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Land der Gemeinden
Österreichs kleinteilige Gemeindestruktur ist ineffizient, doch Gemeindezusammenlegungen gelten als politisch heikel. Dabei spielen weniger wirtschaftliche als emotionale Aspekte eine Rolle.
Europa will seine Industrie stärken und damit Autonomie gegenüber den USA und China erlangen. Dafür müsste die EU geeint und entschlossen auftreten. Das Potenzial wäre da, doch die Umsetzung schwächelt.
Am 9. September 2024 veröffentlichte Mario Draghi seinen berühmten Bericht über die europäische Wettbewerbsfähigkeit. Mit mahnenden Worten forderte der ehemalige EZB-Chef und Ex-Premierminister von Italien weitreichende Reformen, die notwendig sind, wenn Europa in Zukunft politisch und ökonomisch in der Welt noch eine Rolle spielen möchte. Im Zentrum dieser Anstrengungen stehen Industriepolitik und offene strategische Autonomie als Ziel.
Die regelbasierte internationale Ordnung ist morsch. Wer sich für sich für stark genug hält, bricht das Völkerrecht – meist ohne ernste Konsequenzen. Dazu meinte Draghi in seiner Rede beim Rimini-Meeting im August: „Wo man sich einst auf Märkte verließ, um die Wirtschaft zu leiten, setzt man heute auf umfassende Industriepolitik. Wo einst Respekt für Regeln herrschte, zählt man nun auf militärische und wirtschaftliche Übermacht, um nationale Interessen zu schützen. Wo einst der Staat seine Kräfte schwinden sah, wird heute jedes mögliche Instrument genutzt, um die Staatsmacht zu mehren.“
Auf umfassende Industriepolitik setzt China schon seit langem, etwa durch massive Subventionen. Seit Donald Trumps erster Amtszeit sind auch die USA auf den Zug aufgesprungen. Mit dem CHIPS Act und dem Inflation Reduction Act rollten sie ebenso weitreichende Subventionen aus, unter anderem mit dem Ziel, die Halbleiterproduktion in die USA „zurückzuholen“, was übrigens bis heute nicht gelungen ist.
Die EU entstand aus industriepolitischen Instrumenten wie EURATOM und der EGKS. Während Europa zunächst auf einen interventionistischen Ansatz setzte, folgte ab den 1980er Jahren eine Phase der Liberalisierung mit Fokus auf Rahmenbedingungen. Nach der Finanz- und Eurokrise 2008/2009 begann die EU auf „Reindustrialisierung“ zu setzen; bisher jedoch mit gemischten Ergebnissen.
Mit dem Green Deal und dem Clean Industrial Deal wird dieser Kurs fortgesetzt, erweitert durch das übergeordnete Ziel „offene strategische Autonomie“. Das von externen Energie- und Rohstofflieferungen abhängige Europa soll nicht mehr erpressbar sein. Vorgesehen sind etwa ein massiver Ausbau des EU-Clean-Tech- und High-Tech-Sektors, eine europäische Kapitalmarktunion sowie eine gemeinsame europäische Rüstungsproduktion und -beschaffung. Doch die Umsetzung lässt zu wünschen übrig.
Um strategisch autonom zu werden, muss die EU entschlossen, geeint und proaktiv handeln. Dafür muss sie sich radikal verändern. Draghi brachte es in seiner Rimini-Rede auf den Punkt: „Um den Herausforderungen der heutigen Zeit zu begegnen, muss sich die Europäische Union von einem Zuschauer – oder bestenfalls Nebendarsteller – zu einem Protagonisten wandeln. Auch ihre politische Organisation muss sich ändern, da diese untrennbar mit ihrer Fähigkeit verbunden ist, ihre wirtschaftlichen und strategischen Ziele zu erreichen.“
Die EU-Reaktion auf Zölle und Schikanen der Trump-Regierung lässt allerdings wenig Hoffnung aufkommen: Zögerlich, schwach und reaktiv trat die Kommission auf, dabei sollte sie entschlossen, stark und der eigenen Vision folgend handeln. Das EU-US-Handelsabkommen, das im August infolge massiver Zollandrohungen geschlossen wurde, liest sich wie eine Bankrotterklärung.
Die finale Entscheidung über den bisher nur politisch bindenden Deal liegt freilich beim Rat und beim Europäischen Parlament. Ihnen präsentierte die Kommission am 28. August zwei Gesetzesentwürfe, mit denen die in der gemeinsamen Erklärung festgehaltenen Zollsenkungen vonseiten der EU umgesetzt werden sollen. Die Sozialdemokraten haben bereits Widerstand angekündigt.
In den Verhandlungen rund um die neuen EU-Gesetze dürften aktuelle Entwicklungen in den USA eine Rolle spielen: Ein Berufungsgericht erklärte die US-Zölle für Waren aus Kanada, Mexiko und China sowie den Basiszoll von 10 Prozent Ende August für gesetzwidrig und damit ungültig. Nicht betroffen sind jedoch ältere Zölle gegen China sowie über den Basiszoll hinausgehende sektorale Zölle auf Stahl, Aluminium, Kupfer oder Autos. In Kraft tritt das Urteil erst am 14. Oktober. Trump kündigte an, es am Obersten Gerichtshof anzufechten.
Trotz der republikanischen Mehrheit der Richter:innen ist es wahrscheinlich, dass das Höchstgericht das Urteil bestätigt. Das könnte weitreichende Auswirkungen auf bestehende Handelsabkommen haben und laufende Verhandlungen weiter komplizieren. Zudem würde es das politische Kapital und die Handlungsfähigkeit der Trump-Regierung beschädigen.
Auch wenn andere Rechtsgrundlagen infrage kommen, ist es wahrscheinlich, dass die neuen EU-Gesetze angenommen werden, weil sie beide eine Schutzklausel enthalten, durch die sie außer Kraft gesetzt werden, wenn die USA sich nicht an ihre Seite des Deals halten oder die Umstände sich radikal ändern.
Als Gegenleistung für die neuen EU-Gesetze senken die USA ihre Zölle auf Autos aus der EU – auf „nur“ 15 Prozent. Die deutsche Autoindustrie, die besonders von den USA abhängig ist und zugleich stark unter chinesischer Konkurrenz leidet, kann also aufatmen; zumindest teilweise. Doch in den vergangenen Monaten sind erneut mehrere zehntausende Arbeitsplätze in der Autoindustrie verloren gegangen.
Auch in Österreich arbeiten seit Jahrzehnten immer weniger Menschen in der Industrie. Das ist nicht nur eine Krisen-Erscheinung, sondern hat auch damit zu tun, dass es bei hohen Lohnstückkosten einfach sinnvoll ist, noch mehr auf Automatisierung zu setzen, um die Produktivität zu steigern und damit international wettbewerbsfähig zu bleiben. Das zeigt sich auch daran, dass immer weniger in der Industrie Beschäftigte in der Fertigung arbeiten.
Die EU, die USA und China verfolgen derzeit alle dasselbe Ziel: Sie wollen ihre eigene Industrie stärken. Trump will damit Arbeitsplätze für Fabrikarbeiter:innen zurückholen, was schon in seiner ersten Amtszeit nicht funktioniert hat. China will eine technologisch und industriell autarke Supermacht werden und so das „Jahrhundert der nationalen Demütigung“ ein für alle Mal hinter sich lassen.
Europa hingegen geht es um Autonomie. Diese gründet auf einer soliden Wirtschaft, und die ruht in der EU auf dem Dienstleistungssektor. Damit dieser leistungsfähig bleiben kann, braucht er eine starke Industrie als Auftraggeberin und Testlabor. Es ist essenziell, Industriestandorte zu halten, weil Studien zeigen, dass einmal abgewanderte Industrien nie mehr zurückkehren.
Um ihr Ziel zu erreichen, setzen alle drei Handelsmächte auf massive Subventionen. Worin sich die EU aber von den USA und China abhebt, ist, dass sie Zölle und Ausfuhrbeschränkungen deutlich vorsichtiger nutzt als die anderen, und dabei penibel auf die Einhaltung der WTO-Regeln achtet.
Hier ruht wesentliches Potenzial: Die Europäische Union könnte sich global als Champion für das internationale Handelsrecht und Partnerschaften auf Augenhöhe profilieren. (Neue Bewegung gibt es gerade beim EU-Mercosur-Abkommen.) Damit könnte sie ihre Industrie stärken, unliebsame Abhängigkeiten abstreifen und international als dringend benötigte liberale und demokratische Ordnungsmacht auftreten. Sie muss es nur tun.
(Bild: wildpixel/iStock)
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