegs führte zu einem Sanktionsregime westlicher Staaten gegen Russland, das alle früheren Sanktionen in den Schatten stellt. Das führte nicht nur zu einem anfänglichen Verfall des Rubels. Zusammen mit den Auswirkungen des Krieges kam es zu einer massiven Teuerung diverser Güter wie Weizen, Metalle oder – stark im öffentlichen Fokus – Öl und Gas. Da Länder wie Österreich besonders abhängig von russischen Energieimporten sind, ist damit zu rechnen, dass die Teuerung hier lange hoch bleibt. 

Dieser Anstieg des Öl- und insbesondere Gaspreises führte zu einer Diskussion über unsere Energiesicherheit, Produktivitätsverluste in der Wirtschaft und die Auswirkung der sprunghaft angestiegenen Preise auf die Inflation. Quer durch Europa diskutiert die Politik, mit welchen Maßnahmen kurz- und mittelfristig auf diese Situation reagiert werden soll (eine gute Übersicht zu den angekündigten Maßnahmen liefert die Brüsseler Denkfabrik Bruegel). Die österreichische Bundesregierung beispielsweise hat sich auf eine Erhöhung der Pendlerpauschale geeinigt, die allerdings nicht treffsicher ist (NEOS Lab Blog).

Diese Publikation zeigt, wer in Österreich wie viel Öl und Gas wo verbraucht. Die Gaspreise sind zwar besonders im Fokus, auch weil durch die Gas- auch die Strompreise massiv gestiegen sind, allerdings verbraucht Österreich deutlich mehr Öl als Gas. Für die Österreicherinnen und Österreicher besonders relevant sind die Heizkosten, daher wird analysiert, womit Österreichs Hauptwohnsitze heizen, und welche Entwicklungen sich in den letzten Jahren ergeben haben. Ein weiterer Schwerpunkt wird darauf gelegt, welche Industriesektoren besonders energieintensiv sind. Nicht alle Bundesländer sind von den derzeitigen Problemen gleich betroffen. Während in Wien Gasheizungen ein besonderes Thema sind, ist es in Oberösterreich der Ressourcenverbrauch in der Industrie. Deshalb widmet sich diese Policy Note der Frage, welche regionalen Unterschiede es gibt. 

Ein erster Blick auf Öl und Gas

Russland ist sowohl bei Gas als auch Öl der größte Hauptexporteur in die Europäische Union, wobei die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas zwischen den Mitgliedsstaaten variiert.  Eine erste Einordnung, welche Auswirkungen höhere Preise, ein möglicher Stopp der Exporte seitens Russland oder der freiwillige Verzicht von russischem Öl oder Gas durch Importländer haben, ist mittels Verbrauchsstatistiken der jeweiligen Energieträger möglich.

Hierfür wird größtenteils auf Daten der Statistik Austria (2022a,b,c) zurückgegriffen, insbesondere auf den energetischen Endverbrauch. Vereinfacht gesagt gibt dieser die Verwendung von Energieträgern in bestimmen Verbrauchsgruppen, z.B. Haushalte oder produzierender Bereich, an. Bestimmte Bereiche wie der Energiebedarf im Energiesektor selbst (z.B. bei Kraftwerken), Netzverluste oder nichtenergetischer Verbrauch sind nicht inkludiert. 

Aus dieser Perspektive zeigt sich, dass der Ölverbrauch in Österreich fast doppelt so hoch ist wie bei Gas. Den höchsten Endverbrauch gab es 2005 mit annähernd 500.000 Terajoule. Bis 2014 gab es eine Reduktion um knapp 20%, jedoch stieg der Ölverbrauch in der Periode 2014-2019 wieder an. Die Pandemie ist auch in den Energiestatistiken sichtbar, 2020 wurde im Endverbrauch so wenig Öl verwendet wie zuletzt 1995. Bei Gas ist ein Anstieg des Verbrauchs von 1988 bis 2001 ersichtlich, seitdem stagniert der Endverbrauch. 

Eine Aufschlüsselung des Verbrauchs zeigt, dass Gas in Österreich primär im produzierenden Bereich, also der Industrie, verwendet wird. Relativ stabil mit 30 Prozent ist auch der Anteil der Haushalte, also Gas, das für Heizen, Kochen oder Warmwasser verwendet wird. Erhöhte Gaspreise oder Lieferengpässe würden demnach die Industrie stärker als die Haushalte treffen, der Verkehr ist nur marginal betroffen. 

Anders verhält es sich bei der Verwendung von Öl. Dieses wird primär für den Verkehr eingesetzt, also Benzin und Diesel. Haushalte und besonders die Industrie weisen einen geringen Verbrauch auf, der sich in den letzten Jahrzehnten weiter verringert hat. Mittlerweile gehen über 80% des Ölverbrauchs in Österreich auf den Verkehr zurück. 

Zwei Inflationstreiber für die Haushalte

Die Energiekrise zeigt sich für Österreichs Haushalte besonders stark in zwei Bereichen: dem Anstieg der Spritpreise und jener Energiekosten. Die Verwendung von Öl und Gas in Österreichs Haushalten lässt sich nur mittelfristig, also durch einen Tausch des Heizsystems bewerkstelligen. Jedoch sind nicht alle Regionen in Österreich gleich betroffen. In Kärnten wird jeder Vierte Hauptwohnsitz mit einer Öl oder Gasheizung betrieben, in Wien ist es jeder Zweite. 

Ein detaillierter Blick, mit welchen Energieträgern in Österreichs Hauptwohnsitzen geheizt wird, zeigt eine Ost-West Differenz. Während im Osten deutlich mehr Haushalte mit Gas als mit Öl heizen, ist im Westen der Anteil an Haushalten mit Heizöl besonders hoch. Diese Muster sind sind seit Beginn der Erhebungen 2003 stabil. Im zeitlichen Verlauf ist eine Reduktion an Öl- und Gasheizungen ersichtlich. Wurden 2003/04 noch 53% aller Haushalte mit Öl oder Gas beheizt, so sind es 2019/20 nur mehr 36%. 

Auch hier zeigen sich regionale Unterschiede. 2003/04 wurde insbesondere in Vorarlberg (62%), Tirol und Niederösterreich (58%) sowie Wien (57%) mit Öl und Gas geheizt, den geringsten Anteil wiesen die Steiermark (44%) und Kärnten (43%) auf. In allen Bundesländern ist ein Rückgang zu verzeichnen, besonders schwach fällt dieser in Wien aus (-8%), den stärksten Rückgang zeigen Salzburg (-24%) und Vorarlberg (-25%). 

Der Rückgang erfolgte primär durch eine Reduktion von Ölheizungen (-14% österreichweit), der Anteil an Gasheizungen (-3%) blieb stabil. Ausnahmen bilden hier Niederösterreich und Tirol. In Niederösterreich sank sowohl der Anteil an Ölheizungen (-10%, von 22% auf 12%) als auch Gas (-8%, von 36% auf 28%). In Tirol zeigt sich ein besonders starker Rückgang von Ölheizungen (-26%, von 52% auf 26%). Gleichzeitig ist es das einzige Bundesland, in dem 2019/20 mehr Haushalte mit Gas heizen verglichen mit 2003/04 (+4%, von 6% auf 10%). 

In Wien und Niederösterreich ist Gas weiterhin der primäre Energieträger in Österreichs Hauptwohnsitzen. Wien hat österreichweit jedoch eine Sonderrolle. Es ist das Bundesland mit dem geringsten Anteil an Ölheizungen (2003/04 waren es 6%, 2019/20 1%) und dem höchsten Anteil an Gasheizungen (2003/04 waren es 52%, 2019/20 49%). Außerdem ist es mit Abstand jenes Bundesland mit dem geringsten Rückgang an Gas- und Ölheizungen. Besonders bemerkenswert: In den 7 Jahren von 2003/04 bis 2009/10 ist ein Rückgang von 4% zu sehen, in den 10 Jahren von 2009/10 bis 2019/20, also unter grüner Regierungsbeteiligung, gab es nur einen Rückgang von 3%. 

Ein Blick auf die durchschnittlichen Energiekosten pro Haushalt und Energieträger zeigt weitere regionale Unterschiede. Haushalte in Wien weisen in allen Energieträgern geringere durchschnittliche Energiekosten auf. Dies lässt sich dadurch erklären, dass in Wien Haushalte hauptsächlich in Wohnungen leben, während in allen anderen Bundesländern Einfamilienhäuser dominieren. Doch auch außerhalb der Großstadt gibt es länderspezifische Unterschiede. So zahlt ein durchschnittlicher Haushalt mit Gasheizung in Vorarlberg 1.700 Euro, während der durchschnittliche Haushalt in Niederösterreich Kosten von 2.174 Euro hat.  

Industrie stark betroffen, aber auch hier große Unterschiede

Vor wenigen Wochen machte die Papierfabrik Norske Skog Schlagzeilen, da sie wegen der hohen Gaspreise einen vorübergehenden Produktionsstillstand ankündigte (Krone). Dies ist kein Zufall, da die Papier- und Druckindustrie am meisten Gas in Österreich verwendet. Weitere gasintensive Sektoren sind Chemie und Petrochemie, Eisen und Stahlerzeugung, aber auch die Lebensmittelindustrie. 

Auf regionaler Ebene zeigen sich deutliche Unterschiede, in Oberösterreich wird besonders in der Eisen- und Stahlerzeugung bzw. Chemie und Petrochemie Gas verwendet, in der Steiermark ist der Papier und Druck Sektor der größte Verbraucher und in Vorarlberg die Nahrungs- und Genussmittelindustrie. Auch in absoluten Zahlen sind starke regionale Unterschiede ersichtlich: die Papier und Druckbetriebe in Oberösterreich haben 2020 mit 5.700 Terajoule doppelt so viel Gas verbraucht, wie die gesamte Industrie in Wien (2.697 Terajoule). Besonders stark ist der industrielle Gasverbrauch in Oberösterreich, Niederösterreich und Steiermark. 

Deutlich homogener ist der Ölverbrauch in Österreichs Industrie: 53% wird im Bausektor verwendet, alle anderen Sektoren haben einen deutlich geringeren energetischen Endverbrauch. Dieses Muster ist in allen Bundesländern ident, wobei Vorarlberg (73% des industriellen Ölverbrauchs im Bausektor) und Wien (92%) besonders hohe Werte aufweisen. Höhere Ölpreise oder Lieferengpässe werden daher vor allem zu höheren Bau und Sanierungskosten führen. 

Ähnlich wie der industrielle Gasverbrauch ist auch der industrielle Ölverbrauch in Oberösterreich, Niederösterreich und Steiermark am höchsten. Im Gegensatz zur Dominanz dieser drei im Gasverbrauch wird, insbesondere im Bausektor, auch in den anderen Bundesländern Öl in einem nennenswerten Ausmaß im produzierenden Bereich verwendet. 

Was zu tun ist

Diese Analyse zeigt sehr klar, die länderspezifischen Unterschiede, insbesondere in den energieintensiven Sektoren. Wirtschaftssaktionen, genauso wie sprunghaft angestiegene Energiepreise machen eine Volkswirtschaft kurzfristig ärmer. Um den Schaden zu minimieren, sind die Bundes- und Landesregierungen jedoch in der Pflicht, Lösungen für die energieintensiven Industrien zu finden. Dies betrifft nicht nur Papier oder Stahl, sondern auch die Lebensmittelindustrie und den Bausektor. 

Der Tausch von Heizsystemen in Häusern und Wohnungen kann nicht kurzfristig stattfinden. Aus diesem Grund sind die Landesregierungen, in ihrem Bereich liegt beispielsweise die Sozialhilfe, gefordert, bestimmte Gruppen wie ärmere Haushalte oder Arbeitslose kurzfristig zu unterstützen. Es sollte hier eher um soziale Treffsicherheit als um die Gießkanne gehen, denn bleiben die Preise länger hoch werden die Kosten für das Budget mit der Zeit enorm – und das Abfedern der hohen Preise bremst auch die Anreize, von fossilen Energieträgern umzusteigen.

Um sich mittel- und langfristig von Öl und Gas im Wohnbereich zu verabschieden ist es notwendig, Alternativen zu forcieren. Vor wenigen Tagen hat der britische Think Tank "NESTA" in einer Studie untersucht, unter welchen Bedingungen Menschen ihre Heizung von Öl & Gas auf Wärmepumpen umstellen würden (Nesta 2022a). Dies würde geschehen, wenn Wärmepumpen nicht mehr als 12-16.000 Euro kosten würden und der Betrieb einer Wärmepumpenheizung billiger wäre als das bisherige Heizsystem. Nesta zeigte ebenso (Nesta 2022b), dass dies bisher nicht der Fall ist, da u.a. zu wenig Wärmepumpen produziert werden und das Steuersystem fossile Energieträger und Wärmepumpen gleichstellt. Eine derartige Analyse und darauf aufbauende Maßnahmen sollte die Bundesregierung in Österreich schnellstmöglich in Auftrag geben.

Literatur

Agenda Austria (2022): Wie sich die Preise seit 2013 entwickelt haben https://www.agenda-austria.at/grafiken/gas-um-50-prozent-teurer-als-2013/

NESTA (2022a):  Willingness to pay for heat pumps https://www.nesta.org.uk/report/estimating-willingness-pay-heat-pump/

NESTA (2022b) How to reduce the costs of heat pumps https://www.nesta.org.uk/report/reduce-the-cost-of-heat-pumps/

Statistik Austria (2022a): Energieeinsatz der Haushalte https://www.statistik.at/statistiken/energie-und-umwelt/energie/energieeinsatz-der-haushalte 

Statistik Austria (2022b): Energiebilanzen https://www.statistik.at/statistiken/energie-und-umwelt/energie/energiegesamtrechnung

NEOS Lab (2022, forthcoming): Energiemärkte in Aufruhr. 

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